Tichys Einblick
Artikel in "antifa"-Zeitschrift

Innenministerin Nancy Faeser: Flirt mit dem linksextremen Rand

Die neue Innenministerin will vor allem den Rechtsextremismus bekämpfen. Gegenüber der anderen Seite des politischen Extremismus zeigt sie ein anderes Gesicht: Für eine vom Verfassungsschutz beobachtete, linksextreme Zeitschrift schrieb sie sogar einen Beitrag.

IMAGO / Political-Moments

Es passiert selten, dass eine bei Amtsantritt so unbekannte Ministerin wie Nancy Faeser wenige Wochen später in aller Munde ist. Außerhalb ihrer Heimat hatte niemand die 51 Jahre alte Hessin auf dem Schirm. Doch wer kurz recherchierte, dem fiel auf, was ihn mit der neuen Bundesinnenministerin erwarten würde. Wer Türkisch als Fremdsprache an Schulen vehement einfordert und eine fast obsessive Passion für die NSU-Morde empfindet, muss nicht gleich im Verdacht stehen, linksradikal zu sein. Was viel auffälliger bei Faeser ist: Es gibt kaum Hinweise auf moderate Positionen.

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Alles, was sie anfasst, geschieht im Modus des Äußersten. Ihren Amtsantritt stellt sie sofort unter die Prämisse des Kampfs gegen Rechtsextremismus. In der Migrationspolitik muss es das Maximum sein, im Zweifel eine „Koalition der Aufnahmebereiten“. Den Messengerdienst Telegram will sie am liebsten direkt „abschalten“. Wer „Hass und Hetze“ im Internet betreibt, müsse mit der Polizei rechnen, droht sie. Und Versammlungsfreiheit endet für sie da, wo sie sich gegen die Corona-Maßnahmen wendet, weil sie von Rechten unterwandert werden könnte.

Auffällig ist, gegen wen sie sich nicht wendet. Obwohl der fünfjährige Gedenktag des Anschlags auf den Breitscheidplatz in den Beginn ihrer Amtszeit fällt, hört man wenig von der islamistischen Gefahr. Nie ist die Rede von Abschiebungen jener, die schon längst nicht mehr in Deutschland sein dürften. Dass auf vielen sozialen Medien täglich radikale Propaganda von den unterschiedlichsten Gruppen betrieben wird, ist für sie offenbar ebenso unwichtig wie der Missbrauch des Versammlungsverbotes durch fanatische Öko-Sektierer, die den Berliner Straßenverkehr lahmlegen, ob damals durch Greenpeace an der Siegessäule oder heute durch derangierte Jugendliche, die sich am Asphalt der A100 festkleben.

Faesers Law&Order-Politik – „Es darf nicht den geringsten Zweifel daran geben, dass öffentlich Beschäftigte für die Demokratie einstehen. Verfassungsfeinde werden wir schneller aus dem Dienst entfernen als bisher“ – hat von Anfang an linke Schlagseite. Wer so hohe Maßstäbe anlegt, wenn es um Gesetzestreue geht, muss sich daran messen lassen, ob er selbst eine reine Weste hat. Der Jungen Freiheit ist vor wenigen Tagen ein Coup gelungen: Sie hat herausgefunden, dass Faeser noch vor einem halben Jahr einen Artikel in der linksextremen Verbandszeitschrift antifa veröffentlicht hat. Sie wird von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten, kurz VVN-BdA, herausgegeben.

Der Bayerische Verfassungsschutz hat die VVN-BdA in seinem aktuellen Jahresbericht als „die bundesweit größte linksextremistisch beeinflusste Organisation im Bereich des Antifaschismus“ bezeichnet. Sie arbeite „mit offen linksextremistischen Kräften“ zusammen. Die VVN-BdA vertrete einen Antifaschismus, der in letzter Instanz auch die parlamentarische Demokratie als faschistisch betrachte und deshalb bekämpfe. Die SPD hatte diese extremistische Auffassung der VVN zum Anlass genommen, einen Unvereinbarkeitsbeschluss zwischen der Mitgliedschaft in der VVN und der SPD zu verabschieden. Er wurde erst 2010 aufgehoben.

Faesers Artikel geht dabei nicht über die üblichen Parolen hinaus. Er ist ein Empfehlungsschreiben, der ihre Kompetenz in der Causa NSU-Morde unterstreichen soll. Die Aufklärung der NSU-Attentate ist einer der zentralen Aspekte in Faesers Karriere, sie war Obfrau im hessischen NSU-Untersuchungsausschuss und bekam Drohbriefe vom sogenannten „NSU 2.0“. Der Aufhänger ihres Artikels bei antifa ist das Drohschreiben. Die Juristin will als Rechtsextremismus-Bekämpferin auftrumpfen, als Streiterin für eine inhärent gute Sache. Es dient in einer ausgelaugten Partei der schärferen Profilierung. Faeser hat Ambitionen, 2023 Ministerpräsidentin in Hessen zu werden. Sie braucht Publicity, kann aber selbst beim Flirt mit dem linken Rand gewisse Brandmauern nicht überschreiten, um vorzeigbar zu bleiben.

