Tichys Einblick
Eine Pandemie nach der Pandemie?

Studie: Long Covid nicht schlimmer als Post-Grippe-Symptome

Eine australische Studie zeigt, dass das Post-Syndrom im Fall von Corona nicht mehr Patienten betrifft als bei anderen Viruserkrankungen auch. Covid ist nach vier Jahren normal geworden. Dasselbe steht dem Post-Covid-Syndrom noch bevor, wird aber sicher kommen.

IMAGO

Noch immer gibt es eine Menge Aufmerksamkeit, die freilich auch politisch und medial gesteuert wird, für das teils rätselhafte Long-Covid-Syndrom. Der deutsche Gesundheitsminister nennt das Syndrom allerdings inzwischen in einem Atemzug mit dem allgemeineren chronischen Erschöpfungssyndrom (CFS oder ME/CFS), was man als einen eingebauten Ausweg deuten kann: Sollte die Datenbasis für Long Covid weiter im selben Maße erodieren, wie sie es bisher tat (wenn es jemals eine Basis gab), dann ist Karl Lauterbach für alles vorbereitet. Er ist bereit, Long Covid als Erscheinungsform von CFS zu definieren, aber eines möchte er wohl nicht: Long Covid als „Post Vac“ enthüllen, wie Kritiker seit langem meinen. In diesen Tagen hat Tucker Carlson dazu den Arzt Pierre Kory von der „Front Line COVID-19 Critical Care Alliance“ interviewt (siehe Link am Ende).

Am Freitag war internationaler „Long Covid Awareness Day“ – ein Tag der Achtsamkeit für das Post-Covid-Syndrom. Doch ob diese Achtsamkeit aus medizinischer Sicht nützt oder schadet, das ist nicht einmal unumstritten. Am Freitagnachmittag stand Karl Lauterbach vor dem Reichstag, um Patienten mit Long Covid, dem Post-Vac-Syndrom und ME/CFS-Patienten „zuzuhören“. Lange Wäscheleinen waren gespannt, mit den Gesichtern von Patienten auf großen Lichtbildern daran, dazu ein Vorname und einige Angaben zur Person. Diese Variante von „Sagt ihre Namen“ hatten zuerst wohl Impfkritiker auf ihren Demonstrationen eingeführt. Nun kopieren es Demonstranten, die der Regierung eher genehm sind. Dass hier auch mRNA-Opfer demonstrierten, hat Lauterbach entweder übersehen oder bald wieder verkramt. In seinem Tweet ist nur von „Nichtgenesenen“ und CFS-Patienten die Rede. Für diese Gruppe will Lauterbach bald schon 150 Millionen Euro bereitstellen, so sagt er auf der Wiese vor dem Reichstag. Außerdem will er die Interessierten bald wieder ins Ministerium einladen. Die rufen ihm zu, was er zu tun hat: Prävention. Das wäre offenbar Pandemie-Politik nach der Pandemie.

Und auch Lauterbach, der sich dieser Aktion gern mit Tweet und Wortbeitrag anschloss, setzt damit einen Akzent, der bei dem SPD-Politiker kaum verwundern kann. Der Akzent liegt damit einmal mehr und inzwischen schon fast anachronistisch auf der „Pandemie, die für einige noch nicht zu Ende ist“, die für den Gesundheitspolitiker Lauterbach natürlich nie zu Ende hätte gehen müssen und aus seiner Sicht möglichst bald wieder beginnen darf. Nicht zuletzt verdankt Lauterbach ihr ja in gewisser Weise sein Amt, und das öffentliche Reden über diese größtmögliche Bedrohung für die öffentliche Gesundheit war ein bequemes Modell der Aufmerksamkeitsökonomie für den Minister, der sich so nicht um das Krankenhaussterben, um Ärzte-, Pfleger- oder Medikamentenmangel Gedanken machen musste.

Weniger Patienten von Post-Covid als von Post-Flu betroffen

Doch nun hat eine Untersuchung des öffentlichen Gesundheitssystems im australischen Bundesstaat Queensland herausgefunden, dass die Symptome, die heute mit Long Covid verbunden werden, nicht grundlegend verschieden von denen einer durchgemachten Grippe sind. Wir erinnern uns: Ausgerechnet Australien, wo man mit der Corona-Politik fast weltweit den Märzhasen abschoss, das Land dauerhaft einsperrte und einen nicht unerheblichen Teil der Bürger zum Äußersten irritierte. Doch selbst in diesem Land regt sich nun der gesunde Menschenverstand.

