Tichys Einblick
Wind- und Solarbranche betroffen

Übergewinne abschöpfen? Aber doch nicht hier!

Die Bundesregierung will demnächst Sondererlöse auch bei Stromerzeugern einziehen, um damit den Elektrizitätspreis für Verbraucher zu senken. Dagegen wehren sich nun ausgerechnet Grüne. Denn das Vorhaben betrifft auch ihre Lieblingsbranche.

IMAGO/photothek

Als mit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs die Preise für Gas, Öl und Strom steil anstiegen, forderten vor allem Politiker der Grünen und der SPD die Einführung einer sogenannten Übergewinnsteuer: Ab einer bestimmten Grenze sollte der Staat einkassieren, was zusätzlich in die Kassen der Branchenunternehmen floss. Die Parole lautete: Wer von der Krise profitiert, soll zahlen.

So praktiziert es die Bundesregierung mittlerweile auf dem Gasmarkt: Sie deckelt Gewinne; das abgeführte Geld verwendet sie, um die Kosten für private Verbraucher wenigstens zu dämpfen. Nach diesem Muster will die Koalition nun auch eine Strompreisbremse konstruieren. Ab Januar sollen Haushalte für 80 Prozent ihres Verbrauchs nicht mehr als 40 Cent je Kilowattstunde zahlen müssen. Dafür sollen ab einer bestimmten Grenze schon ab November alle Stromproduzenten ihre Extragewinne an den Staat abführen.

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Dagegen regt sich nun ein erheblicher Widerstand – und zwar von grüner Seite. Denn die Regelung kann aus rechtlichen Gründen nur für alle Erzeuger gleich gelten – also auch für die Wind- und Solarbranche. Der grüne Energie- und Umweltminister Schleswig-Holsteins Tobias Goldschmidt warnt deshalb seinen Parteikollegen Robert Habeck: „Schleswig-Holstein ist Energiewendeland, und mir bereiten die Pläne der Bundesregierung deshalb große Sorge.“

Eigentümer von Wind- und Solaranlagen gehörten auch schon vor der Energiekrise zu den Privilegierten: Sie können grundsätzlich wählen, ob sie ihren Strom vom jeweiligen Netzbetreiber abnehmen lassen oder selbst an der Börse vermarkten. Von dem Netzbetreiber, der zur Abnahme verpflichtet ist, erhielten sie auch dann die staatlich festgelegte Einspeisevergütung, wenn der Strompreis an der Börse bei Null oder sogar im Negativbereich lag. Nach der Preisexplosion für Energie ab Frühjahr 2022 war es für die Wind- und Sonnenstromerzeuger attraktiver, zu den Börsenpreisen zu verkaufen, die nun deutlich über den Einspeisevergütungen lagen. Andererseits mussten sie – anders als die Betreiber von Gas- und Kohlekraftwerken – selbst keine höheren Preise zahlen, da sie keinen Brennstoff brauchten. Wind- und Solarparkbetreiber gehören deshalb zu den größten Krisenprofiteuren.

Trotzdem, so argumentiert Simone Peter, Ex-Chefin der Grünen, heute als Präsidentin des Bundesverbandes der Erneuerbaren Energien bestens vernetzte Cheflobbyistin der Branche, dürfe der Staat in ihrem Bereich nicht wie vorgesehen nach dem Übergewinn greifen. Denn, so Peter in einem Deutschlandfunk-Interview: „Man darf das Kind nicht mit dem Bade auschütten.“ Schließlich würden die Unternehmen ihre Gewinne ja wieder investieren. Was freilich auch für die Betreiber von Kohle- und Gaskraftwerken gilt.

Außerdem sei die rückwirkende Abschöpfung zum 1. September 2022 verfassungswidrig. Das Strompreisbremsen-Gesetz, fordert Peter, dürfe so nicht kommen: „Da müssen wir ran.“ Ihre Branche sei bereit, „einen begrenzten Solidarbeitrag zu leisten“ – nur eben sehr deutlich geringer, als ihn der Ampel-Gesetzentwurf vorsieht.

Die Stromtarife steigen für viele Verbraucher auch deswegen, weil die ebenfalls stark erhöhten Netzgebühren im Gesamtpreis stecken, mit denen unter anderem der Bau von Stromtrassen finanziert wird, die Windstrom von der Küste aus dem Norden nach Süden transportieren sollen. In etlichen Regionen dürften sich die Haushaltsstrompreise wegen der immer noch hohen Kosten für Gas und Kohle, aber auch wegen der gestiegenen Netzgebühren 2023 verdoppeln. Viele Kunden von Stadtwerken bekamen schon Ankündigungen, nach denen der neue Arbeitspreis bei über 60 Cent pro Kilowattstunde liegt.

Ob die Strompreisbremse wie geplant Anfang 2023 kommen kann, ist offen. Mit ihrem Hinweis, sie halte die rückwirkende Abschöpfung für verfassungswidrig, kündigte Peter eine Klage an. Andererseits wäre es auch verfassungswidrig, Windmüller und Solarstromerzeuger bei einer Gewinnabschöpfung anders zu behandeln als die Betreiber von Kohle-, Gas- und Kernkraftwerken.
Ohne die Abschöpfung bliebe Christian Lindner und Robert Habeck nur noch ein Ausweg: Sie müssten eine Preisdämpfung beim Strom mit Schulden finanzieren.

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