Tichys Einblick
Machtspiele

Der wichtigste Unterstützer der Grünen ist Friedrich Merz

Der langgewachsene Friedrich Merz macht sich kurz und die große CDU klein: Die Partei und ihr Vorsitzender putzen sich zurecht für die Grünen – und stärken deren Position in der Ampel.

IMAGO / Future Image

Ein Land fährt gegen die Wand: Inflation, Energienot, unbezahlbare Strom-Rechnungen, Betriebsschließungen …, hören wir auf, die Probleme aufzuzählen, das hält man ja kaum aus, und im Übrigen wiederholt es sich. Und worüber spricht die CDU? Über die Frauenquote. Im Jahr des Herrn 2022. „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“, sagte mal Michail Gorbatschow. Friedrich Merz kommt gerade zu spät zur Tür herein, die Party mit so ’nem Quatsch isch over. Wir haben andere Probleme, aber mal so richtige und davon nicht zu knapp.

Umfrage
Nur jeder Dritte traut Friedrich Merz die Kanzlerschaft zu
Warum macht er das? Und warum ist Olaf Scholz so still, schaut zu, wie die letzten industriellen Kerne dahinschmelzen und mit ihnen die letzten Wähler-Bastionen seiner Partei. Die Facharbeiter gehen auf Kurzarbeit oder gleich in Rente und wenn die Tariferhöhungen durchgesetzt sind, für die die IG Metall kämpft, sind die Beschäftigten ärmer als vorher: Zu niedrig sind die Lohnsteigerungen, um den Kaufkraftverlust durch die Inflation auszugleichen. Und weil für ein höheres Gehalt, aber kleineren Einkaufskorb trotzdem höhere Lohnsteuern zu bezahlen sind und dann noch Gas und Strom gestemmt werden müssen, dürfte es unter dem Weihnachtsbaum dürr ausfallen in vielen Familien.

Es sind die Familien, die vom kommenden Transsexuellen-Gesetz genauso wenige Geschenke unter den Baum kriegen, wie sie von der Haschisch-Freigabe zu erwarten haben. Die Symbolpolitik der Grünen hilft ihnen: gar nichts. Vielleicht geht das Licht aus und der Strom bleibt ganz weg; die Weihnachtsbeleuchtung wird ausgeschaltet und Deutschland steht vor massivsten materiellen Problemen. Ein großer und schnell wachsender Teil der Bevölkerung hat es nicht mehr gut; immerhin werden Wärmehallen für Rentner errichtet, wie gnädig.

Und worüber spricht die CDU? Über Frauenquote.
Und die SPD? Olaf Scholz spricht gar nicht.
Warum das so ist, hat mit der deutschen Parteienlandschaft zu tun.

CDU-Grundsätze
Wie Friedrich Merz die CDU den Grünen zum Fraß vorwirft
Aus der SPD hört man, dass sich Olaf Scholz nicht heranwage an das Gemurkse seines Wirtschaftsministers Robert Habeck, für den die beste Wirtschaft diejenige ist, die einfach aufhört zu arbeiten und die Läden zusperrt. Denn wenn Olaf Scholz den Habeck vorführt, könnten die Grünen die Koalition in Frage stellen. Olaf Scholz hat die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers, klar. Aber wenn er dieses scharfe Schwert zieht und die Atomkraftwerke laufen lässt, damit Energie wieder fließt, halbwegs bezahlbar bleibt und Arbeit möglich wird: Dann kann er Habeck entlassen und die Ampel ist geplatzt.

Und dann kommt Friedrich Merz ins Spiel.

Der will unbedingt auch mal Kanzler werden. Kanzler wird man aber nicht, das denkt er jedenfalls, wenn man das Richtige ausspricht. Kanzler wird man nur, wenn man einen Koalitionspartner hat, und nach Lage der Dinge ist das seiner Meinung nach nur die grüne Partei.

Also wanzt er sich an sie an. Er lockt, umgarnt, umschmeichelt die Grünen. Er spricht davon, dass es „mindestens zwei Geschlechter“ gäbe, also neben Mann und Frau noch ein paar mehr. Kernkraftwerke nur gerade mal für ganz kurze Zeit. Aber für ganz kurze Zeit lohnt der Aufwand von Infrastrukturinvestitionen nicht, die sich über Jahrzehnte refinanzieren müssen. Wenn nun die Grünen doch einfach kein Kraftwerk wollen – dann will Merz auch keins. Kohle, Fracking, was auch immer: Friedrich Merz kniet vor Windrädern, den neuen Dogmen grüner Religiosität.

