Tichys Einblick
1. Parteitag des Bündnis Sahra Wagenknecht:

Sahra Wagenknechts umjubelte Krönungsmesse

Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ ist jetzt eine richtige Partei, und wie die Vorsitzende heißt, ist keine News. Bemerkenswert die Inhalte ihrer Rede, und die Strategie, mit der letztlich die Ampel stabilisiert werden soll. Schwerpunkt ist West-Deutschland. NRW ist jetzt auch in Berlin zu Hause.

IMAGO

Gestern ereignete sich geradezu Historisches in Berlin, ein Ereignis von Weltbedeutung. Die Gründung des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) als Partei im alten DDR-Groß-Kino Kosmos fand als Krönungsmesse Sahra Wagenknechts statt. Es war ein Kreis von Leuten, die zu diesem heiligen Zwecke weit aus Düsseldorf, aus München, aus Stuttgart angereist waren, um im Bündnisreich der Sahra Wagenknecht nicht Bauern, sondern die neue Aristokratie, Gralsritter der linken Gesinnung, Markgrafen der sozialen Gerechtigkeit und Barone des Friedens zu sein.

Eine Gruppe Raubritter als Fachkräfte für Enteignung durften natürlich nicht fehlen. Im Hochamt der Krönungsmesse wurde Sahra Wagenknecht zur Jeanne d’Arc der Erniedrigten, Beleidigten, Ungehörten und aller wirklich und auch nicht wirklich sozial Deklassierten gekrönt. Denn im Zentrum des Parteitages stand Wagenknechts Krönungsrede, nicht die Diskussionen über das Programm, über die Kandidaten für Parteiämter und für die EU-Kandidatur.

Possen zu Lasten der Ampel aus demWesten

Dabei bewies der 1. Parteitag ein gerüttelt Maß an Humor, nicht nur wegen des Spotts, den Wagenknecht in ihrer Rede artig und erwartet über die Ampel und über deren Protagonisten, die im Bundestag die Bildungsmisere repräsentieren, sprach, sondern gleich zu Beginn des Parteitages, als der Generalsekretär der sich gründenden Partei, Christian Leye, von der Bühne manierlich grüßte: „So, liebe Sahra. Schön, dass du da bist.“ Was für eine Vorstellung, dass Wagenknecht am ersten Parteitag des Bündnisses Sahra Wagenknecht etwas anderes zu tun gehabt hätte. Darauf ein Bündnis „Kölle Alaaf“ oder „Düsseldorf Helau“. Denn mit 73 von ca. 400 Delegierten kamen die meisten Anwesenden aus NRW. Die Machtbasis und den größten Mitgliederanteil hat das BSW in Berlin und in Nordrhein-Westfalen. Der Osten fehlt.

Zu stellvertretenden Parteivorsitzenden wurden die Berlinerin Friederike Benda, Shervin Haghsheno aus Baden-Württemberg und Amid Rabieh aus Nordrhein-Westfalen gewählt. Des Weiteren gehören dem Vorstand der Bundestagsabgeordnete Christian Leye als Generalsekretär, Lukas Schön als Bundesgeschäftsführer, beide aus NRW, und als Schatzmeister der Unternehmer Ralph Suikat aus Baden-Württemberg an. Die Co-Vorsitzende Amira Mohamed Ali stammt aus Hamburg und Sahra Wagenknecht wurde zwar in Thüringen geboren, wuchs in Berlin auf, kandidierte aber dann für die PDS in NRW und lebt nun im Saarland.

Für die Wahlen zum Europaparlament wurden als Kandidaten für die Wahl zum EU-Parlament Fabio De Masi und der ehemalige Oberbürgermeister von Düsseldorf, Thomas Geisel, als Spitzenkandidaten gewählt. Dazu soll sich TE-Autor und Maßnahmen-Kritiker Friedrich Pürner aus Aichach in Bayern gesellen, dem wir aus kollegialer Verbundenheit viel Erfolg wünschen. Ihr Einzug ins EU-Parlament gilt derzeit als sehr sicher. Aber bis zur Wahl wird noch viel Wasser die Spree und den Rhein herunterfließen.

Die Posten in der Wagenknecht-Partei besetzen Politiker, die noch vor kurzem wie Wagenknecht der Linkspartei angehörten – und allesamt aus dem Westen stammen. Der Osten ist nicht repräsentiert – und das ist die entscheidende Schwäche des Bündnisses: dass es im Osten nicht vorkommt und man im Osten Wagenknechts Bündnis für eine Gründung der Berliner Blase hält.

Das Gegengift zur AfD-Droge

Bis jetzt ist auch nicht bekannt, ob man zu den drei entscheidenden Landtagswahlen im Osten antreten will oder kann. Der ARD-Lokalsender mdr versucht, das BSW hochzusenden in der Hoffnung, Wagenknechts Partei würde die AfD minimieren. Deshalb gehen auch die Medien noch recht wohlwollend mit Wagenknecht um, weil man sich innig wünscht, Wagenknecht möge glücken, was Habecks und Baerbocks Fußtruppen misslingt: der AfD wichtige Prozentpunkte abzunehmen.

