Tichys Einblick
Einzelfälle?

Mädchen-Morde: Das Schweigen der Eltern

Wie geht man mit der steigenden Anzahl von "Einzelfällen" ermordeter Mädchen um? Sind Vorurteile längst widerlegt, rassistisch oder hilfreich zur Gefahrenabwehr? Trotz Schweigen nimmt die Verunsicherung zu. Es gibt keine einfachen Antworten und sie werden doch gefunden. Gedanken eines Vaters.

Symbolbild

© Getty Images

Die Einschläge – besser gesagt: Einstiche –  kommen näher. Am 18. Februar 2019 wurde 300 Meter von der Wohnung meiner 22-jährigen Tochter entfernt eine 32-jährige Frau von ihrem Ex-Partner mit dem Messer regelrecht abgeschlachtet. Wahrscheinlich hat meine Tochter nur wegen ihrer Kopfhörer die gellenden Schreie des Opfers nicht gehört.

Am nächsten Morgen wurden sämtliche Lokalzeitungen und ihre Online-Ausgaben konsultiert. Was war passiert? Wer war ermordet worden? Wer hatte es getan? Wer waren die Eltern, die Geschwister? Bekannte? Heraus kam nur eine dürre Abschrift des Polizeiberichtes. Unter der üblichen Nichtnennung des Verantwortlichen für des ‚Tötungsdeliktes zum Nachteil des Opfers‘. Als Textbaustein gleich: Dass es sich ‚um eine Beziehungstat’ handele – und dass ein ‚terroristischer Hintergrund auszuschließen‘ sei. Wohl um zu gewährleisten, dass Väter wie ich anhand ihrer Fantasien von marodierenden Vergewaltigern, die ihre Opfer zufällig auswählen, ihre Töchter nicht endgültig wegsperren.

Beziehungstat?

Bei so vielen Auslassungen beginnt das Gehirn sofort mit Auffüllarbeit. Warum erfahren wir so wenig? Und für all diese Fragen liegen dann selbstgemachte, aber plausible Antworten parat: Nationalität verschwiegen? Migrationshintergrund! Deutsche Täter werden ja gerne sofort genannt, weil man so elegant dem ‚Generalverdacht‘ gegen Zuwanderer entgegentreten kann.

Vom Opfer existierte ein verpixeltes Foto, das eine Frau mit blonden Haaren zeigte. Die hatte sich also wahrscheinlich – angeregt durch die Vermittlung der örtlichen Kirchengemeinde? – auf eine Beziehung mit einem Mann mit einem Migranten eingelassen. Migrant weil Messer. Und folgerichtig hatte sie die kulturspezifische Überreaktion auf Zurückweisung mit ihrem Leben bezahlt. Entwarnung also für meine Tochter, dass sie zwar zunächst weiterhin in unserem Viertel auf die Straße darf, aber von Beziehungen mit Zuwanderern Abstand zu nehmen hat.

Auch in den Folgetagen wurde die Presse ohne greifbares Ergebnis durchgesehen. Das Verbrechen war anscheinend ‚durch’, erledigt. Der letzte Stand: Der Haftrichter muss entscheiden, ob der mittlerweile gefasste Messertäter in Untersuchungshaft genommen werden soll.

Keine Neuigkeiten über den Tathergang, die Namen, die Hintergründe, die Angehörigen, den Termin der Beerdigung. Der Tatort war gereinigt. Ich selbst denke ja auch nur noch an den Fall, weil meine Tochter sozusagen in ‚Stichweite‘ ihren Kaffee trinkt. Für alle anderen ist jetzt schon wieder Gras über die Sache gewachsen.

In früheren Zeiten hätte solch ein bestialischer Mord tagelang die Schlagzeilen beherrscht. Reporter wären am Ball geblieben. Die Fernsehsender hätten etwas betrieben, was in der Fachsprache ‚Witwenschütteln‘ heißt. Nicht schön, aber die Angehörigen wären zu Wort gekommen. Man hätte mit dem Verbrechen Gesichter verbinden, sich erinnern und Schlüsse ziehen können. Heute gewöhnt man sich daran, dass im Grundrauschen der Tagesgeschehnisse als Kollateralschäden eben Frauen untergehen.

Diese Taktik, durch Ball-Flachhalten zu vertuschen, geht auf. Im persönlichen Alltag gehen Verbrechen unter, wenn man sie nicht mehr sieht. Ohne den Schock des Anblicks trauernder Mütter prägt sich das Geschehen einfach nicht ein.

Anonyme Opfer

Erinnern Sie sich an die Gesichter der doch mittlerweile zahlreichen ermordeten jungen Frauen in den letzten zweieinhalb Jahren? Sie sind in der Anonymität versunken. Nur in Kandel regt sich noch ein bisschen was. Wer kennt die Gesichter der Toten vom Breitscheidplatz? Wer hat Talkshows mit ihren Eltern gesehen? Kaum ein Boulevardblatt hebt sie auf die Titelseite. Kein Hochglanzmagazin räumt ihnen Interviews ein. Nicht einmal in den sozialen Medien beklagen sie ihr Schicksal. Man hört nur von ihnen, wenn sie verzeihen. Wenn sie dem ‚Narrativ‘ huldigen, dass ihre Töchter selbstverständlich auch von einem Einheimischen im Fluss hätten ertränkt werden können. Dass also die Migration mit dem Tod ihrer Tochter absolut nichts zu tun habe.

