Tichys Einblick
Watschn aus München

Verkehrspolitik: Den Autofeinden keinen Asphaltzentimeter

Eine Umfrage aus der bayerischen Landeshauptstadt zeigt: 72 Prozent der Befragten halten das Automobil für „sehr wichtig“. Das ist ein deutlicher Fingerzeig für die grünbewegte Verkehrspolitik, die seit Jahren alles tut, um es den Autofahrern schwer zu machen.

In Haidhausen staut es sich auf der Rosenheimer Straße. Zugunsten eines Radwegs musste eine Fahrspur verschwinden.

IMAGO / STL

Das haben sich die Initiatoren mit Sicherheit anders vorgestellt: die Münchener wollen nicht auf den motorisierten Individualverkehr verzichten. Die Antwort, die im Zusammenhang mit der „Mobilitätsstrategie 2035“ ans Licht kam, ist deutlich. 72 Prozent halten das Auto für „sehr wichtig“, 3 Prozent für wichtig. Nur 17 Prozent nennen es „unwichtig“, 8 Prozent „weniger wichtig“.

Eigentlich steht die „Mobilitätsstrategie 2035“ für jene autofeindlichen Verkehrspolitik, die seit Jahren deutsche Kommunen prägt. Der Münchener Stadtrat hatte das Projekt im Sommer 2021 auf den Weg gebracht. Als „Leitindikator“ legte das Konzept die „Flächeneffizienz“ fest, heißt: ÖPNV und Radverkehr haben vor dem Auto Priorität.

Die autofeindliche Mobilitätsstrategie findet kaum Anhänger

Das verwundert nicht: in guter Münchener Tradition regiert mit Oberbürgermeister Dieter Reiter ein Sozialdemokrat, ist aber vom grünen Koalitionspartner abhängig. Die Grünen waren 2020 aus den Stadtratswahlen als stärkste Partei hervorgegangen – mit 29 Prozent der abgegebenen Stimmen.

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Hier ein Mosaikstein des Papiers, um sich ein Bild über die anberaumte Zukunft der bayerischen Landeshauptstadt zu machen: es sieht vor, dass „bis zum Jahr 2025 mindestens 80 Prozent des Verkehrs im Münchner Stadtgebiet durch abgasfreie Kraftfahrzeuge, den öffentlichen Personennahverkehr, sowie Fuß- und Radverkehr zurückgelegt werden“. Weitere Ziele? Klimaneutralität bis 2035, keine Verkehrstoten, Anteil des ÖPNV bis 2025 auf 30 Prozent.

Zusammengefasst: München hat die Maximalforderungen übernommen, die Autohasser-Vereine wie der Verkehrsclub Deutschland (VCD) täglich in die Welt posaunen. Offenbar wollte München in seiner ewigen Konkurrenz mit Berlin auch die schlimmsten Fehler der Hauptstadt nachahmen. Doch jetzt hat diese grüne Vision einen heftigen Schlag in die Magengrube kassiert.

Das Thema Radverkehr fanden 52 Prozent „unwichtig“

Vom 21. März bis 11. April ließ der Stadtrat über die 19 Teilstrategien abstimmen. Die Rückmeldungen sind verheerend. Sie zeichnen das Bild einer Bevölkerung, die insgesamt wenig von den Entwürfen hält. Zwar ist den Münchenern das Thema Verkehrssicherheit sehr wichtig (33 Prozent) bzw. wichtig (41 Prozent). Dagegen waren bei „Shared Mobility“ insgesamt 71 Prozent der Befragten davon überzeugt, es handele sich um ein weniger wichtiges oder unwichtiges Thema. Den Bereich „Klima“ bzw. Elektromobilität sahen insgesamt 65 Prozent der Befragten als nicht wichtig an.

Das Thema Radverkehr fanden sogar 52 Prozent „unwichtig“, 13 Prozent „weniger wichtig“ – nur 26 Prozent sagten, es sei „sehr wichtig“. Damit schnitt die Liebe zum Rad noch hinter dem Fußgang ab – denn immerhin 51 Prozent fanden den wichtig oder sogar sehr wichtig. Das sind Erfahrungen, die sich im Alltag bestätigen. Autofahrer und Fußgänger erleben den Radfahrer als größten Konkurrenten, wenn nicht als Ärgernis. Wo der Kampfradler fährt, ist der Flaneur in Gefahr.

