Tichys Einblick
Draußen und Drinnen

Offene Grenzen und Bürgerkrieg-Spiele

Von »offenen Grenzen« bis zu Bürgerkrieg-Spielen in linken Stadtteilen: »Links« steht heute für Entgrenzung und Angriffe auf unsere Ordnung. Was ist das, was Deutschland erfasst hat?

Michael Trammer/Pacific Press/LightRocket via Getty Images

Der Zweck eines Hauses ist es, das Draußen vom Drinnen zu trennen – was sonst? Kinder bauen sich daheim ein Haus aus Decken und Kissen.

Unsere beiden braven Engel bauten sich letztes Jahr, zusammen mit den beiden wilden Teufeln der Nachbarn, draußen auf dem Feld ein Haus aus Zweigen und Brettern. Manchmal bauen sie daheim Häuschen aus Lego! Der Sohn baut autarke Wohnmobile mit allen Funktionen von Radar über Küchen bis Sonnendecks. Die Tochter baute letztens das weitläufige Modell einer Reisfarm, inklusive grünen Setzlingen im blauen Lego-Wasser.

Die Trennung zwischen Außen und innen gibt uns ein Gefühl von Sicherheit und Ordnung. Der Mensch sehnt sich nach Sicherheit und Ordnung (wenn auch womöglich nicht jeder Mensch, wie es scheint). Alle Ordnung aber beginnt mit Trennung.

Im Schöpfungsmythos der Bibel wird unsere Welt erschaffen, indem Gott zwei getrennte Dinge erschafft – Himmel und Erde (1. Mose 1:1). Er schafft das Licht, stellt dann aber bald fest, dass es eine gute Idee wäre, es von der Finsternis zu trennen, das eine Tag zu nennen und das andere Nacht (1. Mose 1:4). Später, als er die Menschen in unserem heutigen Sinne erschaffen hatte, indem er die biblische Form des »Urmenschen« in Mann und Frau getrennt hatte, gab er eben diesen den Auftrag, im Garten Eden die Tiere zu benennen, sprich, sie in begriffliche Kategorien zu trennen und so zu ordnen.

Alles, was ist, ist durch Trennung. Man muss ja gar nicht die Bibel bemühen (aber kennen und verstehen sollte man sie!) – man kann (und sollte!) die Wissenschaft befragen! Die Evolution lehrt, dass wir uns erst vom Wasser trennten und dann von unseren äffischen Vorfahren. Durch Mutation experimentiert die Natur immerzu mit möglichen Abtrennungen, bis neue, getrennte Arten entstehen.

Alles was ist, ist durch Trennung. Leben beginnt mit der Abtrennung. Das Leben meines Kindes als eigenständige Einheit begann, als ich seine Nabelschnur zerschnitt und damit zumindest die körperliche Verbindung zu seiner Mutter Elli trennte. Unser aller Leben endet damit, dass die Trennung zwischen uns und der Erde aufgehoben wird, dass wir »wieder zu Erde werden«.

Leben beginnt mit Trennung, Trennung aber ist der Beginn der Ordnung. Leben ist eine bestimmte Art der Ordnung.

Wie reagiert die Politik?

In mehreren Städten Deutschland wurde der Jahreswechsel von Ereignissen begleitet, die als »kriegsähnlich« beschrieben wurden (etwa bild.de, 2.1.2020: »Kriegsähnliche Zustände in Berlin« (Video)). Beobachter in den Sozialen Medien fühlten sich an »Bürgerkrieg« erinnert. In einigen jener Bezirke, die traditionell als links und tolerant berüchtigt sind, wurden die Einsatzkräfte der Polizei und Feuerwehr angegriffen (morgenpost.de, 1.1.2020: »Silvester in Berlin: Viele Angriffe auf Einsatzkräfte«).

In Leipzig Connewitz wurde ein Polizist bei Angriffen von (vermutlich/aller Erfahrung und allem Anschein nach) Linksextremen so schwer verletzt, dass es notoperiert werden musste (welt.de, 1.1.2020).

Und wie reagiert die Politik? Stimmen in der SPD gaben de facto der Polizei die Schuld daran, dass sie von Linksextremen angegriffen wurde (siehe etwa @SPDLeipzig, 1.1.2020, archiviert). Aus der umbenannten SED hörte man: »Cops raus aus #Connewitz« und »ekelhafte Polizeigewalt« (@luna_le, 1.1.2020, archiviert – sie ist immerhin MdL). Wenn gewalttätige Extremisten gegen Staat und Ordnung kämpfen, scheinen bei Linken die Sympathien sehr klar geordnet zu sein – das vermutlich einzige, was bei denen noch geordnet ist, sind die Ansprüche auf fürstliche Bezüge vom Staat und den Bürgern, die sie so hassen – sonst wirkt da wenig geordnet.

Leipzig gegen Links?

