Tichys Einblick
Migrationskonferenz Uni Frankfurt

Wie der Streit um ein Wort eine wichtige Veranstaltung desavouiert

Der wiedergewählte Tübinger OB Boris Palmer geht den woken Gegnern einer Reformierung der Migrationspolitik in Deutschland auf den Leim und beschädigt so die Reputation einer ebenso hochwertigen wie ertragreichen Veranstaltung.

IMAGO / Schöning

Wer einen Eindruck vom Niedergang der politischen Kultur in Deutschland gewinnen will, konnte dies am vergangenen Freitag kurz vor Ende einer Konferenz zum Thema Migration an der Universität Frankfurt tun. Zu ihr hatten die Leiterin des Frankfurter Forschungszentrums Globaler Islam (FFGI), Susanne Schröter, und der Vorstandsvorsitzende der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung, Frank-Jürgen Weise, eingeladen. Unter der Schirmherrschaft des hessischen Ministerpräsidenten Boris Rhein wurden unter dem Titel „Migration steuern, Pluralität gestalten“ von ausgewiesenen Experten aus Wissenschaft und Praxis Herausforderungen der Einwanderungspolitik in Deutschland beschrieben und diskutiert.

Ziel der Veranstalter war eine Debatte kontroverser Konzepte, „auch vor dem Hintergrund prekärer Entwicklungen in den Kommunen, im Bildungssektor, in der Justiz, sowie in staatlichen Institutionen, die mit der Administration von Verfahren befasst sind“.

Dass daran in Deutschland ein dringender Bedarf besteht, bestreiten inzwischen nur noch politische Ignoranten wie Innenministerin Nancy Faeser. Das zeigt unter anderem die für eine universitäre Veranstaltung eher hohe wie ungewöhnliche Zusammensetzung der rund 200 Teilnehmer, die mehrheitlich nicht aus der Wissenschaft, sondern aus Landesministerien, kommunalen Verwaltungen, Schulen, Stadträten, Personaldienstleistern und anderen öffentlichen oder halböffentlichen Bereichen kamen. Das Interesse an einer Teilnahme war sogar so stark, dass die Veranstalter rund 300 Personen mangels ausreichender Raumkapazitäten ihre Teilnahme verweigern mussten. Sie konnten an der Veranstaltung aber in einem Livestream teilnehmen.

Das starke öffentliche Interesse an der Teilnahme an einer Veranstaltung mit Experten, die mehrheitlich für ihre mehr oder weniger stark ausgeprägte kritische Haltung gegenüber der in Deutschland seit Jahren praktizierten Migrationspolitik bekannt sind, war dann wohl auch der Grund dafür, dass schon in ihrem Vorfeld nicht nur seitens einiger Politiker und des AStA der Universität Frankfurt, sondern auch mit einem anonymen Brief „einiger wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen“ Stimmung gemacht wurde. Dort ist unter anderem zu lesen, auf der Veranstaltung werde „mehreren Personen des öffentlichen Lebens“ eine Plattform geboten, „die sich in den letzten Jahren auf zahlreichen Kommunikationswegen rechtsoffen und explizit rassistisch geäußert haben“ – ohne diese Personen beim Namen zu nennen.

Dieses offen diffamierende Vorgehen aus Teilen des akademischen Mittelbaus und der Studentenschaft gegen Kritiker einer fehlgeleiteten Migrationspolitik wie etwa Ahmad Mansour, Ruud Koopmanns und Sandra Kostner entbehrt nicht einer gewissen traurigen Ironie an einer Universität, an der einst die Vordenker und Ikonen einer kritischen Gesellschaftswissenschaft, Theodor W. Adorno und Max Horkheimer, gelehrt und geforscht haben. Getoppt wird sie noch dadurch, dass die Vertreter eines offenkundig dem extrem-neoliberalen Konzept grenzenloser Migration in globale Arbeitsmärkte anhängenden AStA erklärten, der im Titel der Veranstaltung formulierte Anspruch einer diesem Konzept entgegengesetzten Steuerung von Migration sei ein Beleg für deren „rechte“ Ausrichtung. Etwas Nachhilfe in Fragen „rechter“ und „linker“ Migrations- und Arbeitsmarktpolitik wäre hier dringend geboten. Er würde vermutlich bei diesen Vertretern der Frankfurter Studentenschaft aber nichts bewirken, deren „Wokeness“ (Erwecktheit) schon dem Namen nach dem Verhalten religiöser Sekten und nicht dem Verhalten eines respektablen, akademisch gebildeten Nachwuchses entspricht.