Welche Schlüsse die Kommunalverwaltung aus diesen Ergebnissen zieht, bleibt offen. In Analogie zu Nancy Faeser und Anne Spiegel könnten für das schlechte Abschneiden die CSU, „Rechte“ oder renitente Klimaleugner verantwortlich gemacht werden. Fakt ist jedoch, dass der erlebte Verkehrsalltag und dessen Bedürfnisse mit den Zukunftsvorstellungen der linken Politik über Kreuz liegen. Das ist auch deswegen interessant, weil die Wahlergebnisse und die bekundeten Verkehrsbedürfnisse auseinandergehen. Versteht der Wähler, wem er seine Stimme gibt?

Dem Autofahrer soll sein Verhalten mürbe gemacht werden – das ist kein Nudging mehr, sondern Nötigung

Die Hoffnung besteht, dass München, das bereits die ersten Verkehrshindernisse aufgebaut hat, die Entwicklung zum Berliner Zwilling aufhalten könnte. Überall dort, wo die Grünen am Ruder sind, verschwinden hunderte Parkplätze über Nacht. Die Parkgebühren explodieren. In Corona-Zeiten verwandelte sich manche Fahrspur kurzerhand in einen Radweg oder eine Busfahrspur – und provozierte damit Staus in der sowieso schon chaotischen Stadt. Die Kommunen schaffen Fakten, ohne Ausweichmöglichkeiten zu bieten. Dem Autofahrer soll sein Verhalten mürbe gemacht werden. Das ist kein Nudging mehr, sondern Nötigung.

Die Hauptstadt bleibt dabei das abschreckendste Beispiel. Dort wird der Autofahrer von der Verkehrspolitik als regelrechtes „Alien“ behandelt. Wer etwa die Berliner Verkehrsbetriebe lobt, tut das als Tourist, aber niemand, der tagtäglich pünktlich zur Arbeit kommen will, kann sich auf die Berliner Klassenlotterie einlassen. Es gibt für viele Menschen schlicht keine Alternative. Der Staat drängt den Bürger in Probleme, die es ohne ihn nicht gäbe – und will auch noch gelobt werden für Abzocke und Staufrust.

In der Tat: Deutschland besitzt lebenswerte Städte mit Altstadtgassen und mittelalterlichen oder frühneuzeitlichen Straßenzügen, die als Fußgängerpassagen, ergänzt um Straßenbahnen oder Radwege, funktionieren. Doch es gibt genügend Städte, die mit ihren Boulevards, Alleen und mehrspurigen Trassen für Kutschen, Militärparaden – und damit Autos entworfen wurden. Es ist sinnlos, einer Straßenschlucht wie der Berliner Friedrichsstraße mit ihren turmhohen Bauten niederländische Gemütlichkeit oder mediterranes Flair aufdrücken zu wollen.

Paradebeispiel missratener Verkehrspolitik: Die Berliner Friedrichsstraße

Was man bekommt, ist eine Radpiste, auf der die Ökobewegten triathlonschnell rasen können, sich aber niemand mehr für die Geschäfte interessiert. Es gibt dort schlicht nichts, das zum Verweilen einlädt. Autofahrer sind zielgerichtet in die vorhandenen Parkhäuser gefahren, um im Viertel einzukaufen. Diese Kundschaft hat man nicht nur mutwillig vergrault, nein, man hat sie gezielt ausgesperrt. Der Autofahrer soll zum Stadtbesucher dritter Klasse degradiert werden.

Die Friedrichsstraße zeigt den Niedergang einer ganzen Kette von Geschäften und Einkaufspassagen. Die Verwahrlosung des Berliner LaFayettes ist ein himmelschreiendes Verbrechen an der sowieso mittelmäßigen Delikatessenkultur einer von Buletten-im-Bier gezeichneten Sumpfstadt. Man kann eine Innenstadt nicht umbauen, indem man die autofreundliche Stadt von gestern zur autofeindlichen Stadt von morgen ausbaut. Es ist die schlichte Ausbeutung des Bürgers, die Bestrafung durch den Staat, wenn er selbstbestimmt in der Stadt unterwegs ist. Das Votum der Münchener macht es daher deutlich: keinen Asphaltzentimeter den Autofeinden. Es muss ein deutschlandweites Zeichen werden.

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