Tichys Einblick
800 Berliner Schulen:

Warnung vor „nationalem Vergewaltigungstag“ als stilles Eingeständnis des Versagens

Ein TikTok-Aufruf zum „nationalen Vergewaltigungstag“ behauptet fälschlicherweise, Vergewaltigungen wären an diesem Tag straffrei. In Berlin hält man es aber dennoch für geboten, die 800 Schulen zu warnen, um Sicherheit und Wohlergehen der Schüler zu gewährleisten.

Katharina Günther-Wünsch (CDU), Berliner Senatorin für Bildung, Jugend und Familie

picture alliance/dpa | Annette Riedl

Dass das Internet, allen voran TikTok, voller Trends zweifelhafter Couleur ist, überrascht nun wahrlich niemanden mehr. Für ein wenig Internetruhm sind manche Menschen bereit, bis hin zur Selbstverstümmelung zu gehen. Doch auch Trends, die dazu aufrufen, anderen Menschen Gewalt anzutun – wie das vor einigen Jahren grassierende „Happy Slapping“ – sind mittlerweile nicht mehr unüblich. Der traurige Höhepunkt dieser Entwicklung ist das neue Aufflammen eines Aufrufs zum „National Rape Day“, also dem „Nationalen Vergewaltigungstag“, an dem Vergewaltigungen angeblich straffrei sein sollten.

Man könnte meinen, dass es sich dabei nur um einen geschmacklosen Scherz handelt. Vermutlich war es auch als solcher gemeint, als das Gerücht erstmals vor einigen Jahren auf TikTok auftauchte. Doch die Tatsache, dass die Berliner Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch (CDU) es für angemessen hielt, einen warnenden Brief an die rund 800 Schulen Berlins zu versenden, in dem sie diese dazu aufrief, Vorkehrungen zu treffen, „um die Sicherheit und das Wohlergehen unserer Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten“, spricht Bände über die Einschätzung der Zustände an den Schulen der Hauptstadt im Berliner Senat.

Denn zumindest scheint das Video, das zu angeblich straffreien sexuellen Übergriffen an diesem Tag animiert, auf Schulhöfen und in Chats geteilt zu werden. Grund genug für die Bildungssenatorin, um die Gefahr solcher Übergriffe so hoch einzustufen, dass es der Warnung und Schutzvorkehrungen bedarf. Lehrer sollten „Bewusstsein“ für Fake News schaffen und Schüler, die das Thema ansprechen, sollten ernst genommen werden.

Doch abgesehen davon, ob tatsächlich Schüler der Falschinformation erliegen könnten, Vergewaltigungen wären am 24. April straffrei, ist es vor allem bezeichnend, dass es mittlerweile scheinbar eine Frage der Strafbarkeit – und nicht einer grundlegenden moralischen Überzeugung – ist, ob Vergewaltigungen zur verlockenden Freizeitaktivität für Jugendliche werden, oder nicht.

Die Warnung von Günther-Wünsch ist ein stilles Eingeständnis, dass in vielen deutschen Schulen der moralische Kompass mittlerweile vollends abhanden gekommen ist. Das Versagen des Schulsystems bei der Integration, sowie der Vermittlung sogenannter Normen und Werte, tritt in diesem Warnbrief deutlich zu Tage und demaskiert die Lügen der letzten Jahrzehnte über tolerante, respektvolle und weltoffene Schulen im Herzen der Republik. Eingeschüchterte Mädchen bezahlen nun dafür mit einem Tag der Angst, an dem sie zu Freiwild erklärt wurden.

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