Tichys Einblick
Zum diesjährigen March for Science

Wissenschaftsfeindlichkeit von links und rechts

Auch in diesem Jahr wird erneut der March for Science stattfinden. Amerikanische Forscher hatten vor einem Jahr dazu aufgerufen, die Wissenschaft vor politisch motivierten Angriffen zu schützen.

People march in support of scientific research during the 'March for Science' demonstration on April 22, 2017 in Berlin

© Sean Gallup/Getty Images

Auch in diesem Jahr wird erneut der March for Science stattfinden. Amerikanische Forscher hatten vor einem Jahr dazu aufgerufen, die Wissenschaft vor politisch motivierten Angriffen zu schützen. Diese Forderung richtete sich vor allem gegen Donald Trump und die Republikaner. Der US-Präsident bezweifelt den menschengemachten Klimawandel und hatte staatliche Fördermittel für Forschung gekürzt.

Linke sehen sich als Verteidiger der Wissenschaft gegen Angriffe von rechts, die es unbestritten gibt. Beispielsweise halten evangelikale Christen, die zu den republikanischen Stammwählern zählen, an der biblischen Schöpfungslehre fest. Nach ihrem Verständnis wurde die Welt vor 6.000 Jahren an nur 6 Tagen geschaffen. Die Evolution und den Urknall habe es nie gegeben. Die Ursachen für Homosexualität seien nicht biologisch, sondern auf Sünde zurückzuführen. Ebenso bedrohten Schwule durch Geschlechtskrankheiten und Pädophilie die Gesellschaft. Als Schützer des ungeborenen Lebens lehnen Evangelikale vehement die embryonale Stammzellforschung ab, der enormes medizinisches Potential in Bezug auf Organtransplantationen zugesprochen wird.

Aber werden Linke dem Anspruch, die Freiheit der Wissenschaft zu wahren, immer gerecht?

Forschungsergebnisse werden von ihnen nicht anerkannt, wenn sie durch Studien, Experimente oder Berechnungen gestützt werden, sondern nur dann, wenn sie in einer politischen Debatte einen Standortvorteil verschaffen. Erfüllt die Wissenschaft diesen Zweck nicht, wird sie schnell als „rechts“ gebrandmarkt, ohne dass ein inhaltliches Argument überhaupt nötig wäre.

Hysterie um Grenzwerte

Grüne oder Eltern, die auf die Waldorfpädagogik schwören, sind oft besorgt, dass Impfungen Autismus oder Allergien auslösen – tatsächlich löst ihre Haltung eher Masernepidemien aus. Unter Umweltschützern ist etwa die Sorge weitverbreitet, dass genmanipulierte Nahrungsmittel gefährlich sind, auch wenn diese nicht durch Studien gestützt wird. Genfrei soll das Essen sein – dann bliebe aber nur noch Leitungswasser als Option. In der linken Presselandschaft erregten Meldungen über krebserregendes Glyphosat im Bier weite Aufmerksamkeit. Dass man allerdings 1.000 Liter Bier täglich (!) trinken müsste, um eine gesundheitsgefährdende Konzentration aufzunehmen, erfuhren nur die wenigsten Leser.

Deutsche Journalisten stehen meist den Grünen nahe. Dies zeigte sich vor wenigen Wochen, als Meldungen über tausende Tote durch Dieselabgase weitgehend unkritisch wiedergegeben wurden. Dabei besteht kein Konsens über dessen gesundheitsschädigende Wirkung. In ganz Europa unterscheiden sich die Grenzwerte für Feinstaubbelastung zum Teil erheblich, teilweise ist sogar der Adventskranz gefährlicher als ein Auto. Und Studien über tausende vorzeitige Tote durch Dieselabgase, bleiben ohne Aussagekraft, solange der Zeitpunkt des früheren Ablebens nicht genau definiert wird. Wird ein 80jähriger, der durch Feinstaub einen Monat früher stirbt, etwa „aus dem Leben gerissen“?

Vince Ebert hat die Hysterie um Grenzwerte pointiert zusammengefasst.

Biologismus

Biologie wird im linken Lager nur dann anerkannt, wenn sie Tiere beschreibt. Eine Aussage über Menschen wäre ja schließlich biologistisch! Eine Killerphrase, mit der eine Diskussion von vornherein abgewürgt werden soll. Ob Intelligenz genetisch bedingt ist und ob es Unterschiede zwischen Rassen und Geschlechtern gibt, ist eine Debatte, die das linke Lager aus ideologischen Gründen nicht zu führen bereit ist – Gleichheit ist die oberste Maxime.

Denn wenn Intelligenz genetisch bedingt ist, lassen sich die Leistungsunterschiede zwischen Ober- und Unterschicht auch durch das beste Bildungssystem nicht ausgleichen. Die neue Bundesfamilienministerin Franziska Giffey zeigte sich jüngst optimistisch, durch Förderung alle Schüler, auch die aus Problemvierteln, auf ein gemeinsames Niveau heben zu können. Der Wissenschaft zum Trotz.

