Tichys Einblick
Stühlerücken im Bundestag

Der gescheiterte Funktionär Maas geht – die Funktionärin Vontz kommt

Heiko Maas (SPD) verlässt den Bundestag. Damit endet die Geschichte eines Funktionärs, den die Wähler nie gewollt haben. Über die Landesliste rückt eine 22-jährige Studentin nach. Die nächste Funktionärs-Karriere beginnt.

Heiko Maas (SPD) im Deutschen Bundestag, 7. Juli 2022

IMAGO / Political-Moments

Seinen Abschied hat Heiko Maas (56) in einem Brief an die SPD erklärt. An die Genossen. Nicht an die Wähler. Denen hat Maas auch nichts zu verdanken. Sie haben ihn nie gewollt. Seine Karriere beruht auf Genossen, Parteitagen und Landeslisten. Sie haben ihn ins Geschäft gebracht und dort gehalten, als er Niederlage an Niederlage reihte. Anfangs ging es mit Maas steil nach oben: mit 28 Jahren Abgeordneter im saarländischen Landtag, mit 30 Staatssekretär, mit 32 Landesminister und mit 33 Jahren Fraktionsvorsitzender der SPD im Landtag. Maas konnte seine Karriere auf mächtige Förderer bauen: Oskar Lafontaine, Ottmar Schreiner oder Reinhard Klimmt räumten dem jungen, gut aussehenden Juristen den Weg frei.

Doch dann kam jemand ins Spiel, mit dem Maas nicht konnte: der Wähler. Dreimal stellte sich Maas ihm, dreimal wollte er saarländischer Ministerpräsident werden. Dreimal sagte der Wähler: du nicht. 2004, 2009 und 2012. Die letzte Niederlage war die bitterste: Ministerpräsident Annegret Kramp-Karrenbauer hatte das Amt erst wenige Monate vorher von Peter Müller (beide CDU) geerbt. Sie hatte sich noch kaum etabliert, da musste sie die Koalition mit den Grünen und der in Skandalen verstrickten FDP auflösen. Neuwahlen. In den kurzen Wahlkampf zog Maas mit einem Vorsprung und kam mit einem Rückstand raus. Deutlicher als beim dritten Mal konnten die Saarländer ihm nicht sagen, dass sie ihn nicht wollen.

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Von mächtigen Männern in Position gebracht, vom Wähler mehr als deutlich abgelehnt worden. Ein gescheiterter Mann. Woanders wäre er vielleicht ausgemustert worden. Doch die SPD hält an ihren Wahl-Verlierern fest. Funktionär ist Funktionär und bleibt Funktionär. So machte die Partei aus dem größten Wahlverlierer auf Bundesebene erst den Außenminister und dann den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und aus dem saarländischen Dauer-Loser Heiko Maas den Bundesjustizminister.

Als Bundesjustizminister fiel Maas durch das Netzwerkdurchsetzungsgesetz auf. Es übte Druck auf Facebook, Twitter und Co aus, gegen politisch missliebige Äußerungen vorzugehen. Es war der Beginn der Politik, mit dem gewollt schwammigen Begriff Kampf gegen „Hass und Hetze“ Einschränkungen der Meinungsfreiheit durchzusetzen. Ob das jemand gut findet, hängt vielleicht noch vom politischen Standpunkt ab. Als Außenminister hat Maas allerdings auch aus neutraler Sicht versagt. Vom Saarländer in Erinnerung geblieben ist das Bild, als er den damaligen US-Präsidenten Donald Trump während einer Rede ausgelacht hat, weil der vor der deutschen Abhängigkeit gegenüber Russland in Energie-Fragen warnte. Mittlerweile bereiten sich die Ministerien, auch die einst von Maas geführten, auf den Blackout vor. Die Karriere des Saarländers gipfelte dann darin, dass er die Räumung der deutschen Botschaft in Kabul verpennte, obwohl schon tagelang gewarnt worden war, dass die Taliban vor dem Sieg stünden. Wenige Wochen später gewann Olaf Scholz für die SPD die Bundestagswahl und degradierte den Außenminister trotzdem zum Hinterbänkler, der kaum noch im Parlament reden durfte.

In der letzten Reihe fing Maas an, trotzig zu werden. Stimmte gegen die allgemeine Impfpflicht und somit auch gegen seinen Bundeskanzler, der diese unterstützt hatte. Im Abschiedsbrief an die Genossen schreibt er laut Bild: „Gerade in der letzten Zeit konnte ich feststellen, dass die sicher gewöhnungsbedürftigen, aber für den demokratischen Wettbewerb unverzichtbaren politischen Rituale zwischen Regierung und Opposition oder Politik und Medien mir immer schwerer gefallen sind.“ Ein scheidender Funktionär kritisiert das System, das ihn getragen hat. Das ist allmählich zu einer gewissen Tradition geworden. Der stromlinienförmige Verlierer Maas wagt einen letzten Versuch, als kantiger Rebell im Gedächtnis zu bleiben.

Gestrandet auf der Hinterbank
Der gescheiterte Außenminister Heiko Maas sitzt das Ende seiner Karriere ab
Nun rückt Emily Vontz für Maas nach. Die SPD Saarland hat sie 2021 auf Platz vier ihrer Landesliste gesetzt. In Zeiten eines aufgeblähten Bundestags reicht das, um Abgeordnete zu werden. Die 22-Jährige ist nun die jüngste Abgeordnete im Parlament und schaut auf ein bewegtes Leben zurück: Sie hat Plakate für die Partei geklebt, sie hat nach dem Abitur ein freiwilliges „Ich weiß noch nicht, was ich studieren will“-Jahr absolviert, hat für die Partei Plakate aufgehängt, studiert Politik und Französisch und hat für die Partei an Wahlkampfständen gestanden. Politik macht Vontz, Frankreich mag sie. Was sie mit dem Studium beruflich hätte machen wollen, muss die Neu-Funktionärin nicht mehr beantworten. Im Bundestag bekommt sie jetzt rund 10.000 Euro Gehalt und 5.000 Euro Kostenpauschale. Und wenn sie auch mal eine oder mehrere Wahlen verlieren sollte – die SPD hält an ihren Funktionären fest.

An ihren Funktionärinnen erst recht. Katarina Barley scheiterte als Spitzenkandidatin bei der Europawahl und ist jetzt Vizepräsidentin im EU-Parlament.

Vontz schreibt auf Instagram: „Ich freue mich auf die große Aufgabe, die vor mir liegt. Gleichzeitig habe ich großen Respekt davor und bin meiner Partei für diese Chance sehr dankbar … Es geht darum, Verantwortung zu übernehmen – für das Saarland und meine Generation.“ Vontz mag vielleicht erst 22 Jahre alt sein. Aber wie eine ausgebrannte Alt-Funktionärin formulieren kann sie jetzt schon.

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