Wie Alexander Kissler so treffend wie zynisch feststellt (@DrKissler, 1.1.2020), wird es wahrscheinlich keine als »Demonstration« vermarkteten Gratis-Konzerte mit Titeln wie »Leipzig gegen Links« geben – im Gegenteil: man hört allenthalben von »Polizeikritikern«.

Man hörte außer den sympathisierenden Stimmen aus SPD und SED 2.0 auch kritische Stimmen etwa aus der CDU, doch ich habe da ein schales Gefühl, selbst wenn ich den einzelnen Politikern durchaus ihre Empörung glaube.

Leser meines Buches Relevante Strukturen werden obige Argumentation wiedererkannt haben – es sind die Grundlagen, die ich zu Anfang des Buches lege. Relevante Strukturen beschreibt, wie Menschen zum ethischen Urteil kommen. Ich will es hier extra kompakt skizzieren: Gut und Böse beziehen sich auf eine Anordnung der Welt, genauer: auf die Art und Weise, wie eine Handlung die Anordnung der Welt verändert.

Im Text »Politische Korrektheit, ein Todeskult« gebe ich eine etwas detailliertere Einführung in das Konzept des »Lebens durch Trennung«, und ich erwähne darüber hinaus das freudsche Konzept des »Thanatos«:

»Freud teilt die Triebe in Lebenstriebe, als Libido und als Narzissmus, und die Todestriebe. – In den Todestrieben äußert sich unser Drang zur Selbstzerstörung. Die Lebenstriebe – Eros – wollen schaffen, wollen immer Größeres schaffen. Die Todestriebe zielen auf die Rückführung des Lebendigen ins Anorganische. Die Todestriebe stehen dem Eros gegenüber, deshalb nannte man sie später Thanatos, nach dem griechischen Gott des sanften Todes.« (»Politische Korrektheit, ein Todeskult«)

Die vergangenen Jahre ließen mich wieder und wieder erleben, wie polemisch-essayistische Zuspitzungen einige Zeit später zur Beschreibung und plausibelsten Erklärung wurden. Ich grübele heute über die Ereignisse, ich berate mich mit Menschen, die weit klüger sind als ich, ich lese und suche, und das Bild ist weit davon entfernt, wirklich klar und scharf zu sein, doch es zeichnet sich ein Muster ab: »Links« steht heute für Entgrenzung und Zerstörung aller Ordnung. Angela Merkel und die Linksextremen in den Straßen haben gemeinsam, dass sie Grenzen aufheben und Ordnung zerstören – oder es zumindest versuchen.

Doch, weder Merkel noch die linken Schläger handeln allein und ohne Rückhalt. Beide, Merkel und linke Schläger haben Rückhalt in Medien, besonders im Staatsfunk, und Sympathisanten in Politik und schattigen NGOs.

Was heute »Links« heißt, ist ein Todeskult, der bestehende Ordnung zerstört – und so postdemokratischen Konzernen und Spekulanten den Weg frei macht.

Es wird keine von oben organisierten Demonstrationen mit Titeln wie »Leipzig ist bunt, nicht rot« geben. Wenn es kleine, echte Demonstrationen gegen linken Terror und linksextreme Gewalt geben sollte, wenn Bürger sich mit dem schwerverletzten Polizisten solidarisieren, dann werden Leitmedien und linke Politiker sie beschimpfen und beleidigen, mit dem üblichen Vokabular der heute schon täglichen Agitation, das zu wiederholen ich mir an dieser Stelle spare.

Keine Grenzen, keine Ordnung

Das Leben, wie auch jede andere Art sinnvoller Ordnung, beginnt mit Trennung. Merkels Grenzöffnung hebt die Trennung zwischen Deutschland und dem Rest der Welt auf. Einige von Merkels Gästen heben mit Messern die Grenzen menschlicher Körper auf. Und – wir sprachen davon – der Tod hebt zuletzt die Trennung zwischen Mensch und Erde auf.

Wer gegen Grenzen und Ordnung kämpft, der kämpft gegen das Leben selbst. Eliten kämpfen gegen Grenzen, Linke kämpfen gegen Ordnung.

(Notiz: Es ist kein gutes Zeichen für den Zusammenhalt in Deutschland, wenn ein Hass-Profi wie Böhmermann einen noch prominenteren Platz im Staatsfunk bekommt – weiß man beim ZDF wirklich nicht, was man tut, oder will man tatsächlich die Gesellschaft spalten bis an die Schwelle des offenen Bürgerkriegs, wie gewisse Linke ihn ja bereits an Feiertagen »üben«, bis hin zum versuchten Mord an Polizisten?)

In der Demokratie geht alle Macht vom Volke aus. Demokratie setzt voraus, dass es Grenzen gibt, innerhalb derer das Volk seine Macht formulieren und umsetzen kann. Demokratie setzt voraus, dass es eine Ordnung gibt, die vom Volk in demokratischer Debatte festgelegt und dann wirksam durchgesetzt wird.

