Tichys Einblick
Nach Stuttgart

Aufklärung ohne Tabus

Wir müssen nüchtern darüber nachdenken, warum solche Täter wie die von Stuttgart offenbar einen Reiz darin sehen, ihre Aggression mit der Religion zu verknüpfen.

imago images / Arnulf Hettrich

Erschütterung und Entsetzen – die Reaktionen auf den Gewaltausbruch in Stuttgart fallen unisono gleich aus. Das ist verständlich, denn es erschreckt tatsächlich, wenn man sieht, welches hohe Maß an Gewaltbereitschaft die Täter an den Tag gelegt haben. Aber das allein festzustellen, reicht nicht aus. Erstens war so ein „Event der Gewalt“ nicht wirklich überraschend. Polizisten werden mit diesem Phänomen, wenn auch in kleinerem Ausmaß, in ganz Deutschland konfrontiert, vor allem in den großen Städten. Zweitens hilft alles Wehklagen nichts, wenn nicht endlich vorurteilsfrei und offen über die Ursachen dieser Gewaltaffinität gesprochen wird. Ahmad Mansour hat im Gespräch mit dieser Zeitung gezeigt, in welche Richtung eine solche Debatte gehen sollte. Das Gewaltmonopol des Staates wird in diesen Tätergruppen systematisch verachtet. Diejenigen, die diese Verachtung ständig spüren müssen, sind die Polizisten.

Polizisten sind das Gesicht unseres Staates

Sie sind sozusagen das Gesicht unseres Staates, ja letztlich von uns allen in dieser täglichen Auseinandersetzung. Dafür verdienen sie unsere Achtung und unsere Unterstützung – nicht ein latentes Misstrauen gegenüber ihrer Rechtsstaatlichkeit und Rechtschaffenheit. Schließlich darf hier auch nicht ausgeklammert werden, dass einige der Täter von Stuttgart „Allahu Akbar“ gerufen haben, während sie die City verwüsteten. Hier die Ursachen zu klären, liegt vor allem im Interesse der friedlichen Muslime, die in diesem Ruf das erkennen, was es ist: einen Missbrauch ihrer Religion.

Gleichzeitig müssen wir aber nüchtern darüber nachdenken, warum solche Täter offenbar einen Reiz darin sehen, ihre Aggression mit der Religion zu verknüpfen. Was ist hier in der Erziehung falsch gelaufen? Darüber müssen Eltern und Familien, aber auch Lehrer und die Verantwortlichen in den Moscheegemeinden gemeinsam sprechen. Vor allem aber Lösungen finden. In Erschütterung können sich diese nicht erschöpfen.


Dieser Beitrag von Sebastian Sasse erschien zuerst in Die Tagespost. Katholische Wochenzeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur. Wir danken Autor und Verlag für die freundliche Genehmigung zur Übernahme.

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