Tichys Einblick
Was auf Merz wartet

CDU vor Neuanfang mit ungewissem Ausgang

Siegesstunde für Merz – und ein schwarzer Tag für Angela Merkel. Letzte Chance für Deutschlands Christdemokraten.

IMAGO / Reiner Zensen

Für Angela Merkel dürfte dieser Tag einer der schlimmsten in ihrem Leben sein. Ein Albtraum wurde für die Ex-Kanzlerin zur Wirklichkeit. Es fällt schwer, sich noch zwei andere Menschen vorzustellen, die sich gegenseitig so verachten – ja vielleicht sogar hassen. Unter den vielen, die Merkel auf ihrem langen Weg an die Macht zu Fall gebracht hat, dürfte, gleich nach Helmut Kohl, der Sauerländer das zweite Schwergewicht gewesen sein.

Friedrich Merz war für sie das Sinnbild der alten Bundesrepublik und der CDU Kohls. Zu beiden hat sie bis zum Schluss keine Nähe gefunden. Die CDU wurde dadurch regelrecht entkernt. Keiner der alten Riege ist, unabhängig von ihrem Alter, heute noch im Amt. Koch, Oettinger, Wulff – nur drei von denen, die unter Merkels tödlicher Umarmung in die Knie gegangen sind. Das ist aber nur ein Kapitel des Merkel’schen Erbes.

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Genauso zielstrebig machte sie aus einer konservativ, liberalen und christlichen Partei eine orientierungslose und beliebige Truppe. Ob der abrupte Ausstieg aus der Kernenergie, die Öffnung der Grenzen für alle und jeden, die durch deutsche Alleingänge im Kern antieuropäische Politik, sowie die fast vollständige Zerrüttung des Bündnisses mit den USA bei gleichzeitig wachsender Abhängigkeit von Moskau ohne Rücksicht auf die Interessen der jungen osteuropäischen Demokratie – und das ist nur ein Teil ihrer Hinterlassenschaft. Kurzum: 16 Jahre Merkel waren keine guten Jahre für Deutschland. Dazu gehört auch die Geburt einer Partei rechts der Union. Unter einem Helmut Kohl hätte eine AfD nie das Tageslicht erblickt – Angela Merkel wurde zu ihrer Hebamme. Unter Merkel sank die Traditionspartei der Bundesrepublik von über 40% auf Werte Mitte der Zwanziger herab. Das bürgerliche Lager ist verunsichert und orientierungslos.

Ein wesentlicher Schlüssel für die lange Dauer der Ära-Merkel war ihre scheinbar über den Parteien stehende, fast neutrale Position mit der Aura einer fast monarchischen Institution. In dem Moment, als sie das sinkende Schiff verließ und vom sicherem Ufer aus das Gemetzel an Board beobachtete, zeigte sich mit einem Mal der ganze verheerende Zustand der einst so mächtigen Christdemokratie in Deutschland.

CDU-Vorsitz nach Mitgliederwunsch
Friedrich Merz siegt schon im 1. Wahlgang klar
Friedrich Merz ist nicht zu beneiden. Es ist keineswegs sicher, ob die CDU auch unter ihm noch die Kraft hat, wieder Profil zu gewinnen. Dass Merz eine reale Chance dazu hat, zeigt das überzeugende Votum der Mitglieder. Ihre Entscheidung kommt auf Grund der Geschichte der handelnden Personen einer im Nachhinein erfolgten Abwahl Merkels durch die eigene Basis gleich. Merz wird vieles ändern müssen, glaubt dabei aber nur behutsam und vorsichtig ans Werk gehen zu können. Damit wird er wichtige Wählerschichten schnell enttäuschen. Wichtige Voraussetzungen für den Erfolg hat er: Eine überdurchschnittliche Intelligenz, kühle Rationalität, ein klares Wertekorsett, rhetorische Kraft sowie Nervenstärke und Beharrlichkeit, ohne die er den Weg zurück an die Spitze der deutschen Politik nicht geschafft hätte.

Zugleich aber ist der Sieger von heute selbst sein größter Feind. Da ist eine nicht zu übersehende Arroganz, eine für andere oft verletzende, fast hochmütige Selbstgewissheit und der Eindruck einer emotionalen Kälte, für die selbst „Härte“ nicht das treffende Wort ist.

Alle Hoffnungen der CDU-Deutschlands ruhen jetzt auf Friedrich Merz. Sie könnten sich aber auch schnell ins Gegenteil verkehren. Sein Gelingen ist auch die letzte Chance für die Deutschen Christdemokraten. Wenn es in seinem Sinne gut geht, könnte sich die AfD in der Wählergunst um die Hälfte der Stimmen zu reduzieren. Dieses Ziel hat er allerdings lange nicht mehr erwähnt. Wegen zu erwartender Erfolglosigkeit?

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