Ein weiterer unerwünschter Fakt: Männer weisen eine breitere Streuung der IQ-Werte auf. Während sie etwas stärker im höheren und im niedrigen Bereich vertreten sind, befinden sich Frauen eher in der Mitte. Das könnte einerseits die Dominanz von Männern in den DAX-Vorständen erklären, aber eben auch, warum sie häufiger obdachlos bzw. Gefängnisinsassen sind. So oder so: eine Gesellschaft, in der weder soziale Herkunft noch das Geschlecht Auswirkungen auf den beruflichen Erfolg haben, scheint nur schwer möglich, allen linken Utopien zum Trotz.

Man akzeptiert nur, was ins eigene Weltbild passt

Zeigen sich Intelligenzunterschiede zwischen Akademiker- und Arbeiterkindern ist der IQ ein bürgerliches Herrschaftsinstrument, das soziale Schranken zementieren soll. Kommt eine Untersuchung jedoch zum Ergebnis, dass Liberale intelligenter als Konservative oder Atheisten intelligenter als Gläubige sind, ist die Schadenfreude im linken Lager groß. Und wenn eine Studie zeigt, dass Weichmacher im Kinderspielzeug die Intelligenz senken, wird dies für gewöhnlich nicht mit dem Hinweis abgetan, dass der IQ nur ein „soziales Konstrukt“ sei.

Der IQ schneidet bei den maßgeblichen Gütekriterien (Objektivität, Validität, Reliabilität und Reproduzierbarkeit) besser als alle anderen psychologischen Modelle ab. Wer ihn für pseudowissenschaftlich hält, sollte eigentlich jeden anderen Befund der Psychologie erst recht ablehnen.

March for Science on Earth Day
Ein Marsch für die Wissenschaft oder ein Marsch für Lyssenko?
Jegliche Unterschiede zwischen Mann und Frau, die über die Sozialisation hinausgehen, haben im linken Weltbild keinen Platz. Doch dass die Biologie, also Gene und Hormone, die sexuelle Orientierung eines Menschen bestimmen, bestreiten viele Linke für gewöhnlich nicht. Denn evangelikale Christen predigen, dass sich Schwule bewusst für ihren sündhaften Lebensstil entschieden hätten und durch eine Therapie auch wieder zu Heterosexuellen werden könnten. Hier hält die amerikanische Linke – durchaus korrekt – entgegen, Homosexuelle seien mit ihrer Veranlagung geboren worden und können folglich nicht „geheilt“ werden.
Zufallstreffer

Die Erkenntnisse über Erblichkeit von Intelligenz, Geschlechterdifferenzen und die Ursachen der Homosexualität wurden alle durch dieselbe wissenschaftliche Methode (zB. Zwillings- und Adoptionsstudien) gewonnen und sind daher gleichermaßen gut fundiert. Viele Linke entscheiden sich allerdings nur für diejenigen Erkenntnisse, die mit ihrem Weltbild vereinbar sind. Logischerweise kommt es dabei immer auch zu „Zufallstreffern“ – ein linker Homosexuellen-Aktivist könnte aber im Zweifelsfalle kaum begründen, auf welche Weise die Wissenschaft zu ihrer Erkenntnis gekommen ist.

Weit verbreitet ist im linken Lager die These, dass Vergewaltigung ein Herrschaftsinstrument von Männern über Frauen sei, dass es also nur um Macht, nicht um Sex gehe. Abgesehen davon, dass niemals Beweise für diese sinistre Verschwörungstheorie aufgefunden wurden, gibt es weitere begründete Zweifel. Frauen werden meist in ihrem sexuell attraktivsten Alter vergewaltigt – die Machtthese würde aber eine gleichmäßigere Verteilung über alle Altersgruppen hinweg nahelegen. Auch lässt sich zeigen, dass Vergewaltigungen bei vielen Spezies – von Insekten bis hin zu Wirbeltieren – auftreten und damit etwas völlig natürliches sind. Dieser Satz klingt wie eine Provokation. Dennoch: „Natürlich“ ist das, was in der Natur auftritt – ein Werturteil im Sinne von gut oder schlecht ist damit nicht verknüpft.

In einer US-Studie wurden Anhänger und Gegner der Evolutionstheorie über das unterschiedliche Sexualverhalten von Männern und Frauen befragt. Paradoxerweise trafen jedoch die Gegner der Evolutionstheorie die korrekteren Aussagen über die Geschlechtspräferenzen – die sich ja im Laufe der Evolution herausgebildet hatten. Die eher liberalen Anhänger der Evolutionstheorie wollten keine Unterschiede zwischen Mann und Frau erkennen – denn das wäre ja sexistisch!

