Tichys Einblick
Blasen-Ökonomie

Nicht Spekulanten sind das Problem, sondern Zentralbanken

Spekulanten sind das moderne Monster Godzilla. Dabei sind sie eher die, die Probleme sichtbar machen. Die Zentralbanken im Kampf gegen Spekulanten retten die Welt vor Problemen, die sie durch die Blasenökonomie selbst schaffen.

© Thomas Lohnes/Getty Images

In den 60er Jahren gab es mal eine Serie japanischer Spielfilme, die sich um das Monster Godzilla drehten, einem turmhohen Abräumer moderner Stadtplanung oder was man damals dafür hielt. Irgendwann war klar, dass der einfache Neuaufguss des immer neu erwachenden und aus seiner Vulkanhöhle kriechenden Ungeheuers so fade schmeckte, wie der Grüne Tee nach dem 11. Aufguss und so mussten die Produzenten die Story erweitern. Das war der Startschuss für die Godzilla versus Soundso oder diesunddas Monstrum-Filme, die trotz oder gerade wegen ihrer doch sehr einfachen technischen Machart heute von einer hartnäckigen Fangemeinde für Kult gehalten werden.

So ähnlich wie den Helden dieser Movies ergeht es uns gerade auch. Der Sozialismus kriecht zum x-ten Male aus seiner Höhle oder seinem Amazonassumpf und dräut am Horizont als Wohlstandbedrohung herum. Spanische/kubanische/russische BürgerkriegsnostalgikerInnen mit erigiertem I und Che-Guevara Baretten auf den 140-Euro Mädels-Frisuren finden es irgendwie schick, politisch senile Proponenten wie Jeremy Corbyn oder „el presidente“ Maduro zuzujubeln oder sie zu wählen, weil es ihnen irgendwie entgangen ist, dass die Party der Gleichmacher üblicherweise in der Katastrophe endet.

Als ich zu Weihnachten in einer brüderlichen kirchlichen Behördenkritik an dieser Stelle ausgeführt habe, dass die Abwendung von der Ordnung der Freiheit (also der Marktwirtschaft) über kurz oder lang unweigerlich zu einer Hinwendung zur Gewalt führt und dass Bürokratie und Schlange stehen die logischen und notwendigen Zwischenstufen auf dem Weg in diese Barbarei darzustellen, wurde mir von einigen Lesern – nicht ganz zu Unrecht – entgegengehalten, dass die Welt ein wenig komplizierter ist, als von mir am Beispiel des Brotkaufes beschrieben. Es gäbe da noch „Erben“, „Spekulanten“ und was da sonst noch an bösartigen Akteuren unterwegs ist.

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Das ist natürlich richtig, dass die Realität komplizierter ist, als das von mir gewählte Beispiel des Brotpreises. Aber das ist kein Argument gegen den Markt, sondern für den Markt. Warum? Weil der Markt als Informationsverarbeitungssystem mehrere Eigenschaften hat, über die die Bürokratie und Planwirtschaft nicht verfügen und nie verfügen können, die aber für eine ordentliche Lösung des Problems effizienter Güterallokation dringend erforderlich sind: Erstens zwingt der Markt alle seine Akteure zur Offenlegung ihrer Präferenzen. Niemand wird beim freiwilligen Tausch mehr für eine Sache bezahlen, als sie ihm wert ist. Diese Information fließt dann in die Preisbildung mit unzähligen Teilnehmern auf der Angebots- und auf der Nachfrageseite ein. Der Staat und seine Schergen können aber nie wissen, wie die Bedürfnisse der Wirtschaftssubjekte sind. Sie können darüber nur Mutmaßungen anstellen. Alleine schon deshalb sind sie zur Ineffizienz verurteilt, die sich in der Regel darin ausdrückt, dass nicht die Bedürftigsten vom Staat Güter bekommen, sondern die Lautstärksten. Man nennt das beschönigend den politischen Prozess. In Wahrheit ist es nur eine Form struktureller Gewalt, weil der Staat nichts verteilen kann, was er nicht vorher jemandem weggenommen hat.

