Tichys Einblick
Geld weg, Steuern hoch

Bundeshaushalt: Das Riesen-GroKo-Loch

Es ist eine Meisterleistung der Regierungskunst: Trotz gigantischer Steuereinnahmen und Wirtschaftsboom ein Finanzierungsloch zu erzeugen, ist wirklich nicht einfach. Aber Olaf Scholz hat es geschafft, und eine komplette Regierung hilft mit.

Odd Andersen/AFP/Getty Images

Regieren ist gar nicht so einfach. Ein Minister überlegt sich was. Es folgen dutzende Abstimmungsrunden zwischen den Ministerien zunächst auf Beamtenebene, dann tagen die Staatssekretäre. Solche Runden sind eine der Hauptbeschäftigung im aufgeblähten Beamtenapparat, und je mehr Beamte, um so mehr Abstimmung. Ehe sich das Kabinett mit dem Thema befasst, gibt es noch eine Vorabstimmung. Die SPD-geführten Ministerien haben noch eine spezielle Abstimmugnsrunde im Finanzministerium, um eine gemeinsame Linie zu finden. Dazu kommen dann noch die Abstimmung mit den Bundesländern; getrennt nach „Farbe“ des Ministerpräsidenten und Landes-Koalition. Viel Bürokratie, auf Kosten der Steuerzahler.

Es hilft aber alles nichts in der Konfusionsregierung

Zwei Meldungen vom selben Tag – und das Drama der derzeitigen Großen Koalition tritt ungeschminkt zu Tage: Bundesfinanzminister Olaf Scholz entdeckt eine riesige Finanzlücke im Bundeshaushalt und fordert Sparprogramme ein. Bis 2023 sollen 24,7 Milliarden in der Kasse fehlen. Die Rücklagen von 35 Milliarden für „Integration“ sind bis dahin auch schon aufgebraucht; für die jährlich weitere Zuwanderung und die erfolglose Integration der bis heute Angekommenen fehlt dann das Geld – oder muss irgendwie aufgetrieben werden.

Als wäre nichts gewesen, verkündet Sozialminister Hubertus Heil seine „Respekt-Rente“; ein wunderhübsches Wort, vermutlich von einer Runde extra bezahlter „Berater“ ausgekugelt, ein Wort, das allerdings teuer werden wird: 5 Milliarden jährlich, so der Minister beschönigend; oder „6,7,8 Milliarden für alle Ewigkeit“ so der Rentenexperte Bernd Raffelhüschen. Man nennt Dauerausgabenprogramme übrigens „nachhaltig“. War da nicht gerade Mütterrente? Die ist auch nachhaltig teuer, den Müttern sei es gegönnt, und daher sind jetzt „die Frauen“ dran. Was gilt nun – sparen oder viel Geld für neue Sozialprogramme? Offensichtlich weiß in der Großen Koalition der eine Minister nicht, was der andere will; und das sogar, wenn beide in der SPD sind, und trotz der vielen Abstimmungsrunden.

Wo viel ist, wird mehr verteilt

Es ist erstaunlicher Unernst und tänzelnde Leichtfertigkeit, wie hier mit dem Geld der Steuerzahler umgegangen wird. Und ganz ohne die neuesten Pläne von Hubertus Heil: Es ist ein Kunststück, wie es soweit kommen konnte.

452 Mil­liarden betrugen 2005 die Steuereinnahmen; in diesem Jahr werden wir um fast 820 Milliarden erleichtert. Die Politiker schwimmen im Geld der Bürger. Wie haben sie es fertig gebracht, diese gewaltigen Mehreinnahmen in eine Finanzlücke zu verwandeln? Von Franz Josef Strauß stammt der Spruch, dass man eher einen Mops zum Bewachen des Wurstvorrats einsetzen solle als einen Politiker an den Haushalt zu lassen. Es ist ein ziemlich großer Mops, der derzeit unseren Wurstvorrat auffrisst. Jetzt rächt sich, dass Union und SPD sich bei sozialen Wohltaten gegenseitig überboten haben. Trotz bester Konjunktur stiegen die Sozialausgaben von 146 Milliarden 2013 auf derzeit über 180 Milliarden. Von den Gesamtausgaben entfallen ca. 51 % auf die Sozialausgaben, fünf Jahre früher waren es „nur“ 47 %. Und das in einem Land, das sich seit Jahren in einer äußerst guten konjunkturellen Phase befindet, dessen Arbeitslosenzahlen seit Jahren zurückgehen und dessen Steuereinnahmen ohne Unterlass sprudeln – und zwar jedes Jahr noch stärker. Das ist eine Leistung.  Ein stolze Leistung, so viel mehr irgendwie wegzuschaffen. Bloß – wohin ist das Geld geflossenem Land der bröckelnden Infrastruktur, der Verkehrsstau, der zusammenbrechenden inneren Sicherheit, der kaputten Schulen und überlasteten Hochschulen und in einem Land, in dem es vielen Rentnern schlecht geht?

