Tichys Einblick
Versehentlich oder wie oder was

Merz-Wunder vor der Sommerpause: Brandmauer weg!?

Es wird also einen heißen Sommer geben. Nix mit Sommerloch! Gut, dass es die Ampel-Hitzepläne gibt. Vor allem für die Union, die ja nun heftigst streiten wird, wie das so ist mit den Brandmauern ... Danke, lieber Herr Merz! Wir warten auf die angekündigten Rechte auch für die rechte „Minderheit“.

Friedrich Merz (CDU), Berlin, 07.07.2023

IMAGO / Panama Pictures

Dass wir das nochmal erleben dürfen! Und das am letzten (Bundes-)Tag vor der Sommerpause. Friedrich Merz positioniert sich. Er zaudert und wackelt nicht. Nein, er bezieht glasklar Stellung. Endlich!

Klar, er musste als Parteichef einer wie Schnee in der Sonne dahinschmelzenden CDU viel durchmachen in den letzten Umfrage-Wochen. Dann hatte er noch solch Koryphäen wie einen Herrn Wanderwitz an der Backe (wer war das noch mal?). Der Sachse plapperte diesmal nicht über das „Demokatiedefizit der Ostdeutschen“, nein, er fordert das Verbot der AfD. Ins selbe Horn stößt Söders Spitzenfrau Dorothee Bär (wer ist das nochmal?), die auch nur diesen sehnlichsten Wunsch hat: den Tod des Quotenrenners aller Umfragen.

Vom Merkelianer zum Ramelowianer
Wer CDU wählt, wählt Ramelow
Und dann noch ein Herr Mohring aus Thüringen (wer war das nochmal?), der seinem Parteichef den (ungebetenen? Ich glaub’s nicht!) Rat gibt, die Brandmauer Richtung links zu schleifen. Mit Herrn Ramelow sei doch gut regieren. Besser mit Vertretern der Mauermörder-Partei als mit den Nazis von der AfD. So wird er’s wohl gemeint haben. Er schwurbelte da etwas drum herum.

Doch jetzt betritt der Chef die Bühne. Endlich ein Machtwort. Er schleift die Brandmauer nach rechts. So, wie es viele seiner Wähler erwarten und erhoffen. Er forderte in seiner letzten Rede (besser: schrillen Intervention) im Hohen Haus vor der Sommerpause „parlamentarische Rechte“ ein. Er hätte auch gleich sagen können: parlamentarische Rechte für die parlamentarische Rechte.

Im Blick auf das sogenannte Gebäudeenergiegesetz und den parlamentarischen Umgang damit sprach, ja schrie er förmlich erregt von einer „Missachtung der Rechte von Minderheiten“  im Parlament. Dieses solle nach einer „Besinnung in der kommenden Sommerpause“ überdacht und geändert werden. Sprich: Rückkehr zur Demokratie durch Einhaltung parlamentarischer Regeln.

Wohlan, lieber Herr Merz! Lassen Sie Ihren Worten Taten folgen: parlamentarische Rechte für die parlamentarische Rechte. Endlich also die der AfD (nach ungeschriebenem Gesetz) zustehenden Posten eines Bundestagsvizepräsidenten und diverser Ausschussvorsitze.

Endlich ist die Brandmauer weg. Denn der Anlass dieser eindringlichen Rede über „parlamentarische Rechte“ war ja dieser: Es sollte der Wirtschaftsminister ins Parlament befohlen werden, der sich (angeblich) zu einer angeblich wichtigen Bundesratssitzung verflüchtigt hatte. Das ist das parlamentarische Recht der Opposition. Wenn sie denn für einen solchen Antrag auch die Mehrheit hat.

Deshalb stellt man nach altem parlamentarischen Brauch einen solchen Antrag auch nur, wenn man sich dieser Mehrheit sicher ist. Es sind also bewusst die Stimmen der AfD einkalkuliert worden, sonst hätte das alles ja keinen Sinn gemacht. Ergo: Brandmauer futsch.

Warum CDU wählen?
Wofür steht der Umfaller Friedrich Merz?
Und besagte Mauer bröckelte bereits am selben Tage im wichtigen Europa-Ausschuss des Bundestages. Dort hatte die AfD den Antrag gestellt, die Beratung des „Energieeffizienzgesetzes“ abzusetzen. Und prompt stimmten die CSU-Abgeordneten Scheuer (der mit der Maut!) und Radwan für diesen (schließlich „blau-braun“ kontaminierten!) Antrag. Ein No-Go noch bis vor einigen Tagen.

Klar, der Antrag war so logisch, dass man ihn gar nicht ablehnen konnte. Doch schnell ruderte man zurück: Das Heben der Hand sei „ein Versehen“ gewesen, beeilten sich die Brandmauer-Brecher abzuwiegeln. Dasselbe passierte schon mal der FDP: Die stimmte nach langer Nachtsitzung im Juni 2021 gegen 2.30 Uhr plötzlich einem AfD-Antrag zu – natürlich irrtümlich, wie es inzwischen im Protokoll steht. Irre wirre Zeiten!

Wir können also als Demokraten beruhigt in den Urlaub gehen. Es zieht wieder Demokratie ins Parlament. Und zwar durch die vom Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU eingeforderten „Rechte für Minderheiten“. Die „Minderheit“ AfD, die gar nicht mehr so recht als eine rechte Minderheit erscheint nach all den Umfragen und Kommunalwahlen der letzten Wochen, darf‘s freuen.

Im Oktober haben sie dann einen Bundestagsvizepräsidenten und einige Vorsitze in Bundestagsausschüssen. Man kann Herrn Merz beim Wort nehmen, oder? Gemäß des Werbeslogans einer Genossenschaftsbank: Wir machen den Weg frei! Den Weg auch für das Einhalten parlamentarischer Spielregeln. Oder selbstverständlicher Zusammenarbeit unter demokratisch gewählten Parlamentariern. So wie beim „Hammelsprung“ gestern.

BILD entdeckte erst in der Nacht zum Samstag, was sich da wirklich abgespielt hatte – und korrigierte eine ihrer CDU-Jubelmeldungen über die strategische Großartigkeit des Herr Merz:

Die AfD-Fraktion hatte sich eines früher üblichen Tricks bedient, die einen alten Hasen wie Autor Hahne jubeln lassen. Erinnerung an alte Zeiten, als es noch richtig zur Sache ging zwischen Opposition und Regierung: Sie waren in dem „Hammelsprung“ nicht vollzählig wieder in den Plenarsaal zurückgekehrt – folglich waren zu wenige Abgeordnete im Raum, damit die Regierung abstimmen lassen konnte.

Es wird also einen heißen Sommer geben. Nix mit Sommerloch! Gut, dass es die Ampel-Hitzepläne gibt. Vor allem für die Union, die ja nun heftigst streiten wird, wie das so ist mit den Brandmauern …Danke, lieber Herr Merz! Wir warten auf die angekündigten Rechte auch für die rechte „Minderheit“.

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