Zweitens bewältigt der Markt ein Ausmaß an Komplexität, das jede Bürokratie überfordern würde. Das gilt auch im Zeitalter der scheinbar billigen und unbegrenzten Rechenkapazität, weil die Verheimlichung der wahren Präferenzen vor dem bürokratischen System nichts weiter hervorbringt als „Garbage-in Garbage-out“.

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Der Markt hingegen ist in der Lage, über die Preisbildung für jedes einzelne Gut dessen relative Knappheit optimal abzubilden und so nicht nur die Kosten bei der Herstellung, sondern auch die komplexen Zulieferbeziehungen, den technischen Fortschritt (der z.B. die relativen Knappheiten von Rohstoffen permanent verändert) und nicht zuletzt die Dynamik sich ständig verändernder und weiter entwickelnder Nachfrage und ihrer Strukturen darzustellen. Damit ist der Markt paradoxerweise das beste System der kollektiven Informationsverarbeitung, das die Menschheit in ihrer bisherigen Zivilisationsgeschichte hervorgebracht. Paradox deshalb, weil diejenigen, die im Namen des Gemeinwohls dauernd etwas von Kollektiv, Gemeinschaft und Brüderlichkeit faseln, ausgerechnet das beste System eben dieser Willensbildung des Kollektivs verachten und bekämpfen.

Ersetzen möchten Sie es durch den Plan, die bürokratische Willensbildung, die das Wissen vieler, das der Markt verarbeitet, durch das Wissen weniger (meistens selbsternannter Wächter der Gerechtigkeit), das die Bürokratie verarbeitet, ersetzt. Deshalb weigere ich mich, die Komplexität der Realität als ein Argument gegen den Markt zu akzeptieren. Im Gegenteil: Je komplizierter die Dinge liegen, desto überlegener ist der Markt dem Plan. Die, die ihm nicht vertrauen, leiden daher entweder unter Kontrollwahn oder haben eigennützige Motive; meistens beides.

Kommen wir zu den vermeintlichen Bösewichten, die dieses Marktparadies stören. Die Erben lasse ich hier jetzt mal weg, da ich auch bei längerem Nachdenken nicht drauf gekommen bin, warum das Erben so eine böse Sache ist, zumal es viele Menschen dazu motiviert, hart zu arbeiten, um ihren Kindern etwas zu hinterlassen.

Aber die Spekulanten, diese Lieblingsopfer der links-grün-staatsbürokratischen Inquisition, die sind jetzt fällig. Nur nicht so, wie sich die Kritiker der Marktwirtschaft das jetzt denken. Und sehen Sie es mir bitte nach, dass ich dabei wieder auf das Beispiel von Brot und Weizen zurückgreife, aber es eignet sich eben so wunderbar zur Erklärung des Prinzips.

Meine Ansage: Spekulation ist in Wahrheit etwas Gutes. Gerade am Beispiel des Weizens kann man das ganz wunderbar demonstrieren.

Stellen Sie sich vor, sie analysieren Angebot und Nachfrage von Weizen und kommen daher darauf, dass Weizen nächstes Jahr wahrscheinlich knapper wird. Wenn Sie dann klug sind, werden Sie Weizen kaufen und darauf spekulieren, dass sein Preis steigt, so dass Sie einen Gewinn machen können, falls und wenn sie recht behalten. Das wiederum erhöht die Nachfrage nach Weizen schon jetzt und erhöht dadurch seinen Preis. Wenn Sie jetzt ein Linker sind, dann sagen Sie: „Seht ihr es! Habe ich doch gesagt! Der Spekulant ist ein Verbrecher, er hortet den Weizen und macht ihn dadurch teurer. Der kleine Mann zahlt drauf!“ So argumentiert natürlich der, der ungefähr so weit denkt, wie ein Lama spuckt.

