Tichys Einblick
Dokumentation

Schmutzeleien und Einspruch gegen das Ergebnis der Landtagswahl in Hessen

Wahlgeheimnis und korrekte Auszählung sind Kernelement der Demokratie. Manipulationen können entstehen, wenn eine Partei oder Parteigruppe Wahlbezirke dominiert oder gemeinsam einen kleinere Konkurrenten ausschließen will. Wir dokumentieren einen Einspruch, der an das Wahlprüfungsgericht beim Hessischen Landtag gerichtet wurde und die Vorgänge am Wahlabend zeigt.

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Zu Wahlchaos und Nachzählungen kam es bei der Landtagswahl in Hessen; Ergebnisse wurden „geschätzt“, per Strichlisten und Telefon übermittelt, die Auszählung der Briefwahlunterlagen erfolgte wohl nicht rechtskonform.

Über die Ursache von Unregelmäßigkeiten bei Wahlen hat für TE Jochen Renz mehrfach berichtet.  Dabei ging es um die statistisch vermutete Unregelmäßigkeit in den Wahlergebnissen, die auf leichten Manipulationsmöglichkeiten insbesondere bei Briefwählern beruht. In Medien fallen häufige Berichte über tatsächliche Unstimmigkeiten auf.  Bei der Landtagswahl Hessen kam es bei der Auszählung offensichtlich zu breiten Verstößen gegen das Wahlrecht und Nachzählungen.

In Darmstadt fällt auf, dass als Kreiswahlleiter der dortige Oberbürgermeister Jochen Partsch (Grüne) ausgewiesen wird und sein Stellvertreter im Amt des Wahlleiters Bürgermeister Rafael Reißer (CDU) ist.  Das ist ungewöhnlich, weil üblicherweise kommunale Spitzenbeamte und nicht Politiker Kreiswahlleiter sind; in Offenbach, wo ebenfalls der Oberbürgermeister das Amt des Wahlleiters ausübt, ist zumindest der Stellvertreter nicht Amtsträger in der Stadtspitze. Beide Darmstädter Politiker übten ihr Amt allerdings nur bedingt aus; noch während der laufenden Auszählung der Stimmen traten sie auf Wahlpartys auf.

In diesem Zusammenhang dokumentieren wir den Einspruch des Stadtverordneten Dieter Schneider (AfD). Entscheidend wird jetzt sein, ob die darin aufgeworfenen Fragen beantwortet werden.

Einspruch

Gegen die Feststellung des endgültigen amtlichen Ergebnisses der Wahl zum hessischen Landtag erhebe ich Einspruch und begründe ihn wie folgt:

  1. Nach dem vom Bundesverfassungsgericht postulierten Vorrang des Verhältniswahlrechts bei der Stimmzuteilung wäre die Mandatsverteilung im hessischen Landtag bei der gesetzlich vorgegeben Mandatszahl (1):
  • (2)

Partei              bei 120 Sitzen              bei 137 Sitzen

CDU                 35 Mandate                  40 Mandate

SPD                  25 Mandate                 29 Mandate

Grüne               25 Mandate                 29 Mandate

Linke                 8 Mandate                   9 Mandate

FDP                  10 Mandate                 11 Mandate

AfD                   17 Mandate                 19 Mandate

Durch Überhangmandate der CDU und nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes notwendigen Ausgleichsmandaten entstand eine andere Sitzverteilung (2), die politisch äußerst relevant ist. Bei konsequenter Berücksichtigung des Verhältniswahlrechts hätte sowohl eine Koalition von CDU und Grünen als auch eine von CDU und SPD keine Mehrheit im hessischen Landtag.

Dieser Einspruch richtet sich noch nicht gegen die Feststellung des Wahlergebnisses, sondern gegen die Berechnung der Mandatszuteilung durch den Landeswahlleiter.

  1. Die Feststellung des endgültigen amtlichen Wahlergebnisses beruht nicht auf Zahlen aus den Wahlniederschriften als maßgebliche Urkunden, sondern aus
  • den fernmündlich durchgegebenen Zahlen der einzelnen Wahlvorstände an die Gemeinden
  • den dann mit Hilfe von EDV zusammengestellten Stimmzahlen beim Landeswahlleiter
  • und den danach erfolgten für die Öffentlichkeit undurchsichtigen Korrekturen der vorläufigen amtlichen Ergebnisse auf Gemeinde- oder Wahlkreisebene

Dieses Verfahren, das sich im Übrigen auch bei anderen Wahlen eingebürgert hat, erhöht die Anfälligkeit des Wahlverfahrens sowohl durch Irrtümer als auch durch Betrugsversuche.

Nachdem vor allem in Frankfurt am Main deutlich wurde, dass erhebliche Fehler bei der Ergebnisfeststellung vorkamen, ist unglaubwürdig, dass die endgültigen amtlichen Wahlergebnisse von den vorläufigen Wahlergebnissen fast nur dadurch voneinander abwichen, dass die Zahl der gültigen Stimmen stieg. Im Vergleich dazu die Differenzen in Darmstadt, wo bisher in der Öffentlichkeit nichts dergleichen wie in Frankfurt bekannt wurde.

