Tichys Einblick
Unwort des Jahres 2022: "Klimaterroristen"

„Kriminalisierung“ der Klimaschützer: nicht durch ein Unwort, sondern durch eigene Taten

Die Jury der Aktion „Unwort des Jahres 2022“ zeigt erneut, wie berechtigt die Kritik an ihrer politischen Einseitigkeit ist: Mit dem Begriff „Klimaterroristen“ würden angeblich gewaltlose Protestformen des zivilen Ungehorsams mit staatsfeindlicher Gewalt gleichgesetzt. Von Jonas Kürsch

IMAGO / Aviation-Stock

Die Organisation „Sprachkritische Aktion“ hat „Klimaterroristen“ zum „Unwort des Jahres 2022“ erklärt. Der Begriff, so erklärt die Jury, sei zu kritisieren, „weil  Klimaaktivist:innen mit Terrorist:innen gleichgesetzt und dadurch kriminalisiert und diffamiert werden“, deren angeblich „gewaltlose Protestformen des zivilen Ungehorsams und demokratischen Widerstands“ durch solche Äußerungen mit staatsfeindlicher Gewalt gleichgesetzt werden. Die Jury gibt sich dabei nicht einmal den Anschein der politischen Neutralität, wenn sie von den „berechtigten inhaltlichen Forderungen der Gruppe“ schreibt.

Die Kriminalisierung, die Jury den Verwendern des „Unwortes“ vorwirft, haben die „Klimaaktivist:innen“ allerdings durch unzählige Straftaten schon selbst vollzogen. Auch wenn diese bislang noch keine aktiven Gewaltverbrechen gegen Menschen ausgeübt haben, ist es auch nicht richtig zu behaupten, dass die Protestaktionen immer gewaltlos verlaufen sind. Der Begriff „Gewalt“ kann eben nicht immer ausschließlich als aktiver Akt der körperlichen Gewalteinwirkung verstanden werden, sondern im Allgemeinen auch als schädigender Einfluss auf Menschen, Gegenstände oder Tiere. Spätestens seit den deutschen Klima-Klebeblockaden auf Autobahnen und Straßen müssen die Demonstranten einen derartigen Einfluss auf  ihre Mitmenschen verantworten.

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Man erinnere sich nur an den Tod einer schwerverletzten Radfahrerin in Berlin, die aufgrund einer solchen Blockade der „Letzten Generation“ möglicherweise nicht rechtzeitig von Spezialkräften versorgt werden konnte. Laut einem Bericht von t-online wären die technischen Rettungsoptionen und eine dementsprechende Hilfeleistung eher möglich gewesen, hätten sich die Rettungsfahrzeuge nicht aufgrund eines von den Klimaklebern verursachten, achtminütigen Staus verspätet. Als das bekannt wurde, kommentierte der Klima-„Aktivist“ Tadzio Müller das Geschehen in einem skandalösen Tweet mit den Worten: „Scheiße, aber: nicht einschüchtern lassen. Es ist Klimakampf, nicht Klimakuscheln, & shit happens.“

Kurze Zeit später verschwand der Tweet wieder und Müller entschuldigte sich für sein pietätloses Statement. Die Sprachkritische Aktion gibt an, sie wähle vor allem Formulierungen aus, die gegen die Prinzipien der Menschenwürde und der Demokratie verstoßen – vielleicht wäre es in diesem Fall angebracht gewesen, zumindest auch auf Formulierungen wie die in Müllers Tweet hinzuweisen.

Es ist jedoch nicht zum ersten Mal passiert, dass die Aktion mit einem derartigen Framing versucht, den deutschen Debattenraum zurechtzustutzen: Im Jahr 2019 wählte die Organisation den Begriff „Klimahysterie“ zum Unwort des Jahres und ein Jahr später gab es mit „Rückführungspatenschaften“ und „Corona-Diktatur“ zum ersten Mal zwei Unworte.

Die politische Einseitigkeit der Auswahl der „Unwort“ wurde bereits mehrfach kritisiert, unter anderem von der deutschen Schriftstellerin Juli Zeh. Sie erklärte im Jahr 2019, dass die Vereinigung offenbar nicht wirklich um eine Verbesserung des öffentlichen Diskurses bemüht sei. Ginge es den Betreibern tatsächlich um die Einforderung einer sachlicheren Diskussionsebene im öffentlichen Raum, hätte neben „Klimahysterie“ auch der Begriff „Klimaleugner“ zum Unwort erklärt werden müssen, so Zeh.

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