Tichys Einblick
Wer sind seine Anhänger?

Die unerwiderte Liebe des Hufeisens zu Wladimir Putin

Breites Misstrauen gegen jede vorliegende Information und eine seltsame Liebe zu Putin treibt viele Deutsche um. Woher kommen Putins Anhänger, was motiviert sie, was eint und was trennt sie? Teil 2 einer Serie.

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Was treibt viele Deutsche, den durchschaubaren Propagandalügen Glauben zu schenken, die von Russland verbreitet und von vielen Teilnehmern in den sozialen Medien wie Twitter oder Facebook vervielfältigt werden? In Deutschland mischen sich viele Motive.
Die große Angst vor dem Krieg

Da ist zunächst die Kriegsfurcht; kein Wunder nach zwei Weltkriegen und ihren Schrecken. Es ist das Entsetzen, das über die Generationen weitergegeben wird. Der deutsche Pazifismus ist auf Gräbern gewachsen. Er ist tief verankert, und er ist verbunden mit der Erfahrung der Niederlage und Entwertung Deutschlands. „Nie wieder Krieg“ ist die Folge einer schmerzhaften Verwundung. „Lieber rot als tot“ scheint die einzig mögliche Antwort – und dass die totale Kapitulation der Wehrmacht die Lebensbedingungen wenigstens im Westen verbessert hat, gehört dazu wie die Care-Pakete eines letztlich großmütigen Siegers.

Daher rührt die Forderung, die Ukraine solle umgehend kapitulieren, so schlimm wie Krieg sei das schon nicht. Dass wohl die Mehrheit in der Ukraine genau das nicht will, nachdem die Ukraine das Schlachtfeld zweier Weltkriege war und die Sowjetunion mindestens ein Drittel der Bevölkerung ermordet hat: Das ist die gegensätzliche Erfahrung, die zum Widerstand, zum Kampf aufruft. Es ist ein seltsames Paradox: Die Kinder der Täter wollen, dass die Kinder der Opfer erneut zum Opfer bereit sind. Die Kinder der Opfer allerdings haben beschlossen, sich zu wehren. So schlägt Erfahrung in ihr Gegenteil um.

Lange waren die Juden die getretenen, geschundenen Opfer bei vielen Gewaltausbrüchen; die Soldaten Israels sind die motiviertesten Kämpfer. Sie haben das Gewand der Opfer mit der Uniform getauscht. Die schnellen, beweglichen und mutigen Kampftruppen der Ukraine scheinen ähnlich motiviert. Ihnen wird man nicht abverlangen können, dass sie kapitulieren, damit es den Deutschen in ihrer warmen Opfergefühligkeit gut geht. Die Wut auf die Ukraine kommt daher, dass zu viele das Elend der Ukraine ankotzt. Weil es das jämmerliche Gefühl des Opfers hinter dem warmen Ofen in Frage stellt.

Putin, der Retter

Für Linke wie Rechte ist Putin sogar ein Hoffnungsträger. Für die zahlenmäßig größte Gruppe, die Linken, ist er der Retter wie einst Stalin: Antikapitalistisch, anti-westlich, autoritär, so hat der deutsche Linke es gern. Für das andere Ende des Hufeisens ist es die gesellschaftsverändernde Politik, wie sie in Deutschland seit Merkel betrieben wird. Die demonstrative Missachtung von Familie und traditionellen Werten; die aktuelle Trans-Mode, die winzige sexuelle Minderheiten die Mehrheit dominieren lässt.

Unverständnis für immer neue, immer tiefere Eingriffe ins private Leben bis hin zu Speisevorschriften in Kantinen und Esszimmer, Umdeutung der Geschichte, eine um sich greifende „Cancel Culture“, ständige neue Sprach- und Denkverbote bis hin zu einer nervigen Manipulation der Sprache, um einen gesellschaftsmanipulierenden NewSpeak in Schulen, Universitäten und Medien durchzusetzen. Putin gendert nicht!

