Tichys Einblick
Grüner Kuschelkurs zum Abstieg der Union

Union: Die Tage als Kanzlerpartei sind gezählt

Aktuelle Umfragen zeigen, dass die Strategie von CDU/CSU, grüne Themen zu besetzen und den „Kampf gegen rechts“ zu forcieren, nicht zum Erfolg führt. Die Union verliert weiter, während die Grünen gewinnen und die AfD ihre Ergebnisse hält.

Maja Hilti/Getty Images

Die jüngsten Umfrageergebnisse verheißen mit Blick auf die nächsten Bundestagswahlen für die Union nichts Gutes. So rutschen die beiden Unionsparteien laut ZDF-Politbarometer zusammen auf 26 Prozent ab, während das Meinungsforschungsinstitut Kantar sie sogar bei nur noch 25 Prozent verortet. Demgegenüber können insbesondere die Grünen und die SPD leichte Zuwächse auf 22 bzw. 23 Prozent (Grüne) und 16 Prozent (SPD) verbuchen. Zusammen mit den 8 bzw. 10 Prozent der Linken würde ihnen dies eine grün-rot-rote Koalition im Bund ermöglichen. Die Union könnte auf Basis dieser Ergebnisse zwar auch eine neue „Große“ Koalition (Groko) mit den Grünen eingehen. Das würden diese aber vermutlich ablehnen, da sie bei Schwarz-Grün nur „Kellner“, bei Grün-Rot-Rot hingegen „Koch“ wären. Nicht auszuschließen ist überdies, dass auch bei einer Koalition aus Union und Grünen die Grünen das Kanzleramt übernehmen, sollte sich der Sinkflug der Union und der Aufstieg der Grünen noch weiter fortsetzen.

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Die Aussichten der Union auf das Kanzleramt haben sich damit dramatisch verschlechtert. Lange Zeit schien es noch, als sei allein sie in der Lage, dieses Amt mit Hilfe eines oder mehrerer Koalitionspartner, seien es die Grünen, die SPD oder die FDP, trotz aller Wählerverluste erneut zu erobern. Davon kann inzwischen keine Rede mehr sein. Der von der CDU- und CSU-Führung gemeinsam eingeschlagene Kurs einer weiteren Öffnung der eigenen Ziele und Inhalte für politische Forderungen der Grünen und der SPD hat den spätestens seit der Grenzöffnung 2015 einsetzenden Niedergang der Union im Bund nicht gestoppt, geschweige denn in einen Wiederaufstieg umgewandelt. Der damit einhergehende, zusammen mit den Grünen, der SPD und inzwischen auch der Linken gegen die AfD geführte und zusehends schärfer intonierte „Kampf gegen rechts“ hat ihn vielmehr noch weiter beschleunigt.

Anders als von den Parteiführungen der Union erwartet, zeigt dieser mit großer medialer Unterstützung geführte Kampf bei den Wählern der AfD weiterhin so gut wie keine Wirkung. Laut ZDF-Politbarometer und Kantar kann die AfD, wären jetzt Bundestagswahlen, erneut mit einem Ergebnis von 12 bzw. 14 Prozent rechnen, nachdem sie 2017 rund 13 Prozent erreicht hat. Die Wähler der AfD scheinen von all den Vorwürfen ihrer Gegner, sie wolle in Deutschland die Demokratie abschaffen, sie sei rassistisch und agiere als der politische Arm des Rechtsterrorismus, so wenig beindruckt zu sein, dass sie deswegen ihr Wahlverhalten nicht ändern wollen. Selbst wenige Tage nach dem Amoklauf in Hanau, für den die AfD von ihren Gegnern in Politik und Medien bis hinauf zum Bundespräsidenten direkt verantwortlich gemacht wurde, votierten bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg in absoluten Zahlen fast genauso viele Wähler für die AfD wie fünf Jahre zuvor. Insgesamt gewann sie, trotz bescheidener 5,3 Prozent, sogar rund 2.000 Wähler hinzu.

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Das lässt nur zwei Schlüsse zu: Entweder identifizieren sich die Wähler der AfD mit den ihr von ihren Gegnern zugeschriebenen politischen Attributen oder sie werten diese Attribute als den Versuch, die politischen Ziele und Inhalte der AfD zu delegitimieren, um diesen neuen, den politischen Mainstream und eigene Machtinteressen störenden Konkurrenten so aus dem demokratischen Wettstreit einfach zu verbannen. Die Indizien sprechen mehrheitlich dafür, dass selbst diejenigen Wähler der AfD, die sie mehr aus Protest denn aus Überzeugung gewählt haben, das allzu offenkundige Ausgrenzungsspiel ihrer Gegner durchschauen und nicht gewillt sind, ihm dadurch Folge zu leisten, dass sie die AfD nicht mehr wählen.

Die nicht nur von den Grünen, der SPD und der Linken, sondern auch von der Union praktizierte Vorgehen gegen die AfD hat somit seine Tücken. Es hat bislang allenfalls dazu geführt, dass die AfD im Bund bei rund 13 Prozent stagniert, verfehlte aber seinen vorrangigen Zweck, sie wieder unter die 5-Prozent-Hürde zu drücken. Ebenso wenig ist es gelungen, die Union wieder über die 30-Prozent-Marke zu hieven. Die gleichzeitige Übernahme grüner Ziele und Inhalte durch die beiden Unionsparteien wird dazu gewiss auch keinen Beitrag leisten. Sie wird vielmehr noch mehr konservative Wähler der Union entfremden, anstatt grün gesonnene Wähler an die Union zu binden. Diese wählen insbesondere in Hinblick auf den Umwelt- und Klimaschutz lieber das grüne Original als die schwarze Kopie, wie die jüngsten Umfrageergebnisse belegen. Wer, wie auch die Union, zusammen mit Greta Thunberg tagtäglich den klimapolitischen GAU an die Wand malt, braucht sich nicht zu wundern, wenn seine eigenen Wähler einer Partei die Stimme geben, die derlei Wandmalereien schon vor Jahrzehnten zu ihrem Markenkern gemacht hat.

