Tichys Einblick
Rüstungsbericht

Lambrecht will keinen Bericht mehr zur materiellen Einsatzfähigkeit der Bundeswehr

Der neue Rüstungsbericht offenbart die unbefriedigende Lage bei der Beschaffung neuer Waffensysteme. "Später" und "teurer" ist der Tenor. Den Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft der Bundeswehr will die Bundesregierung abschaffen. Der hatte in vergangenen Jahren meist ein desolates Bild gezeichnet.

© IMAGO/Metodi Popow

Am 29. Juni 2022 hat das Verteidigungsministerium den „15. Rüstungsbericht“ vorgelegt. Alles recht und schön. Aber wirklich interessant waren diese Rüstungsberichte bis zuletzt nur dann, wenn es zugleich auch einen „Bericht zur materiellen Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme der Bundeswehr“ gab. Letzteren Bericht soll es ab sofort nicht mehr geben. Entgegen bisheriger halbjährlicher Praxis nicht einmal für das Parlament! Intern heißt es im Bendler-Block, dem Dienstsitz der Verteidigungsministerin in Berlin, zukünftig solle es nur „Wasserstandsmeldungen“ geben. Selbst der Verteidigungsausschuss soll nicht mehr Informationen erhalten. Mal schauen, wie lange die „Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt“ (IBuK), Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD), das durchhält.

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Wirklich spannend und valide sind eigentlich die Berichte über die aktuelle, materielle Einsatzfähigkeit der Hauptwaffensysteme. TE hat darüber zuletzt am 26. April 2022 im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg berichtet. So hatte es im letzten Bericht über die materielle Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme unter anderem geheißen: „Unsere Zielgröße von 70% durchschnittlicher materieller Einsatzbereitschaft übertrafen hierbei 38 Hauptwaffensysteme, 11 lagen unter 50% (davon 6 Altsysteme). Die durchschnittliche materielle Einsatzbereitschaft von Kampffahrzeugen lag bei 71%, für Kampfeinheiten der Marine bei 72%, für die Kampf- und Transportflugzeuge bei 65%, für alle Unterstützungsfahrzeuge (Logistik, Sanität und CIR) bei 82% und bei den Hubschraubern weiterhin bei 40%.“ Noch einmal: 11 Waffensysteme lagen unter 50 Prozent Einsatzbereitschaft! All dies wird sich nicht geändert haben. Aber man soll es offenbar nicht mehr erfahren.

Widmen wir uns also dem, was wir haben: dem „15. Rüstungsbericht.“ Er ist im Schatten des G7-Gipfels und des Nato-Gipfels von Madrid medial untergegangen. Was finden wir auf den 121 Seiten? Unsystematisch seien hier ein paar wenige, markante Punkte – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – herausgegriffen.

1. Viele Rüstungsprojekte verteuern oder verspäten sich, ohne dass es dafür wenige Monate zuvor Anzeichen gegeben hätte. Beispiel: das Dreier-Großpaket aus U-Boot 212 CD (Auslieferung ab Mai 2025), mittelschwerem Transporthubschrauber NH90 MRFH (MRFH = Mehrrollenfähiger Fregattenhubschrauber; Auslieferung ab 2025) und Aufklärungssystem PEGASUS, das ab 2026 einsatzfähig sein soll (PEGASUS = Persistant German Airborne Surveillance Systems). Für dieses Dreierpaket war man noch im Jahr 2021 von 57,368 Milliarden ausgegangen, jetzt rechnet man mit 77,314 Milliarden.

2. Für den KH Tiger (KH = Kampfhubschrauber) wird nicht angegeben, bis wann es besser werden soll. Wörtlich heißt es: „mittel- bis langfristig“. Die 33 zusätzlichen ASGARD-Hubschrauber (ASGARD = Afghanistan Stabilization German Army Rapid Deployment) sollen bis 2026 ausgeliefert werden. Wörtlich heißt es dazu: „Eine abschließende Entscheidung zu Umrüstmaßnahmen oder alternativ höheren Nutzwert generierenden Möglichkeiten zur Forderungs- und Fähigkeitserfüllung wird frühestens Mitte 2022 getroffen werden können.“

3. Transportflugzeug A400M: Die für 2024 geplante taktische Einsatzfähigkeit verschiebt sich auf einen Termin „ab ca. 2025“.

4. Eurodrohne: Geplant war eine Nutzung ab 2029. Im Moment plant die Bundeswehr mit Auslieferung im „April 2030“.

5. MGCS/FCAS: Hier geht es um den neuen Kampfpanzer MGCS (Main Ground Combat System) und das geplante Kampfflugzeug FCAS (Future Combat Air System). Der Rüstungsbericht sagt dazu: „Die Unstimmigkeiten zwischen den Industrien – hier insbesondere zwischen Dassault Aviation und Airbus – führen zu einer Verzögerung des Starts der nächsten Phase (Technologiematurierung). Sollte auch weiterhin keine Einigung gefunden werden, die die Interessen aller drei Nationen nach einer Beteiligung auf Augenhöhe erfüllt, ist die Fortsetzung der Kooperation zu hinterfragen.“

Auf TE war davon am 28. Juni 2022 berichtet worden. Auch, dass sich die Einsatzfähigkeit des FCAS-Fliegers von 2040 auf 2050 verschieben könnte.

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Alles in allem: Es steht viel in den Sternen. Und trotz all der Planungs- und Finanzierungsprobleme konnten im Jahr 2021 rund 10 Prozent der geplanten Rüstungsausgaben nicht abfließen. Von den geplanten 10,3 Mrd. Euro wurden nur 9,3 Mrd. Euro ausgegeben. Lieferengpässe allein können es nicht gewesen sein.

Das muss schon auch mit der Spitze des Verteidigungsministeriums zu tun haben. Dass der „richtlinienkompetente“ Kanzler Scholz hier klärend und beschleunigend eingreift, wagt mittlerweile niemand mehr zu erwarten. Ihm scheint die Bundeswehr trotz vollmundiger „Zeitenwende“-Reden so schnurzegal wie seiner Vorgängerin Merkel zu sein. Sonst hätte er sie nicht einer Christine Lambrecht als Ministerin verpasst. So wie Merkel eine Ursula von der Leyen dorthin bugsierte.