In Deutschland muss es mittlerweile eine große Stadthalle voller trauernder Eltern, Geschwister, Verwandter und Freunde geben. Schweigend Trauernder. Schweigend im Angesicht des Todes ihrer Angehörigen, ihrer Lieben. Da stellt sich doch zwangsläufig die Frage: Tun sie das alle freiwillig? Schweigen sie nur, weil sie nicht gefragt werden? Oder werden sie dazu gebracht? Genudged, sich zurückzuhalten?

Wie muss man sich das vorstellen? Bekommt man nach einem Mord, der die Handschrift bestimmter kultureller Traditionen trägt, Besuch von einer Kommission gut gekleideter Herren die, wie etwa nach einem Lottogewinn, an die Vernunft appelliert? Ein ernstes Wort mit Eltern und Geschwistern redet? Dass man sich im Interesse das Gemeinwohls öffentlich zurückhalten solle? Und: Wird das vielleicht auch pekuniär kompensiert? Kurz: Wieviel Druck wird da ausgeübt und wieviel Geld fließt da, um die Gefahr, die von eingewanderten jungen Männern ausgeht, zu zerstreuen?

Dies zu belegen, bedarf es noch einer investigativen Recherche. Die Totalität des Schweigens der Eltern legt solche Vermutungen aber nah.

Eigentlich ist es aber gar nicht anders denkbar. Wenn man die Öffentlichkeit mit diesen Tragödien laufend offen konfrontierte: Was würde das für die Stimmung im Lande bedeuten? In dem Land, in dem wir uns doch ‚gut und gerne zu leben‘ entschlossen haben? Das Leben ist schöner – und das Regieren leichter – ohne Gedanken an Kölner Domplatten und Taharush.

Es geht aber gar nicht anders! Jetzt wo diejenigen, die, wie Angela Merkel sagt, ‚nun einmal da sind‘, vulgo: auch ‚nicht mehr weggehen‘, da kann man nicht jedes Vorkommnis, das dagegen spricht, an die große Glocke hängen. Dinge, die man nicht ändern kann, und der Import von kriminellem Potential in großem Stil gehört offenbar dazu, muss man eben ertragen.

Der Mann ist wieder ein Mann

Ich selbst habe mich drauf eingestellt. Ich trinke nicht mehr. Für eine größtmögliche Wehrhaftigkeit auf dem Heimweg spätabends von Freunden. Und damit ich meine Mädchen noch mit dem Auto selber abholen kann. Sicherheitshalber trage ich dabei eine schuss- und stichsichere Weste. Und mein Brotmesser, das ich dabei habe, ist sehr, sehr groß und sehr, sehr teuer.

Pikanterweise kam jetzt heraus, dass unser Mörder ein waschechter ‚Biodeutscher’ namens Stephan B. war. Die Bild-Zeitung hatte sträflicherweise versäumt, diese Tatsache schnell und erleichtert zu melden: ‚Gott sei Dank! Auch die ‚Schon-länger-hier-lebenden‘ morden!’ Bild hatte das (aus Profitgier?) hinter ihrer Bezahlschranke verborgen. Ein schweres Versäumnis an der Beschwichtigungsfront. Man möchte nicht wissen, was Friede und Angela dazu sagen, wenn sie im Springer-Casino wieder einmal zusammen zu mittag essen.

Zwar habe ich jetzt im Stadtviertel meiner Tochter ein bisschen weniger Angst vor wahllos mordenden Schariah-Anhängern – so richtig gut geht es mir aber immer noch nicht. Denn dass jetzt auch ‚biodeutsche’ Handwerker wie besagter Stefan B. Beziehungsstreitigkeiten mit Messern lösen, kann mich natürlich nicht beruhigen. Und vor allem: Vor wem soll ich meine Töchter denn jetzt warnen? Etwa wie die Grünen? Vor allen Männern? Das ist mir nicht trennscharf, nicht diskriminierend genug. Denn an irgend etwas müssen meine Mädchen die Gefahr ja doch erkennen.

Doch kein Einzelfall?

Aktuell hatte ein anderer ‚Mann’ an der Messe Frankfurt versucht, sein Freundin zu erschießen – um dann anschließend noch auf vier zufällig vorbeikommende Passanten zu feuern, von denen jede einzelne meine Tochter hätte sein können. Also hätte sich mein Profiling, dass ich seit drei Jahren meinen Kindern einbläue, wieder bewährt: Das Opfer war Bulgarin – und der Täter ein Mann aus besagtem zu meidenden Kulturkreis, der für altertümliche Konfliktlösungen steht.

Es drängt sich ein gefährlicher Verdacht auf: Hier in Frankfurt war also Stephan B. defintiv der berühmte ‚Einzelfall‘.