Dazu kommt die Angst vor den Folgen einer wirren Migrationspolitik zu Lasten und Nachteil der einheimischen Bevölkerung – viele Menschen verstehen diese Welt nicht. Es ist nicht mehr ihr Deutschland. Sie wenden sich von dieser Politik ab und hoffen eine Rettung durch Putin, der soll doch ein Patriot und Bewahrer traditioneller Werte sein und badet er nicht im Weihrauch der Orthodoxen Kirche, deren goldene Kuppeln wieder erstrahlen, während in Deutschland die Kreuze umgestoßen werden?

Der größere Teil von Putins Anhängerschaft in Deutschland kommt aber aus dem linken Lager. Es ist eine Art Nostalgie; die Püppchen und Soljanka, Gesänge und Gesaufe. Linke wie auch Rechtsaußen eint ein seltsames Gefühl: Die liberale Welt der USA ist widersprüchlich; ihre Extreme und Exzesse wirken abstoßend. Der ständige Meinungskampf wirkt ermüdend – Putins Welt erscheint dagegen geordnet und übersichtlich. Der sagt, wo es langgeht. Führer befiel, wir folgen. Über die gravierenden Folgen täuscht man sich dort gerne hinweg.

Es ist eine seltsame Liebe, die die Motive Putins verkennt, der in Russland eine brutale Diktatur gegen Andersdenkende errichtet hat und demonstriert, mit welchen schauerlichen Mitteln er sie durchsetzt. Der notwendige, ständige Kampf um die Freiheit wird als Zumutung empfunden. Gejammert wird gerne hinter vorgehaltener Hand, aber nicht das eigene Eintreten, sondern ein starker Mann soll die Politik retten. Es ist die alte, romantische, urdeutsche Hoffnung, dass so einer die Sache wieder einrenkt, statt dass man selber tätig wird. Und die letzten Sozialisten hoffen immer noch, dass mit Putin die alte Sowjetunion neu ersteht und der Sozialismus endlich Luft unter die Flügel kriegt; ausgerechnet mit Putin, dem Schirmherrn der Oligarchen und Erz-Kapitalisten, der selbst einer der reichsten Männer des Erdballs sein soll und die Rohstoffe plündert – bevorzugt gegen Dollar. Eine Illusion zu glauben, dass Putin die Liebe der AfD, der Partei DIE LINKE und frustrierter Wohlstandslinker erwidert; er hat sie immer nur als nützliche Idioten betrachtet.

Breiter gesellschaftlicher Vertrauensverlust

Hinzu kommt der immense Vertrauensverlust, den sich eine auf Manipulation und Umerziehung ausgerichtete Politik eingehandelt hat: Spätestens mit der Einwanderungspolitik seit 2015 wird die Bevölkerung vor vollendete Tatsachen gestellt, die ohne demokratische Mitwirkung umgesetzt werden und tiefgreifend in das soziale Gefüge eingreifen oder es im Sinne eines „Experiments“, einer „großen Transformation“ oder des „Global Reset“ im Sinne einer grünlinken Minderheit umwälzen sollen. Zwar wird gewählt, aber am Ende sind es dieselben Gesichter oder vielleicht sogar neue, die aber die alte Leier singen. Demokratie wird vielfach nur noch als Fassade wahrgenommen, Widerspruch durch Geheimdienste und vielfältige soziale und wirtschaftliche Repression bekämpft.

Spätestens in der Corona-Krise wurden abweichende Sichtweisen von Medien und Politik gemeinsam denunziert und teilweise kriminalisiert, wurden nach Ansicht Vieler meist nur noch obrigkeitsgenehme Demonstrationen zugelassen und die Polizei gegen die Bevölkerung in Stellung gebracht, wurde das Grundgesetz zur leeren Hülle ohne einklagbaren Gehalt. Aussagen und Fakten, die von führenden Politikern und Medien vertreten werden, waren widersprüchlich, fragwürdig und von kürzester Halbwertszeit; angebliche Verschwörungstheorien dagegen bestätigten sich immer wieder, so die immer weiter verbreitete Haltung. Das führt dazu, dass eine Stimmung des allgemeinen Misstrauens herrscht und die Glaubwürdigkeitshalbwertzeit von Politik dramatisch reduzierte.

