Tichys Einblick
Schwulenporno mit Jesus zur Pride:

Wie die deutsche Kirche in der zeitgeistigen Bedeutungslosigkeit versinkt

Anlässlich der Pride-Woche in Nürnberg veranstaltete die evangelische Kirchengemeinde St. Egidien eine Ausstellung mit Darstellung homosexueller Orgien umgeben von Bildern von Putten und Jesus Christus. Ein vorläufiger Endpunkt der Degeneration zur hedonistischen Sexualmoral.

IMAGO / Wolfgang Maria Weber

Die evangelische Kirchengemeinde St. Egidien in Nürnberg hat anlässlich der „Feierlichkeiten“ zum CSD (auch bekannt als Pride) eine Ausstellung des Schwulenaktivisten und Filmemachers Rosa von Praunheim mit pornographischen und blasphemischen Darstellungen in ihrem Kirchenraum veranstaltet. Neben „harmloseren“ Darstellungen homosexueller Geschlechtsakte ließ es sich die Kirche auch nicht nehmen, Collagen auszustellen, in denen explizite Bilder homosexueller Orgien, garniert mit Darstellungen von Putti und Christus, zu sehen sind. Die Kirchengemeinde St. Egidien und der für diese Ausstellung mitverantwortliche „Profilpfarrer für Kunst und Kultur“ Thomas Zeitler können somit stolz darauf sein, den bisherigen Gipfel öffentlicher Degeneration in der Kirche zu bilden. Allerdings darf davon ausgegangen werden, dass dieser umkämpfte Titel wohl nicht allzu lange in St. Egidien bleiben wird, zu groß ist die deutschlandweite Konkurrenz, um die Institution der Kirche vollkommen zu entblößen.

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In den progressiven Niederlanden, wo ein Großteil der großen Stadtkirchen mittlerweile zu Stiftungen und Museen umgewandelt wurde, sind derlei Provokationen nichts Neues. Bereits 2013 empörten sich Christen über die Projektion eines sogenannten „frauenfreundlichen“ Pornos im Rahmen eines Festivals an einen Kirchturm in Enschede. Da die Kirche allerdings nicht mehr für den gottesdienstlichen Gebrauch verwendet wurde, wies der Bürgermeister die Klagen, es handele sich dabei um Gotteslästerung, ab. Es sei „ein Gebäude, wie jedes andere“. Eine dubiose Argumentation, angesichts der Tatsache, dass derlei Darstellungen bevorzugt an vormals christliche Kirchen projiziert werden und eben nicht an jedes x-beliebige Gebäude der Stadt, zumal die dafür verantwortlichen „Künstler“ in ihren Begründungen regelmäßig die christliche Sexualmoral als Begründung für ihre Aktionen geben.

2016 legte man in der Oude Kerk in Amsterdam eins drauf. In einer der wichtigsten historischen Kirchen Hollands, die mittlerweile zwar ebenfalls eine Stiftung ist, in der aber nach wie vor eine Kirchengemeinde sonntägliche Gottesdienste feiert, wurde im Hochchor aus dem 14. Jahrhundert ein Triptychon aus Flachbildschirmen installiert, auf denen im Rahmen einer „Kunstausstellung“ ein Porno einer Gruppensexorgie gezeigt wurde. Einige Mitglieder der Kirchengemeinde – die der Autor dieser Zeilen aus seiner Zeit in den Niederlanden persönlich kennt – verurteilten diese Darstellung als einen blasphemischen Affront, der bewusst mit seiner Aufstellung in Form eines Altarbildes provozierte.

Manche andere Mitglieder der Kirchengemeinde hielten sich, aus politischen oder opportunistischen Gründen, mit ihrer Kritik zurück. Die Direktorin der Stiftung der Oude Kerk sprach von einer „bewussten Entscheidung“ für die Ausstellung in dieser Form und diesem Raum, sie sprach von „Verständnis“ für die Aufregung, betonte aber auch, dass „lange nicht alle Mitglieder der Kirchengemeinde die Darstellung ablehnten“. Das musste, gemeinsam mit dem Ausbleiben von Kritik aus Medien und Politik, genügen. Immerhin: Die Klagen hatten für die Direktorin wohl einen gewissen Werbewert gehabt.