Was sich heute »links« nennt, ist wenig mehr als das nützliche Werkzeug von Konzernen und »Playern«, welche von den Werten der Demokratie so viel halten wie Merkel von der deutschen Flagge. Ich warne schon lange vor der rasenden schnell schleichenden Machtübernahme durch NGOs, doch auch dies ist eines jener Themen, wo das düstere Szenario zur schockierend banalen Realität wird. Die neue SPD-Vorsitzende Saskia Esken forderte eine »stärkere Rolle von NGOs bei der Gesetzgebung« (deutschlandfunk.de, 28.12.2019). Dass Lobbyisten die Gesetzesvorlagen (mit-) schreiben, das steht als Verdacht und/oder Vorwurf schon länger im Debattenraum – dass man es offen fordert, das ist sogar für die unter freiheitlichen Demokraten ohnehin umstrittene SPD heftig.

Ich habe die Antifa einmal »Merkels nützliche Idioten« genannt, es gilt weiterhin. Merkel öffnete die Grenzen von außen, linke Schläger kämpfen gegen die Ordnung im Inneren, während junge Männer den Unvorsichtigen unter uns mit scharfer Klinge die Innereien nach außen bringen und NGOs mit nicht immer klarer Finanzierung sollen Politiker »beraten«.

Die Linken von Berlin, Leipzig und anderswo haben den Start ins Jahr mit einem neuen Angriff auf die demokratische Ordnung eingeläutet. Links ist heute ein Todeskult. Linke Schläger und linke Propagandisten zielen aufs Selbe, sie unterscheiden sich nur in den Waffen.

»Schön war’s!«

Als 2019 endete, rief so mancher: »Endlich vorbei!« – Das ist neu. Ich habe jahrzehntelang auf den Kölner Brücken gefeiert. Es lässt mir eine Gänsehaut über den Rücken laufen, wie präzise das Lied »Erster Erster« von »Erdmöbel« so viele meiner früheren Silvesterfeiern beschreibt: »mitten könnt ich durch, reißen mich vor Glück, kurz vorm blick zurück sind raketen, über unter mir, bienen und böller, leuchtende propeller, sekt- und schneeregen, auf den brücken stehn, rauf bis zero von zehn, kann ich euch zählen sehn, erster erster«). Ich spüre noch den kalten Wind auf der Severinsbrücke, ich höre noch das Pfeifen der Bienen und Raketen, ich schmecke noch den Sekt auf meiner Zunge. Wir riefen damals, Jahr um Jahr: »Schön war’s!«, wir gaben und bekamen Küsschen, und sagten: »Schön war’s mit dir!«, wir freuten uns auf’s neue Jahr, mit unseren Lieben, mit all den anderen lieben Menschen in Köln.

Ein anständig erzogenes Kind sollte gelernt haben, dass man nicht die Menschen angreift, die ihr Leben riskieren, um unser Leben zu retten und zu schützen (was natürlich die Frage stellt, was in der Erziehung linker Schläger schief gelaufen ist – wir ahnen es).

Der Zweck eines Hauses ist es, Drinnen und Draußen zu trennen. Kinder bauen sich ein Haus aus Kissen und Decke, und dann verhandeln sie ganz demokratisch, wer hereinkommen darf und wer nicht (und dann bestimmen sie die Regeln, wie man sich drinnen zu benehmen hat, so dass das Ganze einem nicht auf den Kopf fällt).

2019 war heftig und 2020 könnte noch heftiger werden. Mächtige Kräfte kämpfen gegen unsere Grenzen, brutale Kräfte kämpfen gegen unsere Ordnung. Werden wir sie zurückdrängen und aufhalten können? Die haben ein Budget von Milliarden Euro – wir haben ein paar Blogs. Und doch habe ich das Gefühl, dass sie »Nerven zeigen«, denn noch so viele Milliarden lassen »2+2=5« nicht wahr werden. Die müssen jeden Tag aufs Neue gegen die menschliche Sehnsucht nach Wahrheit, Sicherheit und Ordnung ankämpfen – wir können sie piesacken, indem wir ihnen Vernunft und Fakten entgegenhalten, indem wir stur »2+2=4« wiederholen.

Wird David bestehen gegen Goliath und die Schlägerbanden? Ich weiß es nicht. Ich hoffe es. Ich kämpfe dafür. Aber eines weiß ich, weil es das eine ist, das ich garantieren kann: David wird Angst haben, David wird blaue Flecken davon tragen, aber David wird auch ein wenig Spaß haben.

Die wollen Grenzen aufheben und Ordnung zerstören. Wir wollen bewahren, und es gelingt uns immer wieder, und das ärgert die – und das darf uns durchaus Freude schenken!


Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com

Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.

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