Klassische Medien werden als Lautsprecher der Politik wahrgenommen, nicht als Instrumente der Machtkontrolle oder gar als Anwälte einer Vierten Gewalt. Alles erscheint möglich, vieles wird der Regierung und ihren Behörden zugetraut. Das Vertrauen in Rechtsstaat und Demokratie ist bei vielen Deutschen erschüttert. Damit ergibt sich eine weitverbreitete Atmosphäre des allgemeinen Misstrauens und Unglaubens. Viele Deutsche halten das glatte Gegenteil jeder Aussage von Politik und Medien nicht nur für möglich, sondern sogar für wahrscheinlich. Daran knüpft Putins Propaganda im hybriden Krieg an. Breite Verunsicherung ist dabei eine Waffe unter vielen. Abhilfe ist nicht in Sicht.

Die grausame, menschenverachtende Entwicklung in der Ukraine wird nur als Vehikel benutzt, so die Wahrnehmung, um die eigene Vorstellung des rotgrünen Milieus noch brachialer umzusetzen: Tempolimit, Fleischverbot, Mobilitätseinschränkungen, Windräder auch in windstillen Zonen, Inflation und Wohlstandsabsenkung werden als Maßnahmenpaket wahrgenommen, um die angestrebte „Große Transformation“ in eine Armutsgesellschaft noch schneller durchzusetzen – mit einer von den Folgen unberührten politischen Elite, die sich in der höchsten Krise zunächst einen Zuschlag auf die Diäten genehmigt.

Dabei: Es war diese deutsche Politik, die durch ihre Maßnahmen Deutschland von Putin abhängig gemacht. Es waren die Kanzler Schröder und Merkel, die die Eigenständigkeit und Souveränität untergraben, die Verteidigungsmöglichkeit unterminiert haben – alles im Sinne Putins. Der soll jetzt dafür verantwortlich sein? Jetzt sollen wir frieren für den Murks der Politik, die so getan hat, als wären Windräder die Lösung von irgendwas? Bislang hat die politische Elite nur mit einem Schulterzucken reagiert und glaubt, dies mit „wir haben uns in Putin getäuscht“ wegdrücken zu können. Dabei ist sie für die Verbrechen mitverantwortlich. Die Kanzler Schröder und Merkel haben ihren Amtseid, der verlangt, „Schaden vom Deutschen Volk abzuwenden“, gebrochen. Das ist der Kern des Misstrauens.

Mein persönliches Fazit

Mein Fazit ist bedrückend: Der Angriff auf die Ukraine ist der Versuch, einen rassistisch motivierten Angriffskrieg zu führen; eine Niederlage der Ukraine würde massenhafte Ermordung und Verschleppung zur Folge haben. Putin hat daran keinen Zweifel gelassen; auch, dass er andere osteuropäische Völker für Untermenschen hält, die der russischen Herrschaft unterworfen gehören. Das politische System in Deutschland und seine klägliche Parteienwirtschaft mag einen zum Wahnsinn treiben – aber Putin wird es nicht besser machen für uns, das müssen wir schon selber erledigen. Noch einmal können wir nicht erwarten, dass die USA uns die Freiheit erkämpfen und schenken.

Der Krieg in der Ukraine geht uns etwas an; gelingt es nicht, Putin dort zu stoppen, wären weitere Staaten in Gefahr und letztlich auch Deutschland. Deutschland muss aus eigenem Interesse die Ukraine weitergehend unterstützen; Deutschland befindet sich längst im Krieg gegen eine Macht mit unmenschlichem Herrschaftsanspruch.

Das „wir haben uns getäuscht“, mit dem sich führende Politiker wie Frank-Walter Steinmeier vor der Verantwortung drücken wollen, ist unglaubwürdig. Sie haben es gewusst. Insbesondere die SPD mit Gerhard Schröder, Manuela Schwesig, Matthias Platzeck, Olaf Scholz und Frank-Walter Steinmeier ist in ihrer Verfolgung russischer Interessen unglaubwürdig. Die CDU wird die Rolle von Angela Merkel schnellstens aufklären müssen. Mit dem Finger auf Putin zu zeigen, reicht nicht. Deutschland braucht einen parteiunabhängigen Untersuchungsausschuss, der die Einflussnahme Russlands auf die politische Elite seit Gerhard Schröder ausleuchtet. Das wäre der Beginn, um eine politische Ära zu beenden, die Deutschland spätestens seit der Regierung Merkel schwer geschadet und im Innersten verwundet hat.

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