Jeder ist attraktiv

Jüngst formiert sich im linken Lager die Lookismus-These, die eine Diskriminierung aufgrund des Aussehens ablehnt. Dies ist ein aufrichtiges Unterfangen, das allerdings durch die Forderung, Menschen nicht mehr nach der Schönheit, konterkariert wird. In Wirklichkeit würden Menschen nicht hübsch oder hässlich, sondern nur verschieden aussehen. Wilkürlich seien bestimmte Menschen als schön definiert worden. Dies diene angeblich dem Kapitalismus, da sich so Märkte für Kosmetik oder plastische Chirugie auftäten, oder dem Patriarchat, da Frauen so viel Zeit auf den Konkurrenzkampf um das beste Aussehen aufwendeten, dass sie die männliche Vorherrschaft nicht hinterfragten.

Allerdings ist unser Schönheitsempfinden ein biologischer Instinkt. Auf der ganzen Welt gelten die gleichen Gesichtszüge als attraktiv. Auch bislang unkontaktierte Naturvölker im Amazonasgebiet, die nie zuvor Europäer, Afrikaner und Asiaten gesehen haben, beurteilen Europäer, Afrikaner und Asiaten als hübsch, die auch von Europäern, Afrikanern und Asiaten selbst als hübsch beurteilt wurden. Auch Neugeborene, die noch nicht kulturell „befleckt“ sind, reagieren unterschiedlich auf hübsche und hässliche Gesichter.

Die Gender Studies haben das erklärte Ziel, Geschlechterrollen aufzubrechen. Wohl deshalb zelebrieren sie Transsexualität, denn sie gilt als der Beweis, dass biologisches und gefühltes Geschlecht voneinander unabhängig sind. Tatsächlich aber entscheiden sich Transsexuelle nicht nach Lust und Laune dazu, ihr Geschlecht zu wechseln. Wäre dies so, würden sie diesen Schritt zu einem beliebigen Punkt im Leben vollziehen – laut Studien empfinden sich Transexuelle aber meist schon in der Kindheit als „anders“. Die tiefere Ursache der Transsexualität liegt vermutlich in hormonellen Ungleichgewichten während der Embryonalentwicklung – sie ist also keine Entscheidung, sondern angeboren. Mann-zu-Frau-Transsexuelle haben meist ein Gehirn mit typisch weiblichen Charakteristika und vice versa. Zahnärzte können zudem zuverlässig beurteilen, ob ein Gebiss zu einem Mann oder einer Frau gehört (dieser Befund wird beispielsweise in der Gerichtsmedizin angewandt.) Studien zeigen: Transsexuelle haben oft Zähne, deren Charakteristika zwischen denen von Mann und Frau liegen.

Dass Verwandtenehen unter Türken und Kurden zu Erbkrankheiten führen, gilt als „rassistische Hetze“, obwohl eine ehrliche Debatte medizinisch sinnvoll wäre. Der Verweis darauf, dass Inzest unter den frommen Amish People (und Mormonen) in den USA dieselben Folgen hat, wird sofort geglaubt: Denn diese sind 1. Deutsche und 2. Christen. Mancher Linke ist sich auch nicht zu schade, adlige Politiker, wie z.B. Karl-Theodor zu Guttenberg, als Inzestprodukt zu beschimpfen.

„Jüdische Gene“

Die Debatte über „jüdische Gene“ konnte in Deutschland nicht geführt werden, zu hysterisch waren die Reaktionen. Jede Behauptung in diese Richtung sei eine Wiederbelebung der NS-Rassenlehre. Tatsächlich gehen die Untersuchungen des jüdischen Erbguts auf jüdische Wissenschaftler selbst zurück. Unter anderem treten bestimmte Erbkrankheiten unter Juden gehäuft auf und können durch die Erkenntnisse der Forschung besser behandelt werden. Dass bestimmte Gene bei ihnen verbreiter sind, ist wenig überraschend. Juden heirateten über die Jahrhunderte hinweg hauptsächlich untereinander und da sie eine diskriminierte Minderheit waren, wollten nur wenige Christen oder Muslime zum Judentum konvertieren. Nicht zuletzt definiert sich das Judentum selbst über das Abstammungsprinzip und weniger über ein Glaubensbekenntnis. Antisemitisch sind derartige Thesen nicht, das Gegenteil ist der Fall. Jüdische Antisemiten wie Shlomo Sand versuchen die Legitimität Israels zu untergraben, indem sie behaupten, dass die meisten heutigen Juden vom mittelalterlichen Volk der Chasaren abstammten, der jüdische Staat daher in der Kaukasusregion liegen müsse. Eben diese These wurde durch genetische Studien widerlegt.