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Der grüne Kuschelkurs der Union beschleunigt somit in Verbindung mit ihrem „Kampf gegen rechts“ ihren weiteren Niedergang und entzieht ihr zusehends die lange als sicher geltende Aussicht auf eine erneute Eroberung des Kanzleramtes. Nach gegenwärtiger Lage der Dinge kann es gut sein, dass die Union am Abend nach der nächsten Bundestagswahl vor der Frage steht, ob sie als Junior-Partner eine Koalition mit den Grünen eingeht oder sich zusammen mit der AfD und der FDP in die Opposition zu einer grün-rot-roten Regierung begibt. Dort müsste sie sich dann allerdings bei all jenen Gesetzesvorlagen der neuen Regierung enthalten oder für sie stimmen, wenn die AfD sie ablehnt. Andernfalls würde sie sich seit den Ereignissen in Thüringen nämlich dem Vorwurf aussetzen, in der Opposition mit „Faschisten“ gemeinsame Sache gegen die Demokratie zu machen. Die rot-rot-grünen Regierungsmitglieder würden sie an ihre Pflichten im gemeinsamen „antifaschistischen“ Kampf gegen die AfD schon entsprechend erinnern.

Inzwischen leben wir allerdings nicht nur an den Aktienmärkten, sondern auch in der Politik in höchst volatilen Zeiten. Nicht nur das Kapital, sondern auch viele Wähler verhalten sich wie scheue Rehe, die schnell die Flucht ergreifen, wenn es im Gebüsch verdächtig raschelt. Unerwartete Ereignisse können die Verhältnisse von heute auf morgen auf den Kopf stellen und aus Gewinnern Verlierer sowie aus Verlierern Sieger machen. Ein Sachverhalt, vor dem sich derzeit vor allem die Grünen fürchten dürften. Ihrem Aufstieg könnte unter anderem der möglicherweise erneut beginnende Massenansturm von Asyleinwanderern aus dem nahen und mittleren Osten nach Europa und Deutschland in die Quere kommen. Die aktuelle „Flüchtlingskrise“ an der türkisch-griechischen Grenze entstand zwar nicht gänzlich unerwartet, war aber auch nicht auf der aktuellen Agenda der deutschen Politik. Zusammen mit dem Corona-Virus hat sie schon jetzt den Blockbuster der Grünen, die „Klimakrise“ von Platz eins der täglichen Medienberichterstattung verdrängt.

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Die Grünen erkennen die damit für sie verbundenen Gefahren und versuchen deswegen, das Thema Asyl in der Öffentlichkeit erneut in ihrem „weltoffenen“ Sinne zu besetzen. Die Union versucht bislang, den Grünen bei diesem Versuch etwas Paroli zu bieten. Sie betont deswegen, die Außengrenzen der EU in Griechenland müssten dicht bleiben und weigert sich bislang, 5.000 Kinder und Minderjährige aus griechischen Migrantenlagern im Alleingang nach Deutschland zu holen, wie es die Grünen schon seit Monaten fordern. Wie lange sie angesichts der Ergebnisse einer von Infratest Dimap im Auftrag der ARD-Tagesthemen und der WELT durchgeführten Befragung bei dieser Linie bleibt, ist allerdings fraglich. Gut 60 Prozent der Anhänger der Union sprechen sich laut dieser Befragung nämlich dafür aus, die Grenze zwischen der Türkei und Griechenland für Migranten zu öffnen, sofern sie nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen EU-Staaten Asyl erhalten. Und 46 Prozent der Anhänger der Union bejahen die Öffnung der Grenzen sogar dann, wenn neben Deutschland nur Frankreich die bislang in der Türkei lebenden Migranten aufnehmen würde.

Die Einlösung des Versprechens, eine Wiederholung der Massenzuwanderung wie in den Jahren 2015/2016 auf keinen Fall mehr zuzulassen, ist für die Union mit dem Risiko verbunden, bei der kommenden Bundestagswahl noch mehr Wähler an die Grünen zu verlieren, sollte sich die Lage der Migranten in der Türkei weiter verschärfen. Auch diese Anhänger der Union trauern wie viele Anhänger der Grünen, der SPD und der Linken einer „Willkommenskultur“ nach, die sie angesichts der „Flüchtlingskrise“ in der Türkei gerne wieder zum Leben erwecken würden. Deswegen ist nicht auszuschließen, dass die Union ihren derzeit eingeschlagenen asylpolitischen Kurs wieder ändert, um diese Anhänger zufriedenzustellen, sollten die Umfragen weiter zugunsten der Grünen verlaufen.

Ob diese Anhänger dann, wie schon im Falle der Umwelt- und Klimapolitik, bei einem solchen Kurswechsel nicht auch beim Thema Asyl und Migration lieber das grüne Original als die schwarze Kopie wählen werden, werden die kommenden Umfragen zeigen. Ein Teil der grün gesonnenen Unionsanhänger hat diesen Schritt ohnehin schon getan und wird ihn wohl nach Lage der Dinge ebenso wenig rückgängig machen wie die von der Union zur AfD abgewanderten Wähler. Dafür ist die Union den einen wie den anderen inzwischen eine zu wendige und profillose Formation aus zwei Parteien geworden, die nur ein Ziel kennen: zu regieren.

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