Vom Beckenrand
Friedrich Merz, der So-tun-als-ob- und Möchtegern-Kanzler
Er schmeichelt und ist dann doch mal versehentlich ein Wort der Kritik herausgerutscht, können sich die grünen Umgarnten jedes Mal sicher sein, dass er es nach kurzem Gegenwind via Twitter alles wieder zurücknimmt und sich falsch verstanden wissen will. Er will sein, wie sich Claudia Roth einen Kanzler malt, und will von Ricarda Lang gemocht werden. Er widerspricht Robert Habeck nicht und nimmt wortlos hin, wenn Annalena Baerbock die richtige Haltung als Maßstab der Außenpolitik definiert, statt die Interessenlage Deutschlands als Maßstab zu nehmen.

Und so können die Grünen jeden Unsinn erzählen und jede Vernunft fahren lassen. Olaf Scholz kann sie nicht dafür rausschmeißen, weil Friedrich Merz jeden Quatsch mitzumachen bereit ist. Und Olaf Scholz weiß, dass die Grünen ihren Friedrich Merz haben. Damit ist er erpressbar und muss jedes grüne Spielchen mitmachen – weil sie es sonst mit Merz treiben.

Politik sucht nicht nach Lösungen. Sie sucht nach Pöstchen und Pfründen. Erst die Diäten, dann das Land. Darüber darf man nicht schimpfen. So ist der Mensch – er sucht seinen Vorteil und nennt das Gemeinwohl.

Gelegentlich soll es Politiker gegeben haben, die haben das große Ganze im Blick gehabt. Sie waren durch bittere Erfahrungen gegangen, durch Krieg, Niederlagen, Elend und Not. Das schärft den Blick darauf, dass das große Wasser das kleine mitnimmt, wie es Helmut Kohl formuliert hat. Dass ein Politiker für das Glück der Mehrheit zuständig sein soll, nicht für seine Ideologie von Armut, und nicht nur persönliche Eitelkeiten sein Handeln bestimmen sollen.

Einführung Frauenquote
CDU unterwirft sich auf dem Parteitag dem grünen Zeitgeist
Aber ein Investmentbanker hat nur eine Kategorie im Blick: den persönlichen Profit, den schnellen Deal, das gute Geschäft, den nächsten Bonus. Investmentbanker interessieren sich nicht für langfristige Entwicklungen, sondern für Quartalszahlen, nicht für Fabriken und die Menschen, die darin arbeiten und ihr Auskommen verdienen müssen. Der persönliche Gewinn ist das, was zählt, der soll groß sein; am Großen und Ganzen ist nichts zu verdienen.

Und so lockt und schmust und verspricht Friedrich Merz den Grünen, dass er noch viel grüner sei als sie selbst. Eben deshalb zögert Olaf Scholz und kneift die Lippen zusammen, obwohl er vielleicht doch gerne einmal losschreien würde: erst die Macht, dann die Vernunft, das ist seine Losung; und diese Macht hat er nur mit den Grünen.

So ist Deutschland in einer völligen Blockade verfangen. Das politische System belohnt nicht Lösungsansätze, sondern Machtspiele. Koalitionen suchen keine Argumente, sondern Wählerstimmen und Imagegewinn.

Das glauben Sie nicht?

Sehen Sie, FDP-Marco Buschmann hat mit SPD-Karl Lauterbach über Coronaregeln verhandelt. Und einen typischen Kompromiss erzielt, auf den nur ausgefuchste Politiker kommen können: In der Lufthansa künftig kein Maskenzwang, Jubel bei der FDP. Dafür Maskenzwang in Arztpraxen und im Zug. „Und so werden die Deutschen in diesem Herbst in Wartezimmern Maske tragen, aber nicht im Ferienflieger“, schreibt der SPIEGEL. Im ICE werden sogar die dichten FFP-2-Masken verpflichtend.

Frauenquote beschlossen
Friedrich Merz macht die CDU noch anschlussfähiger für die Grünen
So hat die Ampel zwei Sieger: die FDP und die SPD. So etwas nennt man Kuhhandel, ein undurchsichtiges Geschäft mit Nebenabreden und Zusatzvereinbarungen, kurz: eine schmieriger Tausch.

Denn ob Masken sinnvoll sind und wenn ja, wo und unter welchen Bedingungen: Darum ging es nicht. Es ging um das Image des Siegers, das Karl Lauterbach braucht ebenso wie Marco Buschmann. Um die Menschen, um Gesundheit, geht es zu allerletzt. Über den Maskenzwang zum Imagegewinn; Du deinen – ich meinen.

Und damit sind wir wieder bei Friedrich Merz. Ein Land fährt gegen die Wand: Inflation, Energienot, unbezahlbare Strom-Rechnungen, Betriebsschließungen …, so lautet der erste Satz. Doch darum geht es Friedrich Merz gar nicht. Er will Kanzler werden, und dazu braucht er Ricarda Lang. Dafür müssen Lösungen eben warten und Menschen frieren.

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