In den vergangenen Jahren lassen sich mit immer größerer Präzision genetische Unterschiede zwischen den Menschenrassen ausmachen. Bestimmte Erbkrankheiten kommen bei Europäern, Afrikaner und Asiaten mit unterschiedlicher Häufigkeit vor. Und wenn sich Menschen angeblich nur in ihrer Hautfarbe unterscheiden, müsste afrikanische Albinos doch genau wie Weiße aussehen. Oder etwa nicht? Ein Gerichtsmediziner kann erkennen, ob ein Skelett einmal ein Europäer, Afrikaner oder Asiate war. Manche Wissenschaftler vermuten, dass bestimmte Knochenproportionen besonders hilfreich für das schnelle Laufen sind – immerhin sind von den 125 Sprintern, die die 100m in unter 10 Sekunden absolviert haben, 120 afrikanisch. Gesicherte Erkenntnisse über Rassenunterschiede bezüglich der Intelligenz oder des Aggressionspotentials gibt es nicht – die jüngsten Forschungsergebnisse liefern also keinerlei Legitimation für Rassismus.

Eine Unterdisziplin der Psychologie befasst sich mit „stereotype accuracy, also der Frage, ob Vorurteile gegenüber bestimmten Gruppen auch eine reale Entsprechung haben. So kam eine Studie des Linguisten Emil Kirkegaard 2016 zu der Erkenntnis, dass die Einschätzung der Dänen, welche Einwanderergruppe mit welcher Häufigkeit Sozialhilfe bezieht, relativ genau die tatsächlichen Verhältnisse abbildet. In den USA haben Studien gezeigt, dass Annahmen über kriminelle Afroamerikaner oder gebildete Asiaten ihre Entsprechung in den jeweiligen Statistiken finden. Im Antirassismusdiskurs wird jedoch stets verneint, dass ein Vorgehen gegen Stereotype erst dann Erfolg zeigen kann, wenn die zugrundelegenden Probleme (wie z.B. Kriminalität) verschwinden. Eine Ungleichheit wie die zwischen Asiaten und Afroamerikanern gilt Geisteswissenschaftlern oft als Diskriminierung – ohne die entsprechenden mathematischen und statistischen Kenntnisse kommt es aber schnell zu diesem Fehlschluss.

Naturwissenschaftler hinterfragen mehr

Ein geringeres Niveau ist den Geisteswissenschaften inhärent. So sind sie laut Studien weniger intelligent als Naturwissenschaftler. Man mag einwenden, dass dies nur daran liegt, dass der IQ-Test die mathematischen Fähigkeiten, die ein Geisteswissenschaftler meist nicht benötigt, am zuverlässigsten erfasst und daher eine Schräglage existiert. Aber selbst wenn man nur die verbale Intelligenz erfasst, liegen Naturwissenschaftler meist noch vor Geisteswissenschaftlern.

Während ein Geisteswissenschaftler oft zufrieden seine Arbeit abschließt, sobald er genug Argumente für die eigene Position gefunden hat, fängt ein Naturwissenschaftler erst richtig an. Er wird versuchen, möglichst viele Argumente gegen seine These zu finden, bevor er sich seiner Sache sicher ist. Macht ein Historiker einen kleinen Fehler, berührt dies meist seine Kernthese nicht. Ist jedoch ein Physiker unachtsam, landet eine Sonde nicht sanft auf der Marsoberfläche, sondern zerschellt auf ihr. In den verschiedenen Disziplinen haben sich daher unterschiedliche Fehlerkulturen herausgebildet.

Ein Geisteswissenschaftler trifft zumeist spezielle Aussagen, die also jeweils für eine Person, ein Jahr, ein Land etc. zutreffend sind, während der Naturwissenschaftler allgemeine Aussagen trifft, die auch Vorhersagen bezüglich der Zukunft ermöglichen – zum Beispiel den Zeitpunkt der nächsten Sonnenfinsternis. Naturwissenschaftler sind daher stetig bemüht, ihre eigene Erkenntnis immer wieder aufs neue zu hinterfragen und mit dem aktuellen Forschungsstand abzugleichen, wo Geisteswissenschaftler eine „Wahrheit“ nach der anderen produzieren.

Der Wunsch nach Objektivität steht dabei oft genug an hinterster Stelle. So wurde der Einwand, die Post-Colonial Studies könnten unmöglich objektiv sein, da mehrere seiner Vertreter gegen die europäische Kolonialherrschaft kämpfen (teils nicht nur ideologisch, sondern auch durch Mitgliedschaft in den entsprechenden Befreiungsbewegungen), durch den Hinweis zu entkräften versucht, dass Wissenschaft ohnehin nicht objektiv sein könne. Weil sich das hehre Ziel also ohnehin nicht erreichen lässt, muss man es nicht einmal mehr versuchen.


Lukas Mihr