Die Differenz zwischen vorläufigem und endgültigem amtlichen Wahlergebnis

                                                           Hessen             Darmstadt

  1. Wähler                                      + 1.373            + 412
  2. Gültige Stimmen                       + 1.959            + 387
  3. CDU                                          +    656            +   64
  4. SPD                                          +    280            +   55
  5. Grüne                                       +    252            + 125
  6. AfD                                           +    316            +   28
  7. FDP                                          +    304            +   19
  8. Linke                                         +     69             +   70

Die dargestellten Zahlen für Hessen haben mit den bekanntgewordenen Fällen von Irrtum oder Wahlbetrug in Frankfurt nichts zu tun. Ein systematischer Vergleich der vorläufigen amtlichen Wahlergebnisse laut mündlicher Übertragung und EDV-Eingabe mit dem endgültigen amtlichen Wahlergebnis auf Grund der Wahlniederschrift-Urkunden wäre zwingend notwendig, um dem tatsächlichen Wahlergebnissen näherzukommen.

  1. Das Wahlergebnis im Wahlkreis 50 (Darmstadt II) ist bei den Erststimmen für den SPD-Bewerber im Vergleich zu den Zweitstimmen für die SPD unglaubwürdig, weil es völlig aus dem Rahmen aktueller und früherer Wahlergebnisse und auch den Eindrücken und Prognosen aus dem Wahlkampf fällt. Auf Grund verschiedener Auffälligkeiten und auch Informationen können sowohl die Ergebnisermittlung vor Ort als auch der Ergebnisweiterleitung dazu beigetragen haben. Dieses Beispiel zeigt, dass auch die Erststimmen auf Grund der Wahlniederschrift-Urkunden für das endgültige amtliche Wahlergebnis maßgeblich sein müssen.

Um differenziert analysieren zu können, hat die AfD-Fraktion in der Darmstädter Stadtverordnetenversammlung einige Klärungsfragen an den Magistrat der Wissenschaftsstadt Darmstadt gerichtet, auf deren Beantwortung die Fraktion noch wartet. Die Fraktion hat mir zugesagt, mich umgehend über die Antwort zu informieren. Meine Schlussfolgerungen daraus reiche ich dann dem Wahlprüfungsgericht nach.

Schon jetzt kann ich sagen, dass der Wahlkreis 50 exemplarisch zeigt, dass es auf die öffentlich nachvollziehbare Ermittlung der Stimmergebnisse auf Grund der Wahlniederschrift-Urkunden ankommt, um mögliche Fehler bei der Stimmauswertung und Übermittlung der Stimmergebnisse qualitativ und quantitativ orten zu können.

  1. Die Verbindung von Landtagswahl und Volksabstimmung haben die Fehleranfälligkeit vor allem der Landtagswahl erheblich erhöht. Nicht nur durch den dadurch zusätzlich entstehenden Zeitdruck, sondern auch durch unzureichende Information der Gemeinden, im konkreten Fall der Gemeinde Darmstadt, wie in einem schwierigen Fall richtig zu verfahren sei.

Der Fall ist:

Es hat eine beträchtliche Anzahl von Briefwählern den Fehler gemacht, den Stimmzettel für die Volksbefragung nicht wie vorgeschrieben in den inneren blauen Stimmzettelumschlag, sondern mit der Erklärung (mit vollständiger Adresse) nur in den äußeren roten Stimmzettelumschlag zu stecken.

Die gleichzeitige und nicht  abgestimmte Beobachtung von 27 Wahlvorständen unter einem Dach in der Darmstädter Eleonorenschule durch drei externe Wahlbeobachter schon vor 18.00 Uhr hat gezeigt, dass in fast jedem Briefwahl-Stimmbezirk solche fehlerhaften Briefwahl-Unterlagen mehrfach (bis zu 10mal) auftauchten.

In den Anlagen zu den Wahlniederschriften aus Briefwahlbezirken überall in Hessen müssen sich eine erhebliche Zahl von ungeöffneten blauen Stimmzettelumschlägen in geöffneten und durchnummerierten roten Wahlbriefumschlägen befunden haben. Entweder blieben die bei der Ergebnisfeststellung unberücksichtigt oder sie wurden nachträglich berücksichtigt. Letzteres scheint zumindest in Darmstadt der Fall gewesen zu sein. Wenn dem so ist, stellt sich die Frage, wie das ohne Verletzung des Wahlgeheimnisses möglich gewesen ist. Das will die AfD-Fraktion in der Darmstädter Stadtverordnetenversammlung vom Magistrat wissen. Für ganz Hessen sollte es das Wahlprüfungsgericht klären.

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass sich die Stimmverhältnisse sowohl bei den Zweitstimmenzahlen  und im Falle des Wahlkreises 50 (Darmstadt II) die Erststimmenzahlen so stark ändern, dass sich auch die Mandatsverteilung im hessischen Landtag ändern kann. Fiele dieser Wahlkreis der CDU-Kandidatin zu, würde sich die Zahl der Sitze im hessischen Landtag um ein Überhangmandat der CDU erhöhen, was zu zwei Ausgleichsmandaten für andere Parteien und damit wieder zu anderen Mehrheitsverhältnissen führen würde.

Mein in den Punkten 2 bis 4 geäußerter Einspruch richtet sich gegen die fehlerhafte Ermittlung des endgültigen amtlichen Wahlergebnisses durch generelle Nichtberücksichtigung der Wahlniederschrift-Urkunden in den wahrscheinlich meisten hessischen Wahlkreisen.

Dipl. Kfm. Dieter Schneider, Darmstadt