Glosse mit Buchstabensalat
Nicht nur das N- auch das P-Wort und das R-Wort geächtet – Vorsicht beim Sprechen!
 Vor diesem Hintergrund musste die Veranstaltung notgedrungen unter starkem Polizeischutz stattfinden, begleitet von einem studentischen Brüllchor vor dem Veranstaltungsgebäude. Dieser beschimpfte die Teilnehmer der Veranstaltung, die während den Pausen das Gebäude zum Luftschnappen verließen, lauthals als Rassisten und Nazis. Den Verlauf der Veranstaltung selbst beeinträchtigte diese Störaktion dank der Präsenz der Polizei zunächst nicht, so dass sie mit einem Grußwort des hessischen Justizministers Roman Poseck (CDU) planmäßig beginnen konnte.

Auch er betonte, wie die beiden Veranstalter, wie dringend geboten eine ebenso tabulose wie intensive Debatte über die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen einer offenkundig fehlgeleiteten Migrationspolitik ist. Diese seien inzwischen nicht mehr zu übersehen und beunruhigten immer mehr Bürger, so dass dem Thema Migration inzwischen eine überragende Bedeutung zukomme. Mit Blick auf den für den 10. Mai geplanten Migrationsgipfel im Bundeskanzleramt erhoffe er sich von der Veranstaltung daher nützliche Anregungen und Vorschläge.

Diesem auch von Susanne Schröter und Frank-Jürgen Weise geäußerten Wunsch kam die Veranstaltung mit ihren vier Schwerpunktthemen

  • Jugend und Bildung
  • Fachkräftemangel und Bürokratie
  • Integration, Sicherheit und Parallelgesellschaften
  • Flucht, Asyl und gesellschaftlicher Zusammenhalt

und den für sie ausgewählten Referenten und Referentinnen auch fraglos nach. Umso ärgerlicher ist es für die Veranstalter, den hessischen Justizminister und die zahlreichen Teilnehmer aus der Migrationspraxis, dass der zu dem Schwerpunkt „Flucht, Asyl und gesellschaftlicher Zusammenhalt“ geladene Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer dem Brüllchor auf den Leim ging, als dieser ihn bei seiner Ankunft vor dem Gebäude mit dem Ruf empfing: „Es gibt kein Recht auf Nazipropaganda“.

Anstatt diese Anwürfe gegen seine Person zu ignorieren und das Gebäude wie geplant zu betreten, konterte er sie mit einem von ihm in Gang gesetzten Streit um sein recht spezielles Verständnis der berechtigten Verwendung des umstrittenen N-Worts. Damit meinte er aber nicht das Nazi-Gebrüll, sondern das Wort „Neger“. Dieser Begriff gilt als beleidigend und herabwürdigend; Palmer bestand auf seiner Verwendung. Der Streit mit den Nazi-Schreiern führte dazu, dass er verspätet in dem Veranstaltungsraum erschien, wo er zunächst über den Vorfall vor dem Gebäude berichtete sowie einen kurzen sprachtheoretischen Vortrag hielt, um seinen Sprachgebrauch zu rechtfertigen. Der Moderator der Veranstaltung quittierte den Dienst. Im Veranstaltungsraum erschienen dann kurzzeitig auch noch zwei Abgesandte des studentischen Brüllchors, vor dem die Teilnehmer bis dahin dort verschont geblieben waren.

Schließlich konnte, mit einiger Verspätung, das letzte Schwerpunktthema mit Palmers Vortrag über das von ihm und einigen anderen Mitgliedern der grünen Partei verfasste „Memorandum für eine andere Migrationspolitik“ abgeschlossen werden. Darin ging es am Beispiel der zunehmenden Überforderung der Kommunen und ihrer Verwaltungen zum Glück wieder um die Frage, wie durch eine Reformierung der Migrationspolitik verhindert werden kann, dass Deutschland nicht nur in Fragen der Energieversorgung, sondern auch in Fragen von Asyl und Einwanderung schon bald vor die Wand fährt.

Es ist vor diesem Hintergrund zu hoffen, dass der Sohn des berühmt-berüchtigten, einstigen Remstal-Rebells Helmut Palmer mit seiner chaotischen Intervention nicht zu sehr zur öffentlichen Desavouierung einer ebenso hochwertigen wie ertragreichen Veranstaltung zum Thema Migration beigetragen hat, auf die ihre Gegner gemeinsam mit einigen Medien schon im Vorfeld hingearbeitet haben. Tichys Einblick wird daher bis zum anstehenden Migrationsgipfel in Berlin über die Veranstaltung weiter berichten, dann allerdings über die Inhalte und Erträge aus ihren vier Schwerpunktthemen.

TE wird über die Inhalte der Veranstaltung weitere Beiträge veröffentlichen.

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