Mehr Beamte für Abstimmungsrunden

8.750 neue (Plan)stellen hat Berlin genehmigt, stolz wird auf steigende Zahlen von Polizisten verwiesen. 988,5 Stellen allerdings sind für die Berliner Ministerien vorgesehen. Die Abstimmungsrunden, Sie wissen schon … Die Mitarbeiterzahl allein im Bundeskanzleramt Kanzleramt stieg in den letzten Jahren von 410 auf 750, dafür erhält das Amt einen gewaltigen Anbau in Gestalt einer Trutzburg inklusive Kindergarten für etwa 460 Millionen. „Etwa“ bedeutet, es werden vermutlich 600, oder 700, so genau weiß man das nie, wenn der Bund baut. Wir haben es ja. Oder etwa nicht? Und schließlich zählen Neubauten, auch wenn es sich nur um sinnlose Bürokraten-Ställe handelt, zu Investitionen. Und Investitionen sind gut, oder?  Die wollen wir doch, nicht wahr? Anders als „Sozialausgaben“ klingt das nach Zukunft. Allerdings: Nur 10 Prozent des öffentlichen Haushalts entfallen auf Investitionen. Das ist wenig, und es ist immer noch schöngeschwindelt. Denn hinter diesen „Investitionen“ verbirgt sich häufig auch nur wieder Sozialpolitik (z. B. Baukindergeld und Zuschüsse für „soziale Wohnraumförderung“ oder „soziale Integration im Quartier“) oder ideologischer Politik-Quatsch (z. B. „Schutz des Klimas und der Biodiversiät im Ausland“ oder „Programm für bessere Studienbedingungen und mehr Qualität in der Lehre“). Allein 20% der Investitionsausgaben betreffen zudem das Entwicklungshilfeministerium. Wir bauen also in Mombasa oder so, das sind die Investitionen des deutschen Staates in die Zukunft des Planeten, während in Deutschland die Bahn sichtbar verrottet. Oder die Schulen. Und es geht weiter.

Die Rücklagen von 35 Milliarden für „Integration“ sind in der Finanzlückenrechnung des Finanzministerium bis 2023 schon aufgebraucht; für die jährlich weitere Zuwanderung und die erfolglose Integration der bis heute Angekommenen fehlt dann das Geld – oder muss irgendwie aufgetrieben werden. Denn Integration muss sein, wegen Zukunft und so.

Kohle verbrennen, aber so richtig

Aber nicht nur Hubertus Heil gibt Geld aus, das er nicht hat. Gerade wurde ein Kohleausstieg verabredet, der ist nicht unter 100 Milliarden zu haben. Das sind die ersten Schätzungen; der kritische Bürger kann also gut und gerne mindestens das Doppelte erwarten. Es geht übrigens schon los. Mehr Windstrom statt Kohle und mehr Kohlestrom aus Polen – beides braucht noch mehr Leitungen, und die werden mit 70 bis 76 Milliarden die Stromkunden belasten. Wir steigen ja nur aus der Kohlestromerzeugung aus, nicht aus dem Kohlestrom. Der kommt von weiter her und da fehlen die Leitungen, während die bestehenden falsch liegen. Das nennt man „Zukunftsvorsorge“. Mehr Leitungen braucht das Land. Darauf stehen wir.

Den gigantischen Ausgaben und weiteren Vorhaben steht die offenen und viele heimliche Steuererhöhung gegenüber. Gibt es Steuersenkungen? Entlastung ist das Lügenwort des Jahres. Hinter dem großen Versprechen steckt, dass nach Abzug von Inflation und Progression die verfügbaren Einkommen stagnieren – schöne Entlastung, nach der man nicht mehr hat als vorher. Und es geht weiter: Nicht nur die Grundsteuer wird steigen, auf dass alle Mieter ge­schröpft werden oder eben die Eigentümer, also „die Reichen“. Bundesfinanzminister Olaf Scholz fordert auch schon eine Er­höhung des Spitzensteuersatzes. Ein Anstieg von 42 auf 45 Prozent wäre gerecht, sagt er; unter Kohl habe er bei 56 Prozent gelegen.

Kohl kann sich ja nicht mehr wehren, und deshalb glaubt Scholz, das sich keiner erinnert: Aber mit Soli und Reichensteuer zahlen Gutverdiener knapp 47,5 Prozent. Unter Kohl zahlten nur wirkliche Spitzen­verdiener den höchsten Steuersatz und konnten ihn mit vielen Steuer­sparmodellen drücken. Heute wird daran aufgeknüpft, wer als Lediger mehr als 55.000 Euro versteuert – so war das nicht gedacht. Und: Unter Helmut Kohl zahlten wir 14 Prozent Mehrwertsteuer, später 16 – heute 19. Lieber Herr Scholz, wenn wir zurückkehren zu Helmut Kohl, dann bitte zum kompletten, nicht zu einem von Ihnen beliebig Gefledderten.

Mehr Merkel macht die Bürger ärmer

Hätte sich der Staat in der bisherigen Regierungszeit Angela Merkels damit begnügt, die Steuereinnahmen nur in Höhe des Zuwachses des Durchschnitts-Bruttoeinkommens zu erhöhen oder hätte der Staat das zusätzlich eingenommene Steuergeld an die Bürger zurückgegeben, so hätten die Bürger heute ca. 165-180 Milliarden Euro jährlich mehr im Portemonnaie zur eigenen Verfügung. Das wäre rechnerisch für jeden einzelnen Bürger vom Baby bis zum Greis mehr als 2.000 € pro Jahr. Oder jeweils 40.000 Euro im Jahr für jeden der circa 4 Millionen Hartz IV-Bezieher. Mehr Merkel macht die Bürger ärmer.

Steuern sind eben nicht automatisch Umverteilung zu Lasten Bedürftiger. Sie laden auch zu Verschwendung und Selbstbedienung ein. Merkels Große Koalition jedenfalls hat es geschafft, den Reichtum der Gesellschaft in eine Haushaltslücke zu verwandeln und steigende Steuern zur Grundlage für noch schneller steigende Steuern. Vermutlich nennt man das Regierungskunst.