Tichys Einblick
Verachtet mir die Alten nicht

Ein Nachruf auf die ZDF-Hitparade im Deutschlandfunk

Dank sei dem Autor des Kalenderblatts im Deutschlanfunk, hat er doch mit seinem Nachruf auf die ZDF-Hitparade zum Auftakt der beginnenden neuen Gebührendiskussion einen „echt coolen“ Beitrag geleistet.

Dieter Thomas Heck moderiert am 15. Dezember 1984 die ZDF-Hitparade

imago images / teutopress

Dieser Tage wurde den Hörern des Deutschlandfunks wieder mal so richtig klargemacht, was nicht wenige Mitarbeiter dieser Krone des Staatsfunks von ihnen halten. Jeden Morgen kurz nach Neun läuft das Kalenderblatt: etwa fünf Minuten Erinnerung an ein erinnerungswertes Ereignis. Diesmal hatte man sich den letzten Tag der Ausstrahlung der ZDF-Hitparade vor 20 Jahren vorgenommen:

Wer diese Sendung mit dem legendären Dieter Thomas Heck nicht kannte, musste froh sein, niemals mit so einem Stück Schmierseife in Berührung gekommen zu sein. Eine Mischung trivialer deutscher Schlager, vorgetragen von aus der Retorte gezogenen, fein herausgeputzten und gewaschenen Schwiegersohn-Typen und Sängerinnen. Die alte verspießte Bundesrepublik als pures Marketingprodukt. Der Autor mokierte sich über das häufige Vorkommen des Wortes Liebe in den Songs. Roy Black, Rex Gildo, Gitte und Marianne Rosenberg – alle bekamen sie ihr Fett weg. Banale Sternchen für ein banales Publikum. Was soll man heute auch anfangen mit Titeln wie „Du gehörst zu mir wie mein Name an der Tür“ oder „Rote Lippen soll man küssen, denn zum Küssen sind sie da“ oder – noch viel schlimmer – Heintje mit „Mama“ oder gar Heino mit „Ich hab“ Ehrfurcht vor schneeweißen Haaren, ich hab Ehrfurcht vor der Mutter Gesicht“. Endlich war dann Schluss damit, niemals wieder die Stimme von Dieter Thomas Heck, die, so der Autor, „mit ihrer sonoren Kraft das Ganze mit einem pathetischen Rahmen zusammenhielt.”

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Hat der kluge Kritiker vielleicht mal eine Sekunde daran gedacht, welche Altersgruppe er zu dieser Zeit am Radio damit beglückt? Richtig, überwiegend Menschen im fortgeschrittenen Rentenalter. Was übrigens auch die Anrufer in den nachfolgenden Servicesendungen belegen. Besser kann man seinen Ernährern, den Gebührenzahler-Idioten, gar nicht sagen, wie bodenlos dumm sie sind. Dabei spielt es natürlich keine Rolle, dass die meisten Titel der ZDF-Hitparade Millionen-Hits wurden und Millionen D-Mark in die Kassen auch der Interpreten spülten. Über viele Jahre war die ZDF-Hitparade die meist gesehene Sendung der Mainzer. Übrigens, die höchsten Einschaltquoten wurden im Osten Deutschlands erzielt. Klar doch, die doofen Ossis.

Nun scheinen aber große Teile der deutschen Bevölkerung, in der Regel hart arbeitend und Verantwortung für Familie und Gesellschaft tragend, immer noch auf dem untersten Level stehen geblieben zu sein. Nicht mal die 68er haben es geschafft, diese Idioten zu ändern. Vielleicht schafft es ja jetzt die Genderdebatte oder der Veganerwahn. Doch keine Sorge, Helene Fischer und Andere werden weiterhin Millionen begeistern und Millionen verdienen. Gut so.

Doch Spaß beiseite. Angesichts der großen Einsamkeit in unserem Lande, der vielen alleinerziehenden Frauen, deren Männer mit einem süffisanten Lächeln gesagt haben: „Du meinst, Dein Bauch gehört Dir, dann nimm ihn doch gleich samt Inhalt mit.“ 60 Prozent der deutschen Väter verweigern bekanntlich den Unterhalt. Vielleicht hätte so manch deutscher Schlager diesen Bürschchen gut getan. Das Elend in den Altenheimen, das Reden von der Oma als „alte Umweltsau“ und die Hetze gegen alte weiße Männer bei gleichzeitiger Ahnungslosigkeit der Jüngeren hätte vielleicht bei ein bisschen mehr Marianne Rosenberg und Heino nicht zum Zeitgeist werden müssen.

Wobei ein Blick auch in die jüngste Shell-Jugendstudie wieder zeigt, dass Familie und Kinder unverändert zu den höchsten Werten der jungen Generation gehört. Bestürzend und bezeichnend zugleich ist aber auch das, was die Allensbacher herausgefunden haben. Die niedrigen Geburtenraten indigener deutscher Frauen liegen nicht am fehlenden Kinderwunsch, sondern am mangelnden Vertrauen in das Verantwortungsbewusstsein der Männer.

Doch, wie gesagt, Dank sei dem Autor des Kalenderblatts, hat er doch zum Auftakt der beginnenden neuen Gebührendiskussion einen „echt coolen“ Beitrag geleistet.

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