Doch selbst diese Darstellungen in den Niederlanden haben den Bogen noch nicht derart überspannt, wie man es nun in St. Egidien getan hat. Gewiss, in den letzten 10 Jahren seit dem Aufruhr in Enschede ist viel Zeit vergangen, die Degeneration befindet sich in einer Stromschnelle. Aber nicht nur, dass die pornographischen Darstellungen in den Niederlanden rein heterosexuelle Akte darstellten (was die Sache darum auch nicht besser machte), sie verzichteten – abgesehen von der Provokation durch Platzierung im kirchlichen Raum – auf explizite Blasphemie.

Niemand.
Absolut niemand.
Evangelische Kirche Deutschlands: Hold my beer.

Stümperhafte Collagen mit dem Charme von „Basteln als Selbsthilfe“, in denen reihenweise Ausschnitte von kopulierenden Männern umgeben von barocken Putten zu sehen sind. Den Gipfel der Blasphemie stellt sicherlich die Kombination eines Mannes auf allen Vieren, der offensichtlich soeben anal penetriert wird und sich dabei am Gewand Jesu festkrallt, dar. Ein anderes „Kunstwerk“ zeigt Gruppensex schwarzer Männer mit der Unterschrift „F*cken für den Frieden“.

Das alles wird gerechtfertigt – und von Medien wie dem BR gepriesen – mit der alten Behauptung, die Kirche sei sexualfeindlich. Doch anstatt, dass diese Behauptung wie üblich von Künstlern fernab des Christentums kommt, wird sie mittlerweile von der Geistlichkeit selbst mitgetragen. Wohlgemerkt, in diesem Fall sogar von evangelischen Pfarrern, die ja nach eigener Logik weitaus weniger verkrampft sein sollten, da bei ihnen nicht nur Frauen Pfarrerinnen werden dürfen, sondern auch die Heirat gestattet ist.

Unkenntnis führt zur Selbstzerstörung der Kirche

Doch die Mär der Sexualfeindlichkeit der Kirche lässt sich bei genauerem Hinsehen so nicht aufrechterhalten. Denn was als Befreiung der Liebe gefeiert wird, ist nichts anderes als die Entheiligung des Eros. Bereits 2005 unterschied der damalige Papst Benedikt XVI. in seiner Enzyklika „Deus caritas est“ zwischen den drei Formen der Liebe. Eros, Philia (Freundschaftsliebe) und Agape. Die Kritik, die Kirche hätte den Eros zerstört, findet ihren Ursprung in der Aufklärung und wurde auch von Nietzsche entscheidend mitgetragen. Denn, so argumentiert Benedikt, der Eros war in seinem Ursprung im antiken Griechenland eine Form „göttlicher Raserei“ und wurde als ein Rausch angesehen. Dazu gehörten auch Dinge wie „heilige“ Prostitution, die die Menschen dem Göttlichen näher bringen sollte. Eros selbst wurde zur göttlichen Macht und „als Vereinigung mit dem Göttlichen gefeiert“.

Der Wandel weg von dieser Vergöttlichung des Eros beginnt bereits im Alten Testament. Benedikt schrieb dazu:

„Es hat damit aber gerade nicht dem Eros als solchem eine Absage erteilt, sondern seiner zerstörerischen Entstellung den Kampf angesagt. Denn die falsche Vergöttlichung des Eros, die hier geschieht, beraubt ihn seiner Würde, entmenschlicht ihn. Die Prostituierten im Tempel, die den Göttlichkeitsrausch schenken müssen, werden nämlich nicht als Menschen und Personen behandelt, sondern dienen nur als Objekte, um den ,,göttlichen Wahnsinn’’ herbeizuführen: Tatsächlich sind sie nicht Göttinnen, sondern mißbrauchte Menschen. Deshalb ist der trunkene, zuchtlose Eros nicht Aufstieg, ,,Ekstase’’ zum Göttlichen hin, sondern Absturz des Menschen. So wird sichtbar, daß Eros der Zucht, der Reinigung bedarf, um dem Menschen nicht den Genuß eines Augenblicks, sondern einen gewissen Vorgeschmack der Höhe der Existenz zu schenken — jener Seligkeit, auf die unser ganzes Sein wartet.“