Es gebe nichts „Einzigartiges oder Außergewöhnliches“ an den Spät-Symptomen nach Covid-Erkrankungen, sagte der Chef der Gesundheitsbehörde von Queensland, Dr. John Gerrard. Daher solle man auch nicht mehr von „Long Covid“ sprechen. Korrekter wäre es ohnedies, von Post-Covid zu sprechen, denn Long Covid bedeutet, dass die Infektion sich hinzieht, Post-Covid steht für alle Symptome, die noch später als zwölf Wochen nach Krankheitsbeginn auftreten. In der australischen Studie waren es insgesamt 16 Prozent der befragten Patienten, die ein Jahr nach der Corona-Infektion noch über Symptome klagen. 3,6 Prozent berichteten von einer „mittleren bis starken Einschränkung“ ihrer alltäglichen Aktivitäten. Befragt wurden 5.112 einst an Corona erkrankte Australier.

Die Studie präzisierte, dass drei Prozent unter den Corona-Patienten nach einem Jahr „funktionale Einschränkungen“ haben. Bei den Nicht-Corona-Patienten waren es 4,1 Prozent und im Fall einer Grippe-Erkrankung 3,4 Prozent. Chronische Ermüdung scheint das häufigste Symptom zu sein, das aber keinesfalls exklusiv mit Corona zu verbinden ist. Daneben wird von ganz verschiedenen Beschwerden berichtet: von Erschöpfung, „Gehirnnebel“, Geruchs- und Geschmacksverlust bis zu hoher Lichtsensibilität und Atemnot. Laut der australischen Studie gibt es auch den Symptomen nach große Überschneidungen mit anderen Post-Syndromen, das gelte für 94 Prozent der Patienten.

Dr. Gerrard warnt generell vor dem Begriff Long Covid, den Ängsten und der Hypervigilanz, die er bei einigen hervorrufen werde, also sozusagen „Über-Achtsamkeit“. Gemeint ist damit die übertriebene Aufmerksamkeit von Patienten, die Symptome herausstellen und zusammengruppieren, die sich vielleicht ganz anders erklären lassen. Hier stehen die Awareness-Jünger um Lauterbach und Gefolge gegen die Hypervigilanz-Kritiker aus der Medizin. So haben auch die deutschen Neurologen und Psychiater Frank Erbguth, Hans Förstl und Christoph Kleinschnitz daran erinnert, dass Korrelation nicht gleich Kausalität ist und man die psychischen Faktoren nicht ganz außer Acht lassen sollte – gerade wo es quasi um die individuelle Reproduktion einer globalen Pandemie geht. Es habe immerhin ja auch „Long Covid ohne Covid“ gegeben, also ein Post-Syndrom nach keiner oder sehr milder Krankheit. Man dürfe die möglichen psychischen Ursachen der Krankheitsbilder nicht als Herabsetzung der Patienten verstehen.

Die „Pandemie“ wird zum Post-Syndrom ausgerollt

Trotzdem seien die Symptome nach Corona-Infektionen natürlich real, so Gerrard, können aber ganz verschieden erklärt werden. Andere australische Ärzte finden die Einschränkungen Gerrards „möglicherweise nicht hilfreich“, eben weil Long Covid so real sei und als „Post-Covid-19-Zustand“ sogar von der WHO anerkannt sei. Doch man darf schon fragen, warum ausgerechnet dieser unscharf beschriebene Post-Krankheits-Zustand ein international anerkanntes Syndrom bildet und nicht andere, wenn bei beliebigen anderen Krankheiten sogar ein etwas höherer Anteil von Patienten ein Post-Syndrom erleben, nämlich 0,5 Prozent mehr als bei Corona (4,1 im Vergleich zu 3,6 Prozent). Vielleicht ist dieser Unterschied noch nicht statistisch signifikant. Aber er zeigt mindestens, dass Post-Corona keine schlimmere Belastung des Gesundheitswesens ist als die normalen Post-Syndrome nach beliebigen anderen Krankheiten.

So sagt auch Gerrard: „Wir haben festgestellt, dass sich die Häufigkeit anhaltender Symptome und funktioneller Beeinträchtigungen nicht von anderen postviralen Erkrankungen unterscheidet.“ Corona hat den Status als Pandemie verloren, seit es nur noch ein Virus neben vielen anderen ist und im Normalfall wie eine gewöhnliche Erkältung oder Grippe zu behandeln ist. Und dasselbe Schicksal muss auch dass Post-Covid-19-Syndrom rund fünf Jahre nach dem ersten Erscheinen des 2019er-Virus ereilen. Aber für eine Zeit lang wird die nicht ganz richtige „Pandemie“ – man erinnert sich der veränderten WHO-Definition – wohl noch zum ebenso unrichtigen Post-Syndrom ausgerollt werden. Bis auch Lauterbach alle Plätzchen gebacken hat und zum nächsten Thema eilt.

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