Tichys Einblick

Vorbild Österreich

Nein zum Migrationspakt, stattdessen sichere Außengrenzen und bürgernahe Reformen. Die türkis-blaue Regierung Kurz & Strache im Nachbarland strahlt hell im Vergleich zum GroKo-Murks.

Ludovic Marin/AFP/Getty Images

Das kleine Österreich macht große Schlagzeilen. Weltweit beachtet wurde die Nachricht, dass die türkis-blaue Regierung beschlossen hat, dem UN-Migrationspakt nicht beizutreten. Schnappatmung bei vielen Leitmedien: Wie können die nur?! Österreich stellt sich in eine Reihe mit den USA, die sich nicht von einem dubiosen UN-Papier vorschreiben lassen wollen, wie sie ihre Immigrationspolitik machen, sowie auch Australien und Ungarn, die ebenfalls das UN-Papier ablehnen, weil es auf „mehr Migration“ hinausläuft – versteckt hinter vielen wolkigen und teils orwellianischen Formulierungen.

Die Regierung des smarten Wiener Kanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) und des Vizekanzlers Heinz-Christian Strache (FPÖ) weiß, dass sie in der breiten Masse der Österreicher viel Zustimmung bekommen für die Ablehnung des UN-Migrationspakts, auch wenn linksliberale Zeitungsjournalisten vom „Standard“ oder „Falter“ nun wie Rumpelstilzchen wüten. Es ist ein offenes Geheimnis, dass besonders die FPÖ Kurz zum Nein zum UN-Migrationspakt drängte. Nun erwägen weitere mittelosteuropäische Regierungschefs, etwa in Tschechien und Kroatien, ebenfalls einen Ausstieg.

Österreich – das gegenwärtig die EU-Ratspräsidentschaft führt – hat (wieder einmal) ein wichtiges Signal gegeben. Wie schon vor drei Jahren, als Sebastian Kurz nach Merkels Grenzöffnung im Herbst 2015 die Gegenbewegung anführte. Es war Kurz, der damals, als Außenminister, de facto die Schließung der Balkanroute organisierte, über die Hunderttausende Migranten unkontrolliert nach Mitteleuropa strömten. Die Osteuropäer wollten sich nicht von der deutschen Willkommens-Kanzlerin angelockte Migranten per Quotenverteilung aufzwingen lassen. Merkel spaltete Europa durch ihre Offene-Grenzen-Politik; Kurz hingegen zog die Notbremse und vermittelt als Brückenbauer zwischen Ost- und Westeuropa. Ein besserer EU-Außengrenzschutz sowie eine Begrenzung der Migration stehen hoch auf der Agenda von Kurz und Strache.

Sogar jenseits des Atlantiks wird Österreichs Rolle beachtet. Mitte Oktober (zum ersten Jahrestag der Nationalratswahl im Oktober 2017) hob das bekannte amerikanische Magazin „Newsweek“ ein Kurz-Porträt mit seiner geschleckten Frisur aufs Titelbild. „Austria Rising“ donnerte die Schlagzeile. Natürlich palaverte die Newsweek-Autorin auch viel über die „dunklen Schatten der Vergangenheit“ (gemeint war nicht nur die FPÖ). Aber unterm Strich blieb Bewunderung und Anerkennung für den erst 32jährigen Kanzler Kurz, unter dessen Regierung das Land aufblüht.

Während die deutsche GroKo ein „inakzeptables Bild“ (Kanzlerin Merkel) abgibt, sich in Streit und Orientierungslosigkeit verliert, hat die schwarz-blaue Regierung in Wien einen klaren Kompass, wo sie hinwill. Sie arbeitet konstruktiv und harmonisch, die Opposition zerlegt sich selbst und wirkt gelähmt (der SPÖ-Chef verließ die Politik, den linksliberalen Neos ist der Vorsitzende abgesprungen, die Liste Pilz hadert mit Missbrauchsskandalen, die Grünen sind gar nicht mehr im Nationalrat).

Freie Fahrt also für Türkis-Blau. Einige wichtige Reformen hat die ÖVP-FPÖ-Regierung schon durchgesetzt. Einmal eine Steuerentlastung von Familien, dann eine Entlastung der Wirtschaft von zu viel Regulierung (etwa zu inflexible Arbeitszeitvorschriften) sowie Einschnitte bei der Verbändemacht von Gewerkschaften und Wirtschaftskammern. Erstmals nach 60 Jahren Schuldenmachen hat es Österreich in diesem Jahr hingekriegt, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Die Wirtschaft brummt, es herrscht praktisch Vollbeschäftigung.

Zugleich setzt die Regierung wichtige Akzente bei einem strengeren Asylrecht, konsequenteren Abschiebungen von abgelehnten Asylanten und einer Einschränkung von Sozialleistungen, die als Magnet für Zuwanderung wirken.

Kurz hat Fans in Deutschland und international. Mit dem Premier der Niederlande, Mark Rutte, nahm er im Foyer des Neujahrskonzerts Platz, US-Botschafter Grenell nannte ihn einen „politischen Rockstar“. Auch in den Reihen der CDU/CSU gibt es viele, die seine Nähe suchten, etwa Bayerns Ministerpräsident Söder, Gesundheitsminister Spahn (besuchte ihn auf dem Wiener Opernball) und Thüringens CDU-Chef Mike Mohring (lud ihn nach Erfurt ein). Nebenbemerkung: Von Merz ist nichts dergleichen bekannt, der hält lieber politisch korrekten Abstand. Europas Sozialisten und Sozialdemokraten mosern zwar viel, aber ihre Kritik an der Regierung Kurz dringt kaum durch. Kurz antwortete im Interview, auf die FPÖ werde er in Brüssel nicht angesprochen.

Was für ein Kontrast gegenüber dem Jahr 2000: Damals bildete die ÖVP, geführt von Wolfgang Schüssel, und die FPÖ (Parteichef war Haider!) erstmals eine Koalition. Ein Orkan von Protesten erhob sich. Die SPÖ mobilisierte die Sozialistische Internationale, und die organisierte sogar einen EU-Boykott gegen Österreich und alle österreichischen Bewerber für EU-Posten (eine klar rechtswidrige Diskriminierung). Nach ein paar Monaten wurde diese peinliche Boykottfarce allerdings beendet. Die erste ÖVP-FPÖ-Regierung brachte einige wichtige Reformen auf den Weg, zerfiel dann aber; teils kamen nachträglich unrühmliche Korruptionsfälle ans Licht (der parteilose Finanzminister Grasser und andere mussten sich vor Gericht verantworten). Haider irrlichterte ins parteipolitische Aus und kam vor zehn Jahren bei einem Autounfall ums Leben.

Unter Strache hingegen hat die FPÖ zu sich gefunden. Der 49-jährige eloquente Freiheitliche hat viel dazu gelernt. Er führt die Partei mit ruhiger, aber fester Hand und vermeidet verbale Ausfälle. Und er unterbindet alles in seiner Partei, was zu sehr nach rechts irrlichtert. Antisemitische Ausfälle werden mit Parteiausschlüssen geahndet. Vom Läuterungsgrad der FPÖ ist die deutsche AfD weit entfernt.

Sebastian Kurz bezieht wo nötig öffentlich klar Stellung. Aber das meiste klären er und Strache unter sich. Ein Stil in Wien, der in Berlin niemandem zu liegen scheint.


Robert Mühlbauer ist Publizist und schreibt über politische und wirtschaftliche Themen.