Tichys Einblick
Red Wednesday

Die woke Opferpyramide – Wie Christenverfolgung wegretuschiert wird

Die woke Ideologie hat das Christentum zur Täterreligion erklärt, die Nichtweiße geknechtet und ausgebeutet hat. Die zivilisatorischen Errungenschaften des Christentums werden ausgeblendet. In dieser Ideologie haben christliche Opfer schlicht keinen Platz.

IMAGO / epd
Christen sind die meistverfolgte religiöse Gruppe weltweit. Eine Tatsache, die den wenigsten Menschen in Westeuropa bewusst ist, und die keinen größeren medialen Aufschrei auslöst. Ob kommunistische Regime, islamische Gesellschaften, Hindu-Extremisten; gewaltbereite ultraorthodoxe Juden in Israel oder auch extremistische Linksradikale in Europa, wie es die jüngsten Berichte der OSZE und des OIDAC Europe (Observatory on Intolerance and Discrimination against Christians in Europe) aufzeigen: Das Christentum ist vielen Ideologien und Weltanschauungen ein Dorn im Auge.

Nun erschöpft sich Hass gegen Christen in unseren Breitengraden zumeist in Vandalismus – und nicht zu vergessen in juristischen Versuchen, christliche Haltungen zu kriminalisieren. Weltweit aber wird der Kampf gegen Christen mit größter Brutalität geführt: Entführungen, Massaker, brutale Hinrichtungen und Lynchmorde, Arbeitslager. Doch die öffentliche Meinung, sonst nicht arm an Solidaritätsbekundungen, schweigt. Dies ist einerseits ein Hinweis darauf, wie entfremdet Christen in Europa ihrer eigenen Religion sind: Wer Christen anderer Länder nicht als Glaubensgeschwister begreift, dem kommt ihr Leid sekundär vor. Nun muss man sich jedoch keinesfalls mit einer Opfergruppe identifizieren, um Empathie für sie zu empfinden, sich zu solidarisieren, oder um sich über Unrecht ihr gegenüber zu empören.

Woher also kommt das mangelnde Mitgefühl, woher die mediale Ignoranz, die dieses wichtige Thema selbst dann unter „ferner liefen“ abhandelt, wenn gegen Christen gerichtete Verbrechen sich direkt vor unserer Haustür abspielen?

Eine Antwort gibt uns die woke „Opferpyramide“: Seit Critical Race Theory, Antirassismus und andere woke Narrative verabsolutierend und simplizistisch auf die gesamte Geschichte der Menschheit angewendet werden, hat sich eingebürgert, das Christentum als „weiße“ und „westliche“ Religion zu framen, und es mit imperialistischen und kolonialistischen Bestrebungen der historischen europäischen Großmächte zu identifizieren. Eine Täterreligion, die dazu gedient habe, edle Wilde und unschuldige Nichtweiße zu knechten und auszubeuten. In dieser Lesart der Geschichte sind die Christen die Bösen, die Täter.

Zivilisatorische Errungenschaften des Christentums werden anderen geistesgeschichtlichen Strömungen zugerechnet, nichtchristliche Kulturen romantisiert, ihre dunklen Seiten wie Menschenopfer, Frauenverachtung, Kindsmord, Sklaverei und Aberglaube – in vielen Erdteilen bis heute virulent – werden konsequent ausgeblendet. Die jahrhundertelange gewaltlose Ausbreitung des Christentums wird ignoriert. Das Framing des Christentums als „weiße“ Religion wird dadurch erleichtert, dass vielen Menschen im globalen Westen einige der ältesten christlichen Kulturen völlig unbekannt ist, etwa die äthiopische, ägyptische oder südindische Christenheit.

In dieser Ideologie haben christliche Opfer schlicht keinen Platz. Weder historisch – immerhin fielen Christen jahrhundertelang osmanischem Sklavenhandel und Massakern zum Opfer, und das teilweise im Herzen Europas – noch aktuell. Das ist besonders absurd, weil es heute vor allem nichtweiße Christen sind, die von Nigeria bis Pakistan, von Nordkorea bis Kuba unter Verfolgung und Entrechtung leiden. Doch woke Ideologie wird farbenblind, sobald die Opfer nicht ins Narrativ passen.

Dass die angeblich doch vom Christentum Unterdrückten ganz freiwillig Christus nicht nur bekennen, sondern für dieses Bekenntnis sogar den Tod erleiden; dass viele von ihnen nicht etwa fliehen, sondern ausharren, passt nicht ins Bild, also wird es wegretuschiert. Dahinter steht kein böser Wille, sondern eine veritable Wahrnehmungsstörung. Ihr übriges tun antichristliche Affekte, die als Überbleibsel aufklärerischer, atheistischer und marxistischer Propaganda fest im allgemeinen Bewusstsein verankert sind. Hier gehen Fake News als Gemeinplätze durch, Wissen um historische Fakten liegt nicht vor. Die eigene Lesart ist bequem und sinnfällig, und man wird so gut wie nie dazu aufgefordert, die eigenen Glaubenssätze zu hinterfragen.

So steht hinter der Ignoranz gegenüber dem Leid von Christen nicht zuletzt ein gewisser Reflex, dieses als ausgleichende Gerechtigkeit – schlechtes Karma – zu betrachten: Haben Christen nicht jahrhundertelang andere verfolgt, haben sie nicht andere unterdrückt, indigene Kulturen zerstört, Bildung zurückgehalten, Frauen ermordet?

Jeder einzelne Punkt solcher als Allgemeinwissen getarnter Propaganda ließe sich entweder vollständig oder doch maßgeblich entkräften. Doch es scheint kein Interesse daran zu bestehen, ein einseitiges und faktenbefreites Geschichtsbild zu korrigieren. So werden Christen weltweit nicht nur zum Opfer ihrer Peiniger, sondern auch Opfer einer noch größeren Ungerechtigkeit: Ihr Leiden wird unsichtbar gemacht, weil nicht sein kann, was nicht sein darf.


Der Artikel erscheint aus Anlass zum heutigen Gedenktag an verfolgte Christen in der Welt (Red Wednesday).


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