Tichys Einblick
Der Wischmop als Signal

Hans-Georg Maaßen: Einmal trauriger Held und zurück

Es gibt Helden und tragische Helden. Hans-Georg Maaßen ist beides. Möglich macht's die CDU - mit Annegret Kramp-Karrenbauer wird der Wischmop zum Partei-Logo, Wolfgang Schäuble macht es sichtbar.

imago images / Stefan Zeitz

Es ist ja schon sehr seltsam, dass Hans-Georg Maaßen für die CDU in Sachsen Wahlkampf macht. Er versucht, in Sachsen und Brandenburg die letzten Stimmen für die CDU zusammenzukehren. Das ist selbstlos. Jener Maaßen, der die Kanzlerin und ihren Innenminister davor warnte, dass es in Chemnitz eben keine Belege für „Hetzjagden“ auf Ausländer durch Einheimische gegeben habe.

Maaßen, die Geschichte muss nicht noch mal erzählt werden, wurde gefeuert. Viele hatten erwartet, dass er dann seinerseits den Besen hinwerfen und zur AfD wechseln würde. Er tat es nicht, trat demonstrativ der „Werteunion“ bei, einer konservativen Sammlungsbewegung, die in der CDU nicht gern gesehen wird, aber Mitgliederrekorde vermeldet. Denn die Werteunion ist wie eine ständige Mahnung daran, was die CDU einmal war, wofür sie einstand und warum sie zur größten Partei und zur Kanzlerpartei schlechthin wurde.

Hans-Georg Maaßen also zieht über die ostdeutschen Landstriche und macht Wahlkampf für eben jene CDU, deren Kanzlerin ihn gefeuert hat. Das ist echtes Heldentum. Denn natürlich bestaunen ihn die Zuhörer wie ein Wundertier. Hans-Georg Maaßen ist ja kein Hau-Drauf. Unter einem Geheimdienstchef stellt man sich gemeinhin einen anderen Typ vor: Schneidiger, grausamer, unbedingter. Maaßen ist der Typ eines reflektierten, das Gesetz zitierenden, Vertrauen erweckenden und eher zögerlichen Beamten, durchaus flexibel in der Sache und bei einem gute Argument, aber ehern an die Treue zum Staat gebunden. Wäre er ein Gebrauchtwagenhändler, er könnte spielend reich werden. Ihm kauft man auch einen Ferrari als neues E-Auto ab. Aber Geld ist ihm nicht alles. Das ehrt ihn.

Neuerdings wirkt Maaßen wie eine tragische Figur. Denn die Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer – man muss es immer wieder dazu sagen – , sie ist Parteichefin, auch wenn sie zunehmend wirkt wie jene Karnevalsfigur, die sie so gut spielt: Zwar bauernschlau, aber nicht klug. Sie ist eine Geschickte, und zwar von Merkel, aber keine Gesandte der Zeitgeschichte. Also macht er Wahlkampf für eine Partei, die ihn ausschließt? Wirklich tragisches Heldentum.

Annegret Kramp-Karrenbauer hat zuerst in einem missverständlichen Interview den Parteiausschluss von Maaßen gefordert, dann dementiert, obwohl Wortlaut und Kontext für einen Politiker eindeutig waren. Aber gut, sie hat dementiert, und hat jetzt wieder bestätigt, was sie dementiert hatte. Jetzt wirft sie ihm einen Absolutheitsanspruch vor, der nicht der CDU angemessen sei und außerdem sei er zu spät entlassen worden.

Jetzt stehen sich zwei Politiker gegenüber; von denen die eine sich zunehmend doof anstellt und der andere sich die doofe Frage stellen lassen muss, wie lange er noch den dummen August für die CDU machen will. Wobei ihm jetzt der große Mann im Hintergrund, Wolfgang Schäuble, zu Hilfe gesprungen ist. „Die Frage, ob Herr Maaßen Mitglied der CDU sein darf oder nicht, gehört in den Bereich von Witzveranstaltungen“.

Damit hat er Kramp-Karrenbauer genau da erwischt, wo es ihr wehtut: Er hat ihren Karnvevalsauftritt in Aachen als komische Putzfrau genommen und zu ihrem Politikstil erklärt: eine Witzveranstaltung. Was im Karneval sympathisch ist, ist aber außerhalb der närrischen Zeit reine Narretei.

Und jetzt? Maaßen darf weiter auf Stimmenfang für die CDU gehen, die ihn nicht will oder doch will; wer weiß das schon. Wer die CDU wegen Maaßen wählt, bekommt der jetzt Maaßen und Schäuble – oder Merkel und Kramp-Karrenbauer? Oder ist Kramp-Karrenbauer eigentlich schon weg und Friedrich Merz kommt mit dem Wischmop, um die Scherben von der Bühne zu kehren? Wobei man ahnt, dass Merz und Wischmop nicht zusammengehen, der Herr lässt wischen. Wo man wiederum Annegret Kramp-Karrenbauer zu Gute halten mag, dass sie sicher selber wischt.

Jedenfalls wird der Wischmop zum Wappentier der CDU: Früher konnten die einen schwarzen Zaunpfahl hinstellen und er wurde gewählt. Heute weiß die CDU nicht mehr, mit wem sie wischen will.

Und da kommt der arme Hans-Georg Maaßen ins Spiel. Ihn haben sie abgeledert, jetzt wischen sie um ihn herum, dass das Wischwasser gerade so spritzt.

Denn Schäuble ist eine tragische Figur: Nachfolger von Helmut Kohl als Kanzlerkandidat sollte er werden, und Kohl hat es dann doch verhindert. Nachfolger als Parteivorsitzender wurde er, und dann hat ihn Angela Merkel abgeledert. Ein Politiker mit seinen Verdiensten hätte nach den gängigen Regeln in Berlin Bundespräsident werden müssen anstelle des wortreich-sprachlosen Steini. Schäuble lässt sich nicht in die Karten schauen. Er hat den Rauswurf Griechenlands aus der Euro-Zone betrieben und wurde von Merkel daran gehindert. Er hat ihre Flüchtlingspolitik mit der Bemerkung kritisiert, dass ein Skifahrer eine Lawine lostreten könne, die dann nicht mehr zu stoppen sei. Merkel hat weiterhin Lawinen losgetreten. Schäuble scheut die offene Feldschlacht in der Partei, aber er setzt seine Wörter so, dass sie treffen. Zum Treffer Schiffsmitte hat es bislang nicht gereicht. In der Politik explodieren ja auch keine Schiffe. Aber es werden Marken gesetzt, Bilder erzeugt, die immer wieder auftauchen, wenn so Gezeichnete sprechen. Annegret Kramp-Karrenbauers Witzveranstaltung ist so eine. Sie ist jetzt die mit dem Wischmop.

Und Hans-Georg Maaßen ist wieder auf glänzend gewienert. Mit der frischen Legitimation durch den heimlichen größten Mann aller Zeiten in der CDU hat er gerade die Kurve gekriegt, vom tragischen Helden zurück zum richtigen Helden. Schafft er es doch, die CDU zu drehen? Aber wenn, wohin?

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