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Denn der schon jetzt steigende Weizenpreis hat eine enorm wichtige Steuerungswirkung: Er gibt den Produzenten ein Knappheitssignal und veranlasst sie mehr in die Produktion von Weizen zu investieren. Die Folge: Die produzierte Menge steigt, die Knappheit fällt geringer aus und per Saldo zahlt der kleine Mann weniger für den Weizen. Der linke Planwirtschaftler hat sich beim Eintreten dieses Vorteils aber schon anderen Problemen zugewandt, die seinen Gerechtigkeitssinn und seine Empörungspapillen so angenehm kitzeln. Deshalb bekommt er das Nettoergebnis gar nicht mehr mit. Es interessiert ihn auch nicht.

Und was, wenn der Spekulant Unrecht hatte? Hat er dann nicht den Markt verzerrt und so den Wohlstand verkleinert? Hat er theoretisch, aber er bezahlt das mit dem Verlust seines Spekulationseinsatzes und scheidet aus dem Markt aus. Diejenigen, die besser analysiert haben, gewinnen und bleiben im Markt. Das ist ein evolutionärer Prozess, der den Markt im Laufe der Zeit immer effizienter macht. Es ist also ein getretener Quark, dass die Spekulation die Funktionsfähigkeit von Märkten beeinträchtigen würde. Umgekehrt wird ein Schuh draus.

Da fragt man sich natürlich, warum die Spekulation an den Finanzmärkten durch das Schaffen von Blasen schuld an der Katastrophe der Finanzmarktkrise sein sollte, wo diese doch eindeutig Marktineffizienzen zu Tage gefördert hat. Das soll hier nicht in Abrede gestellt werden. Schuld war aber nicht die Spekulation, sondern die Geldpolitik. Wie bitte? Ja, Sie haben richtig gehört. Die Geldpolitik war schuld.

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Und das geht so: Für den Beitrag der Spekulation zur Markteffizienz ist es unerlässlich, dass fehlgeschlagene Wetten durch den Verlust des Einsatzes abgestraft werden, wie oben beschrieben. Wenn ein großer Deus ex Machina, in unserem Falle in Gestalt der Notenbanken, die schief liegenden Spekulanten, die der Markt eigentlich aussortieren sollte, andauernd vor den Folgen ihres unprofessionellen Tuns rettet, dann verkehrt sich die Wirkung der Spekulation in ihr Gegenteil. Genau das ist in den letzten Jahrzehnten andauernd passiert. Jedes Mal, wenn Blasen an den Aktien- und Anleihemärkten zu platzen drohten, wurden die Inhaber von Fehlspekulationen mit der Kraft der Druckerpresse durch das Fluten der Märkte mit Liquidität und Zinssenkungen gerettet. Die, die schief lagen, wurden reich, die, deren ökonomische Analyse korrekt war, wurden arm. Oder sie änderten ihre Strategie, pfiffen auf die ökonomischen Zusammenhänge und taten das, was die Anderen auch taten: Wetten darauf, dass ihnen die Zentralbanken ihren goldgepuderten Hintern retten, wenn es eng wird. Die Geldpolitik hat die Spekulanten zur Fehlspekulation erzogen.

Gleichzeitig hat sie diejenigen, die auf ihre vorhersehbaren Rettungsaktionen wetteten, unvorstellbar reich gemacht und so die größte Umverteilung von unten nach ganz oben in Gang gesetzt, seit ein römischer Kaiser den Spruch Pecunia non olet prägte (Geld stinkt nicht).

Das tut sie gerade wieder. Nur mit mehr Feuerkraft als je zuvor in der Geschichte der Menschheit seit dem Untergang von Atlantis. Ich bin sicher, wenn es knallt, wird man bei den Linken, in der EZB und bei den Vorreitern der Herrschaft der Bürokratie mit dem Finger auf die Märkte zeigen und irgendeinen unpräzisen, aber süffigen Unsinn von verbrecherischen Spekulanten nuscheln. Das ist ja auch billiger und bequemer, als nach der tatsächlichen Ursache zu suchen.