Inhaltlich gibt es demnach nichts, was Faeser politisch belasten könnte, wäre es bei ihrer bloßen Rolle als hessische SPD-Chefin geblieben. Als Bundesinnenministerin untersteht ihr jedoch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Die Frage ist, wie glaubwürdig es ist, die Extremmeinungen der einen Seite zu verurteilen und die der anderen Seite zu goutieren. Hätte sich ihr Vorgänger Horst Seehofer dergleichen erlauben können, ohne vom linken Mob in Presse und sozialen Medien gelyncht zu werden?

Der Fall hat längst die Junge Freiheit verlassen. Spätestens nachdem die BILD-Zeitung das Thema aufgespießt hat, ist es nun publik. Kritik kommt von CDU/CSU und AfD, auch von einigen FDP-Mitgliedern. „Wie die linksextremistisch beeinflussten Herausgeber des Magazins diffamiert Faeser in kommunistischer Manier alle Positionen als faschistisch oder rechtsextremistisch, die vom linken Rand des politischen Spektrums abweichen“, sagt AfD-Innenexperte Martin Hess. „Die SPD ist auf dem linken Auge weitgehend blind“, konstatiert CDU-Innenexperte Christoph de Vries.

Dass aber die Causa Faeser nicht ansatzweise die Ebene erreichen wird, die sie erreichen sollte, ist absehbar. Der „Faeserismus“ (Alexander Wendt) steht auf den Säulen der kulturellen Hegemonie der Linken im Land. Linksautoritarismus ist in Deutschland möglich, weil er willige Vollstrecker und Unterstützer hat. Nicht Wahrheit, sondern die Deutung durch linke Organisationen, Aktivisten und Mitläufer bestimmen die Meinungsbildung. Dazu gehört, dass man keine Fehler eingesteht, sondern diese im Gegenteil als richtig verkauft, und auf Angriff schaltet. Während Konservative in Demut versinken sollen, spielt die Linke den Ball zurück.

Faesers Parteikollege Marc Dietzschkau etwa strickt zwei Narrative, die auch in sozialen Medien eine Rolle spielen. Er insinuiert eine Kampagne rechter Medien und rechter Parteien, die ja sowieso gegen Antifaschismus – damit de facto: faschismusverdächtig – seien.

Screenprint via Twitter / Marc Dietzschkau

Ein Gedankengang, der in etwa die Logik von Faesers eigener politischen Strategie widerspiegelt. Zugleich nimmt er die VNN in Schutz. Wer einen solchen Namen trägt, muss per se unschuldig sein und kann gar nicht im Verdacht unlauterer Gesinnung stehen. Ein Narrativ, welches auch andere User in sozialen Medien aufnehmen: Hier wird gegen eine Interessenvertretung von NS-Opfern vorgegangen. Nicht Faesers Artikel in einer vom Verfassungsschutz beobachteten Zeitschrift war ein Fehler, sondern die Beobachtung durch den Verfassungsschutz ist „bekloppt“.

Es sollte daher nicht verwundern, dass die Reaktion auf Faesers Fehlverhalten in der Öffentlichkeit nicht etwa ein Rücktritt, sondern das Hashtag #HaltdieFresseBild ist. Zugleich lancieren Spiegel und andere Medien des Spektrums eine subtile Gegenkampagne, indem sie von der aktuellen Führung durch das Aufwärmen der Maaßen-Story den Begriff „Verfassungsschutz“ nunmehr mit der „Verfehlung“ des ehemaligen Chefs des Bundesamtes für Verfassungsschutz besetzen, der sich gegen ein härteres Vorgehen gegen die AfD gestellt hätte. Der Diskurs betrachtet lieber alte Probleme als aktuelle Amtsträger.

Dass die neue Regierung zudem kritische Anfragen – etwa beim Bundesinnenministerium oder auch beim Bundesgesundheitsministerium – schlicht nicht mehr beantwortet, ist ein Kavaliersdelikt geworden. Und dass Webseiten in kritischen Situationen offline gehen (so etwa am Samstagmittag), gehört auch zur neuen Normalität. Es sind heute die einzigen Eingeständnisse, dass etwas schiefgelaufen ist. Ansonsten: Vielleicht könnte Frau Faeser sich an ihren eigenen Ansprüchen orientieren?

Update von 20:25: Die Webseite von Nancy Faeser ist bereits seit dem 22. Januar nicht mehr verfügbar.