Tichys Einblick
Kein Schwergewicht, nur Stolperstein

CDU-Krise: Altmaier muss weg, damit Merz kommen kann?

In der CDU tobt vordergründig eine Auseinandersetzung um Wirtschaftsminister Peter Altmaier. Tatsächlich geht es um den zukünftigen Kanzler - Annegret Kramp-Karrenbauer konnte den konservativen Flügel nicht für sich gewinnen.

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Den Anfang machte die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung – ein kritischer Bericht über Wirtschaftsminister Peter Altmaier kam unvermittelt am Sonntag daher. Kronzeuge für Altmaiers Unvermögen im Amt war der Vertreter der Familienunternehmen, der sonst nicht so beachtet wird. Mit Beginn der Woche folgten dann praktisch alle Medien mit Rang und Namen, auch TE. Die Süddeutsche Zeitung holte ihren ausrangierten Vorzeige-Liberalen Nikolaus Piper aus der Rente zurück und lässt ihn gegen Altmaier stänkern, das hat was von letztem Aufgebot und Volkssturm in einem. Nun ist Altmaier in diesem Amt fragwürdig. Die Konjunktur knickt ein und nähert sich bedenklich schnell der Null-Kurve; die Automobilindustrie meldet einen Produktionsrückgang von 7,1 Prozent im 4. Quartal, der Brexit droht, Trump mauert, China dreht auf – und Deutschland spielt weiter mit seinen Förmchen im Sandkasten, als ginge uns das alles nichts an: Noch schnell ein Kohleausstieg, der die ohnehin fragile Energieversorgung noch einmal gefährdet bei den ohnehin schon höchsten Strompreisen in Europa; die Bahn ein Desaster und der Mobilfunk und die Datenversorgung – reden wir nicht davon, Schimpfen über Verspätung und löchrige Netze hat die Qualität von: den Mond anbellen. Der Mond reagiert nicht, er hat auch keinen Anschluss und Altmaier ist inhaltlich abgehängt. Am Mittwoch zieht dann noch die FDP nach mit den Ergebnissen einer parlamentarischen Anfrage. Danach hat Altmaier „in 10 von 13 EU-Ministerräten im Zuständigkeitsbereich seines Hauses gefehlt, trotz Brexit. Er interessiert sich wohl nicht für Wirtschaftspolitik, sonst würde er deutsche Interessen auf europäischer Ebene vertreten“, twittert für die FDP ihr parlamentarischer Geschäftsführer und Lindner-Vertrauter Marco Buschmann.

In die weichen Händchen spucken

Armer Altmaier. Dabei trat er immer so burschikos auf. Legte das Jackett ab und krempelte die Ärmel hoch, so als wolle er irgendwas anpacken und vorher noch in die Hände spucken wie weiland Ludwig Erhard, sein legendärer Vorgänger. Von dem existiert allerdings kein amtliches Foto ohne Anzug und Krawatte, und in die Hände gespuckt hätte er auch nicht, so ein Malocherbild hätte er rundweg abgelehnt. Damals hatte man eben noch Stil, und dazu gehörte Zigarre und Whiskey-Glas, aber nicht Champions, die man national züchten will wie Altmaier.

Haben sich die deutschen Medien plötzlich auf Marktwirtschaft besonnen? 

Hat sich Altmaier, der Darling des Energiewende und der Macker der Flüchtlingsherholung über Nacht irgendwie geändert, verändert? Nein, hat er nicht. Hat sich irgendeine Einsicht über Nacht breit gemacht, die vorher nicht verfügbar war, wie etwa die: In der Nacht scheint keine Sonne und wenn der Wind nicht so weht, wie er soll, gibt es keinen Strom? Wussten wir schon lange. Auch, dass der Kohleausstieg noch einmal einige hundert Milliarden kosten wird und viele Arbeitsplätze. Das Diesel-Debakel kommt dazu. Haben wir alles gewusst, no News.

Nichts dergleichen. Altmaier ist einfach nur Altmaier und weiterhin wie vorher schon Muttis treuster Küchenjunge, aber neuerdings steht er im Weg. An „Mutti” trauen sich die Helden der deutschen Wirtschaft nicht heran, jetzt ist der lustige Altmaier der Sündenbock. Und die maulenden Herren der Industrie haben bei all dem nicht widersprochen, sondern immer ganz eifrig genickt, wenn die Kanzlerin die Stirn runzelte. Wahre Helden eben, die jetzt den behäbigen Jungen aus der Klasse prügeln, weil ihnen zum Aufmucken gegen die Steno- und Handarbeitslehrerin der Mumm fehlte. Politik in Form einer Klassenkeilerei – weit sind wir gekommen.

Einer steht im Weg, der muss weg

Altmaier steht im Weg, weil Friedrich Merz bei der Wahl zum Parteivorsitzenden von Annegret Kramp-Karrenbauer geschlagen wurde. Seither sinnt der konservative und noch ein wenig an Wirtschaft und Zukunft interessierte Kreis in der Union auf Revanche. Kramp-Karrenbauer ist es eben nicht gelungen, wie dieselben Zeitungen noch vor zwei Wochen berichtet haben, die Flügel der CDU miteinander zu versöhnen. Sie ist die Heldin der Zeitungsseiten, aber nicht die Herrin über die Konservativen. Die Flügel der Union gehen aufeinander los. Das Wirtschaftsministerium ist das Schlachtfeld, auf dem die Konservativen der Union glauben, den rot-grünen Flügel stellen zu können. Etwas anderes haben sie auch nicht als Schlachtfeld, denn die Bundeswehr ist ein Debakel, das Innenministerium, in der Rangfolge die Nummer 3, von der CSU okkupiert; und alle anderen wichtigen Einfluss-Ministerien sind von der SPD besetzt: wie das Sozialministerium und insbesondere das Finanzministerium, aber auch das Auswärtige Amt. So bleibt für die symbolischen Kämpfe nur das Wirtschaftsministerium, das neben allgemeiner Rede-Kompetenz originär die gescheiterte Energiepolitik zu verantworten hat.

Was hier vorgeführt wird in aller Öffentlichkeit, ist nicht der Kampf um die Richtung in der Wirtschaftspolitik – sondern um die Kanzler-Nachfolge. Mit Annegret Kramp-Karrenbauer findet sich der Merz-Flügel nicht ab. 

Dabei ist auch schon klar, dass es nicht einmal um Merz geht. Zu viele seiner Anhänger hat er mit seiner Vorführung aus wirrer Rede, mangelnder Vorbereitung und beschränkter Zukunftsperspektive verschreckt. Wer wirklich antritt, wird dann vermutlich auch nicht Merz heißen. Kluge Königsmörder warten, den Dolch im Gewand verbergend.

Übrigens, machen Sie sich keine Sorge um Peter Altmaier. Irgendein feines Pöstchen wird sich schon finden lassen in Brüssel, nach der Wahl. Wäre doch gelacht.

p.s.: Manche Dementis sind Bestätigungen.