Tichys Einblick
Nervosität im Kanzleramt

Versucht die Regierung, die Wahrheit über den Nord-Stream-Anschlag zu verheimlichen?

Nach einem Bericht von „Business Insider“ soll das Bundeskanzleramt interne Ermittlungen wegen Geheimnisverrat eingeleitet haben. Zu den laufenden Untersuchungen will man sich jedoch nicht äußern. Für Nervosität sorgt, dass die Spur nicht nach Russland führt.

Bundeskanzleramt, Berlin

IMAGO/IPON

Der 26. September 2022 wird in die Geschichte eingehen, der Tag, an dem Terroranschläge auf die Nord-Stream-Pipelines verübt wurden. Dabei wurden beide Stränge von Nord Stream 1 und einer der beiden Stränge von Nord Stream 2 unterbrochen. Historisch besitzt das Ereignis die Dimension des Reichstagbrands von 1933 in seiner staatspolitischen Wirkung der Destabilisierung, mit dem Unterschied, dass man eines Tages nicht nur die höchstwahrscheinliche, sondern die präzise Wahrheit über den Anschlag erfahren wird. Und die Wahrheit könnte eine zerstörerische Wirkung in immer instabiler werdender wirtschaftlicher und damit politischer, schließlich in gesamtgesellschaftlicher Situation entfalten. Der Tag der Wahrheit wird wohl kein schöner sein und er wird zur berühmten Unzeit kommen.

Für die Öffentlichkeit treten die Ermittlungen bisher auf der Stelle. Man gewinnt den Eindruck, die Ampel-Regierung möchte, dass der Anschlag in Vergessenheit gerät, dass sie lieber nicht offiziell wissen will, wer die Energiesicherheit Deutschlands, wer Deutschland militärisch angegriffen hat. Wissen würde die Bundesregierung zum Handeln verpflichten.

Ein Indiz dafür, dass der Bundeskanzler zumindest wissen könnte, wer hinter dem Anschlag steckt, liefert nun eine Recherche von Business Insider. Nach einem Bericht des Mediums soll das Bundeskanzleramt interne Ermittlungen gegen unbekannt wegen Geheimnisverrat eingeleitet haben. Dazu äußerten sich gegenüber Business Insider weder das Bundeskanzleramt, noch der Bundesnachrichtendienst. Kein Dementi darf man wohl als Bestätigung verstehen, denn wenn die internen Ermittlungen nicht stattfinden, könnten Bundeskanzleramt und BND sie dementieren. Zu laufenden Ermittlungen wolle man sich nicht äußern, heißt es. Also doch!

Wie brisant die Angelegenheit ist, zeigt, dass nicht der BND die Ermittlungen veranlasst habe, sondern sie vom Bundeskanzleramt höchst selbst angeordnet worden sein sollen. Ein Mitarbeiter des BND soll Informationen über die Ermittlungen nicht an einen ausländischen Geheimdienst, sondern an die Presse weitergegeben haben. Hätte der BND Beweise oder genügend belastbare Hinweise darauf, dass Russland und Putin hinter dem Terroranschlag stecken, was interessierte Kreise versucht haben zu streuen, würde der „Verräter“ aus dem BND vermutlich vom Bundeskanzleramt das Bundesverdienstkreuz verliehen bekommen. Russland als Schurke in dieser hochbrisanten Affäre wäre eine Entlastung.

Nun ist es aber nicht an dem. Stattdessen führen die Spuren zu den mutmaßlichen Tätern wohl in die Ukraine. Business Insider schreibt: Grund für die hohe Nervosität „sind Berichte darüber, dass die Spuren zu den mutmaßlichen Tätern bei Nord Stream in die Ukraine führen. Demnach soll eine sechsköpfige Gruppe mit gefälschten Pässen eine Jacht gemietet und unbemerkt die Sprengsätze in gut 80 Meter Wassertiefe gelegt haben. Mitglieder der Truppe sollen ukrainische Staatsbürger sein.“ Business Insider sollen Unterlagen vorliegen, die auf eine Tatbeteiligung „von ukrainischen Staatsbürgern hindeuten“.

Diese Berichte bestätigen meine nach dem „Cui bono?“-Prinzip getroffene Vermutung unmittelbar nach dem Bekanntwerden des Angriffs auf die deutsche Energiesicherheit, dass Ukrainer (Geheimdienst?, Militär?, Spezialkräfte?) hinter den Terrorakt stecken. Wäre es so, würde eine polnische Unterstützung in den Bereich der Wahrscheinlichkeit rücken. Unwahrscheinlich jedoch ist, dass, wenn der Terror-Akt gegen Deutschland von der Ukraine ausging, die Amerikaner davon nichts gewusst hätten. Wären aber die Amerikaner im Bilde gewesen, dann dürfte auch Bundeskanzler Scholz persönlich informiert worden sein. Und hier schließt sich der Kreis, denn der Bundeskanzler verspürte in diesem Fall sicher kein Verlangen, dieses Wissen mit der Öffentlichkeit zu teilen.

Die Folgen wären enorm, gar nicht abzuschätzen. Steckten hinter dem Anschlag Ukrainer, würde das im Klartext bedeuten, dass ein kriegerischer Akt gegen Deutschland von einem Land verübt worden wäre, das Deutschland mit Milliarden Euro Steuergelder unterstützt. Gelder von Bürgern, deren Gaspreise durch die Decke gingen, die nur stabilisiert werden konnten durch die Verstaatlichung von Uniper und durch die Subventionierung der Gaspreise – alles natürlich aus dem Steueraufkommen und schuldenfinanziert, also durch künftige Steuereinnahmen. Wenn in Deutschland die De-Industrialisierung Fahrt aufnimmt, dann zuallererst durch die hohen Energiepreise, die auch durch die hohen Gaspreise verursacht werden.

Sollten diese Spuren tatsächlich in die Ukraine führen, wäre die Bundesregierung zum Handeln gezwungen, sie wäre gezwungen, die Unterstützung der Ukraine einzustellen und rechtliche Schritte einzuleiten. Denn die Sprengung der Pipelines stellt einen kriegerischen Angriff auf die Souveränität Deutschlands dar. Dann hätten weder die USA, noch Polen, noch die Ukraine ein Interesse daran – und der Bundeskanzler wohl auch nicht, zu ermitteln, wer für den Anschlag auf die deutsche Energiesicherheit verantwortlich zeichnen würde.

So wird die Frage, wer die Gas-Pipelines wirklich gesprengt hat, zum bestgehüteten Geheimnis der Bundesrepublik. Die Nervosität scheint hoch zu sein, müsste sie auch, wenn tatsächlich die Spur in die Ukraine führt.

Lächerlich wäre es allerdings nicht, wenn das stimmt, was Business Insider schreibt: „Insider berichten, dass BND-Mitarbeiter, die an dem Thema Nord Stream arbeiten, gesonderte Geheimhaltungsverträge unterschreiben mussten. Bei Bruch der Vertraulichkeit soll eine Gefängnisstrafe drohen.“

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