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Wer mit wem unter einer Decke?

Wirecard-Skandal: Offenbar war Merkel über Versteck von Marsalek informiert

Vor dem tiefen Fall wurde der deutsche Milliardenkonzern vor allem von der Bundesregierung hochgepriesen, Merkel warb sogar in China für Wirecard. Doch allzu offene Worte von Marsalek wären im Wahlkampf zum Bundestag im vergangenen Jahr schlecht angekommen. Also wurde er nicht befragt.

IMAGO/Future Image, Sven Simon

Seit Anfang des vergangenen Jahres wussten deutsche Behörden, wo sich der größte Betrüger der deutschen Wirtschaftsgeschichte aufhielt. Ihnen wurde sogar eine Befragung angeboten – doch sie reagierten nicht einmal darauf. Jetzt stellt sich heraus, dass Merkel von dem Aufenthaltsort wusste. Doch sie tat nichts.

Er soll der größte Betrüger der deutschen Wirtschaftsgeschichte sein. Etwa 3,1 Milliarden € beträgt der Schaden, den er angerichtet hat. Er steht bei Bundeskriminalamt und Europol auf der Liste der »Most Wanted«- Personen. Er – das ist Jan Marsalek, ehemals Vorstand von Wirecard, jenem Abrechnungsunternehmen für Kreditkarten.

Der Bundesnachrichtendienst BND wusste nach Recherchen der Bild-Zeitung von einem Versteck Marsaleks in Moskau. Dort soll er in einer besonders gesicherten Umgebung etwa 25 km vom Kreml gewohnt haben. Die genaue Adresse sei Bild bekannt, schreibt das Blatt. Möglicherweise soll Marsalek dort noch bis heute leben und unter dem Schutz von Putins Geheimdienst FSB stehen. Das Pikante: Der BND war der früheren Bundeskanzlerin Merkel unterstellt.

Begonnen hatte Marsaleks Flucht am 19. Juni 2020 um 20.03 Uhr mit einer Cessna, gestartet vom Flugplatz Vöslau bei Wien. Ankunft um 22.07 Uhr in Minsk (Belarus). Dort stand nach Aussage des Co-Piloten ein Bus bereit, der Marsalek abholte. Hier verlor sich die Spur.

Wie Bild weiter berichtet, bot der FSB dem Bundesnachrichtendienst ein Treffen und eine Befragung Marsaleks an. Diese Information sei bestätigt. Die Moskauer Dependance des Bundesnachrichtendienstes fragte bei der Zentrale in Berlin an, ob das Treffen stattfinden solle. Doch aus der neuen Zentrale in Berlin kam keine Antwort. Wie Bild weiter ausführt, wurde die zuständige Abteilung 7 »Koordinierung der Nachrichtendienste« informiert.

Auch wurden die bayerischen Behörden, die gegen Wirecard ermittelten, nicht über die Möglichkeit einer Vernehmung Marsaleks informiert.

Vor dem Untersuchungsausschuss sagten sowohl Alt-Kanzlerin Merkel als auch Scholz aus, oder besser: nichts aus. Die Erinnerungslücken von Scholz sind inzwischen legendär. Er als damaliger Bundesfinanzminister wusste – so die Ansicht vieler – mit ziemlicher Sicherheit von diesen Informationen. Immerhin ist die Finanzaufsicht Bafin dem Finanzministerium unterstellt.

Vor dem tiefen Fall wurde der deutsche Milliardenkonzern vor allem von der Bundesregierung hochgepriesen, Merkel warb sogar in China für Wirecard. Doch allzu offene Worte von Marsalek wären im Wahlkampf zum Bundestag im vergangenen Jahr schlecht angekommen. Und die Frage stellt sich: Wer muss noch Angst vor einer Aussage Marsaleks haben? Wovor muss sich Kanzler Scholz fürchten?

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