Tichys Einblick
Wie arbeiten Politiker-Hirne?

Strafsteuern, Werbeverbote und Förderung für Sitzenbleiber

Eine Ernährungs-Ideologin der Bundestagsfraktion will Werbeverbote für Süßigkeiten, Softdrinks und Fastfood durchsetzen. Werbung macht nämlich, wie Foodwatch schon behauptet hat, dick. Eine andere Abgeordnete will eine Strafsteuer für Süßgetränke. Wie wäre es stattdessen mit mehr Bewegung?

© Getty Images

„Gesund kann jede*r!“ – ist der Titel des neuen Buches des ehemaligen Fußballers und Weltmeisters Philipp Lahm. Durch einen gesunden, aktiven Lebensstil will er Kinder und Erwachsene zu einem gesünderen Leben motivieren. Er bezeichnet Sitzen als das neue Rauchen. Recht hat der Mann. Er will informieren, motivieren und besonders die Bedeutung der Bewegung für einen gesunden Lebensstil profilieren. Die Wissenschaft, zumindest die ernsthafte, bestätigt das mit einer Vielzahl von Studien, die auf die Problematik des zunehmend inaktiven Lebenswandels hinweisen. Das Essen darf schmecken und Süßigkeiten gehören auch dazu, stellt Lahm fest.

Warum Sport, wenn die Werbung dick macht

Aber es gibt auch Akademiker, die anderer Meinung sind. Prof. Berthold Koletzko, ein Stoffwechsel-Fachmann, und die Pharmazeutin Barbara Bitzer machen am 25. August 2021 auf einer Pressekonferenz von Foodwatch die forsche Behauptung, dass Werbung dick und damit ungesund macht. Dirigistische Eingriffe in das sogenannte Kindermarketing erscheinen deshalb notwendig. Werbeverbote und Strafsteuern müssen her. Doch wo ist die Grenze zwischen gesunden und angeblich ungesunden Lebensmitteln? Eine auf den ersten Blick unverdächtige Organisation ist die Weltgesundheitsorganisation WHO, die seit Jahren mantraartig behauptet, das zu wissen.

Die Kompetenz der Weltgesundheitsorganisation liegt in dieser Frage allerdings unter Null. Für die Strategie, Übergewicht zu einem zentralen Thema zu machen, sind ihre Protagonisten nachweislich von der Pharmaindustrie mit Millionen finanziert worden. Namhafte Institute und medizinische Fachmedien kritisieren durch fundierte Analysen, dass die Empfehlungen der WHO keine wissenschaftlichen Grundlagen haben, sondern auf konstruierten Behauptungen basieren. Für die WHO sind fünf Prozent an der gesamten Kalorienzufuhr die angebliche Grenze.

Die Substanzlosigkeit dieser Empfehlung hat Ende 2021 die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in einem Gutachten festgestellt. Die EFSA dokumentiert, dass die wissenschaftliche Literatur keine Erkenntnisse für einen Zuckergrenzwert liefert und es deshalb keine wissenschaftliche Grundlage dafür gibt, eine Aufnahmemenge für Zucker festzulegen. Der von der WHO fantasievoll definierte Schwellenwert ist das Ergebnis von Korruption und wissenschaftsferner Behauptung.

Die Ampel stellt auf rot

Eine Organisation wie die WHO, die mit wissenschaftlichen Fakten auf Kriegsfuß steht, kann das nicht stören. Ebenso stört es nicht Ideologen, die die Bevölkerung Mores lehren wollen. Zwei von dieser Sorte glauben in der SPD-Fraktion, dass die Ampel Gelegenheit bietet, einmal konsequent zur Gesundheitserziehung der unmündigen Bevölkerung durchzugreifen. Eine Ernährungs-Ideologin der Bundestagsfraktion, Rita Hagl-Kehl, will Werbeverbote für Süßigkeiten, Softdrinks und Fastfood durchsetzen. Werbung macht nämlich, wie auch Foodwatch schon behauptet hat, dick.

Die zweite Ernährungsexpertin ist die Abgeordnete Peggy Schierenbeck, die es für alle Bürger nach eigenen Worten leichter machen will, sich gesund zu ernähren. Sie weiß, was gesund ist und wie das mit dem Zwang zur gesunden Ernährung geht. Sie will jetzt eine Ernährungsstrategie erarbeiten, zu deren wesentlichen Elementen eine Strafsteuer gehört. Bei Überschreitung eines Zucker-Grenzwertes von fünf Milligramm pro hundert Milliliter würde diese bei Süßgetränken greifen und die Getränke verteuern.

Frau Schierenbeck sollte einmal in den Supermarkt gehen. In den Regalen stehen zucker- und kalorienfreies Mineralwasser, eine breite Palette von Süßgetränken in allen Variationen von light bis zero. Wenn sie Letztere für gesünder hält, sollte sie diese vielleicht durch die Reduzierung der Mehrwertsteuer preiswerter machen, um den Konsum im Sinne der Volksgesundheit anzukurbeln. Das wäre auch sozial verträglicher, weil sie den Geldbeutel der Verbraucher nicht belastet, sondern entlastet.

Statussymbol Brutkasten

Zum ethischen Statussymbol von wohlsituierten Großstadtfamilien gehört inzwischen das Rad mit einem vorangestellten Design-Brutkasten, in dem die Brut zur Kita, zum Kindergarten oder zum Spielplatz durch die Straßen karriolt wird. Früher waren die Kinder stolz, wenn sie laufen konnten. Und sie haben es an der Hand von Eltern oder ganz freihändig getan. Heute winken sie aus dem Brutkasten heraus huldvoll oder störende Autos beiseite.

Die Partei, die mit Werbeverboten und Strafsteuern ein durch Inaktivität verursachtes Übergewicht beim Nachwuchs bekämpfen will, macht sich stark, um mit Millionen von Steuergeldern Lastenfahrräder zu fördern, die schon Kindern signalisieren, dass Bewegung eine Last ist. Es drängt sich bei einem derart ideologischen Unfug die Frage auf, ob Hirne von Politikern manchmal unterzuckert sind oder ob gelegentlicher Abgeordneten-Sport an der frischen Luft die Konzentration fördern könnte. Vielleicht könnte man auch Philipp Lahm als Berater gewinnen, der schon als Kapitän der Nationalelf zur Weltmeisterschaft verholfen hat.


Detlef Brendel ist Wirtschaftspublizist.

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