Viele werden hier der katholischen Kirche Scheinheiligkeit vorwerfen und die Bilanz zumindest der letzten Jahrzehnte ist sicherlich alles andere als ruhmreich. Die Lasterhaftigkeit der Menschen der Kirche sagt aber nicht unbedingt etwas über den Wahrheitsgehalt der Lehre aus, ebenso wenig wie die Existenz von Mördern und Vergewaltigern etwas über die Richtigkeit der Rechtsprechung aussagt.

Die Passage aus Benedikts Enzyklika zeigt aber deutlich, womit wir es bei dem Verhalten der heutigen Kirchen zu tun haben: Einen Rückfall in die vorchristliche Sexualmoral, in der die Agape – die selbstlose Liebe, die anstelle der „Trunkenheit des Glücks“ das Gute für den Anderen möchte – zugunsten einer hedonistischen Extase aufgegeben wurde. Was all diese „Ausstellungen“ gemein haben, ist die Betonung des Eros als Ausdruck von Liebe, und die Provokation richtet sich bewusst gegen jene Reste des christlichen Erbes, die diesem schrankenlosen Eros einst die Einhegung der Agape entgegensetzten.

Natürlich darf bei solchen Ausstellungen der Hinweis auf kirchlichen Missbrauch als Rechtfertigung nie fehlen. Es sollte aber mittlerweile selbst den hintersten Bänken dämmern, dass die Propagierung der sexuellen Revolution und das Hineintragen der Sexualität in die Kirche eben nicht dazu beigetragen hat, diesen Dingen einen Riegel vorzuschieben, sondern – im Gegenteil – ein Großteil der bekannten Missbrauchsfälle eben aus jener Zeit stammen, in der die Gesellschaft sich im Überschwang der sexuellen Revolution von allen Hemmnissen verabschiedete. Wer glaubt ernsthaft, dass ein Pfarrer, der eine Ausstellung mit Darstellungen von homosexuellem Gruppensex in seiner Kirche organisiert, ein besserer Umgang für seine Kinder ist als ein alter Traditionalist?

Die moderne Kirche – egal ob evangelisch oder katholisch – hat sich bereits vor langer Zeit von einem Großteil ihrer Grundprinzipien verabschiedet. Die Öffnung der Kirche zur Welt, die die Evangelen schon vor weitaus längerer Zeit vollzogen als die Katholiken, führte nicht zu einer stärkeren Wirkmächtigkeit der Prinzipien des Glaubens in der Welt, sondern zu einer weltlichen Verwässerung der Kirchen. Während die Christen in anderen Ländern Europas, wie zum Beispiel in Frankreich, einen nicht unbeträchtlichen Teil des Widerstands gegen die zeitgeistige Zerstörung ausmachen, sind die offiziellen Kirchen in Deutschland mittendrin, statt nur dabei, wenn es um die endgültige Dekonstruktion des Westens geht. Selbst militante Atheisten sollten dies bedauern, da eine starke und prinzipielle Kirche ein mächtiger Verbündeter gegen den Zeitgeist wäre. Stattdessen ist sie die Speerspitze der Zerstörung. Die Verbündeten finden Konservative nun in den Katakomben.

Eine gute Nachricht gibt es jedoch: Nach einer Protestwelle wurde die Kirche vorerst geschlossen, um das Thema aufzuarbeiten. Eine inhaltliche Neuausrichtung darf wohl nicht erwartet werden, aber bereits eine Eindämmung der Blasphemie sollte als zumindest kleiner Erfolg gewertet werden.

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