In ihrer Krönungsrede überrascht Wagenknecht indes nicht. Ihre Positionen sind bekannt, sie alternieren zwischen Sozialdemagogie, zutreffenden Analysen und falschen Lösungsvorschlägen. Umso stärkeres AfD-Bashing dort, umso ähnlicher man sich in Kritik und Forderungen ist, beispielsweise in der Frage des Ukraine-Krieges, in der Kritik an der Wirtschafts- und Energiepolitik der Regierung, in der Frage der Migration und des Nationalstaates. Denn bei allen richtigen Problembeschreibungen, mit dem sie auch beim konservativen Publikum punktet, ist und bleibt Wagenknecht eine Kommunistin.

Gegen die AfD gewandt äußert sie, dass auch sie „Angst vor dem Erstarken der AfD“ habe, nur müsse derjenige, der die AfD wirklich schwächen wolle, auch für einen Mindestlohn von wenigstens 14 Euro, höhere Renten und bezahlbare Energie demonstrieren. Der Begriff Lohnabstandsgebot beispielsweise kommt ihr nicht über die Lippen. Der Erfolg der AfD sei „nicht das Ergebnis genialer Arbeit der AfD“, sondern das Versagen der Ampel-Koalition, der „dümmsten Regierung Europas“.

Dass die Politiker der Bundesregierung nun selbst auf die Straße „gegen Rechts“ gehen, sei „Heuchelei“. Wagenknecht wirft dem „Trio Infernale“, also Scholz, Lindner, Habeck vor, dass sie andere Meinungen ausgrenzen. Die Politik des Aussitzens und Wegdemonstrieren könne so nicht weitergehen. Deutschland stünde auf der Kippe und benötige einen politischen Neuanfang.

Doch das ist inzwischen Allgemeingut bei den vielen in Deutschland, die eben nicht zu den wenigen gehören, nicht zu den Fußtruppen der Ampel, die an den Aufmärschen der Regierung gegen die Opposition und mithin gegen die Demokratie teilnehmen. Zu Recht geißelt Wagenknecht es als Problem der deutschen Demokratie, wenn „verwöhnte Jungpolitiker ohne Abschluss“ die Gelder für notwendige Weiterbildungen kürzen würden. Das Sinnbild dieser Abgehobenheit sei die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang, die sich den „Fauxpas“ geleistet habe, auf die Frage nach der Durchschnittsrente in Deutschland mit ihrer Schätzung von 2000 Euro völlig daneben gelegen zu haben.

Nicht Orgelmusik, nicht Pauken und Trompeten begleiteten ihre Rede, sondern Besseres noch: Begeisterter, sich selbst entäußernder Beifall unterbrach die Rednerin nach gefühlt jedem dritten Satz. Nachdem die Krönungsmesse gelesen war, brandete ein Applaus unter stehenden Ovationen auf, dessen Dauer den Beobachter etwas unangenehm an einen CDU-Parteitag erinnerte, wo das frenetische Händeklatschen für Angela Merkel etwa zehn Minuten anhielt. Ein Beifall des mächtigen Grüppleins von 400 Getreuen, die sie nun per Akklamation zur unangefochten guten Königin des allerneusten Bundes machten.

Ein Gespenst geht um – der Mistgabelmob

Und Oskar Lafontaine war stolz und tief bewegt, denn wie ein Gespenst erhoben sich in Berlin die Eingangsworte des Kommunistischen Manifests von den untoten Texten: „Ein Gespenst geht um in Europa. Das Gespenst des Kommunismus.“ Doch dann bricht der Text schon ab, denn in Europa findet keine Hetzjagd auf das arme, alte Gespenst statt, sondern nur in Deutschland. Aber als mediale Hetzjagd auf all diejenigen, die nicht zu den Aufmärschen der Fußtruppen der Ampel gehen, auf den „Mistgabelmob“, auf Demokraten und wahre Liberale. Auf all diejenigen, die unter „rechts“ einsortiert werden, auf die Opposition – nicht aber auf die Kommunisten, denn so sehr Wagenknecht rhetorisch nur allzu gekonnt auf die Regierung und die Lifestyle-Linken schimpft, sind sie doch letztlich Brüder und Schwestern im Geiste.

Wenn Wagenknecht die Regierung kritisiert, hat man es doch in Wahrheit mit einem handfesten Familienkrach zu tun, den Streit der „Lifestyle-Linken“ mit den neofeudalen Linken der BSW.

Der Parteitag bezog seine Wärme und seine Kraft und seine Zuversicht aus der Nostalgie. Wagenknechts Rede, auch im Furor des Vortrages, war brillant und war es wiederum auch nicht. Die Pointen saßen, die Polemik auch, so wie die Pausen, nur lud die Rede niemanden zum Mitdenken ein, nicht zum Mitverfolgen der Gedanken, sondern lediglich zur Entgegenahme feurig vorgetragener und schneidig formulierter Statements, nicht zum Mitmachen, sondern zur Gefolgschaft.

Man wird sehen, ob die Ebenen am Stadtrand von Berlin enden. Aber immerhin war es eine schöne Krönungsmesse. Man gönnt es ihr. Nur, dass ihre Rede zu viele Noten hatte.

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