Tichys Einblick
Die Rückkehr der Inquisition

Linksliberalismus ist Liberalismus ohne Freiheit

Die totalitäre Versuchung, der die Linksliberalen erlegen sind, nennt Pierre-André Taguieff eine „senile Krankheit der heutigen Linksintellektuellen“. Man kann auch sagen, wer entweder zu faul, oder zu feige oder einfach nur unfähig zum Denken ist, legt sich eine Gesinnung zu, die hegemonial ist – und die ist im dekadenten Westen links.

© Sharosh Rajasekher

Die Szene war gespenstisch: Dreißig Bücher wurden ins lodernde Feuer geworfen. Diese Szene spielte allerdings nicht 1933 in Deutschland, sondern 2019 in Kanada. Die Asche der Bücher verwandte man anschließend als Dünger für einen Baum, den man pflanzte. In dem Video für Schüler wurde verkündet: „Wir begraben die Asche von Rassismus, Diskriminierung und Klischees in der Hoffnung, dass wir in einem inklusiven Land aufwachsen, in dem alle in Wohlstand und Sicherheit leben.“

Laut Radio Canada fand diese große Säuberung 2019 in den Bibliotheken des Conseil scolaire catholique Providence statt. Insgesamt wurden in 30 französischen Schulen im Südwesten Ontarios 4.716 Bücher, was im Durchschnitt 157 Bücher pro Schule bedeutet, ausgesondert und vernichtet, vorrangig Bücher, die in irgendeiner Weise das Thema der Ureinwohner Kanadas berühren, zumeist in Kinderbüchern und Comics. Zu den ausgesonderten und auch verbrannten Comics gehörten „Tim und Struppi“, „Asterix und Obelix“ und „Tintin“.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Suzy Kies, die sich der Unterstützung des kanadischen Premierministers Justin Trudeaus sicher war und die zudem eine wichtige Funktion in Trudeaus liberaler Partei erklomm, verkündete, dass die Leute zwar in Panik gerieten, wenn es darum ginge, Bücher zu verbrennen, doch, wusste Suzie Kies die Linksliberalen auf identitätspolitische Linie zu zwingen, man spräche hier immerhin von Millionen von Büchern, die negative Bilder von Ureinwohnern oder den Angehörigen der „First Nation“ verbreiten und wirklich schädlich und gefährlich wären. Und weil Millionen Bücher in den Augen der Parteifreundin von Justin Trudeau schädlich und gefährlich wären, müssten sie eben verbrannt werden. Fand Trudeau wohl auch, jedenfalls unterstützte Trudeau Suzie Klies. Was übrigens schädlich und gefährlich ist, bestimmt die „Wissensbewahrerin“ der indigenen Völker Suzie Kies, die nach ihren Auskünften einem Zweig der Abenaki entstammte, und damit sakrosankt war.

Die katholische Schulbehörde, erfahren mit dem  Index librorum prohibitorum, setzte mit Kies tatkräftiger Beratung Bücher auf den Index, weil die Sprache angeblich „inakzeptabel“ wäre, wie in dem Comic „Tintin in America“, oder weil das 1981 erschienene Buch „Les Esquimaux“ eine heute als abwertender Begriff geltende Bezeichnung für die Inuit wählte. Lucky-Luke-Bücher gerieten auf die Vernichtungsliste, weil in ihnen ein Ungleichgewicht der Machtverteilung zwischen Weißen und Ureinwohnern ausgemacht wurde. Ein anderes Buch, das humorvoll über die Beziehungen zwischen Ureinwohnern und den französischen und englischen Soldaten während der Kolonialzeit spottete, fand sich auf dem Index wieder, weil die Schulbehörde fehlerhafte Zeichnungen und eine „inakzeptable Sprache“ meinte zu entdecken. Eine Zeichnung in einem Comic galt bereits als „fehlerhaft“, wenn sie männliche Ureinwohner mit nacktem Oberkörper zeigte. Selbstverständlich trugen die Indigenen alle einen Armani-Anzug.

Suzie Kies begründete das Bücher-Autodafé schließlich damit, dass Kinder darauf angewiesen seien, dass man ihnen sagt, was richtig und was falsch ist. Und was richtig und was falsch ist, wusste am besten die „Wissensbewahrerin“ Suzie Kies.

Demokratie in Gefahr
Cancel Culture – „Endlich hat das Kind einen Namen!“
Schwestern im Geiste der Indoktrination unserer Kinder von Suzie Kies finden sich auch in Deutschland. So scheint zu den Feindbildern der Leiterin der Kita in Hamburg Groß-Flottbeck, Christiane Kassama, die deutsche Kinderliteratur zu zählen. Ganz im Sinne Kies‘ gab sie zu Protokoll: „Jim Knopf wird leider noch oft gelesen. Jim Knopf reproduziert viele Klischees, zum angeblich typischen Wesen und Äußeren von Schwarzen. Jim Knopf ist so, wie sich Weiße ein lustiges, freches, schwarzes Kind vorstellen. Auch Pippi Langstrumpf liegt als Buch fast in jeder Kita.“

Und damit Jim Knopf und Pippi Langstrumpf den Kindern nicht mehr vorgelesen werden, hat Kassama in ihrer Kita verfügt: „Im Februar habe ich gesagt: Der Black History Month steht an, wie können wir den umsetzen? Eine Kollegin schlug vor, vorübergehend nur Kinderbücher mit schwarzen Hauptfiguren in der Bibliothek zu belassen. Das hat gut funktioniert, gut im Sinne von: Es hat niemand gemerkt. Kein Kind hat ein Buch vermisst.“ Denn für Kassama „ist die Kita ein politischer Ort“, ein Ort der Indoktrination also.

Und damit bei Kassamas ideologischem Feldzug nichts schief geht, hat sie „dafür gesorgt, dass alle Kolleginnen und Kollegen ein Antirassismustraining machen. Ich hole Menschen in die Kita, die den Blick dafür schärfen, was Rassismus ist. Schwarze mit Rassismuserfahrung, die unsere Kinder natürlich nicht haben, weil sie weiß sind. Alle zwei Jahre ist ein Critical-Whiteness-Training oder ein Antirassismustraining verpflichtend.“ Brain wash kennt man aus Diktaturen, in Deutschland hatten wir zwei davon, und inzwischen in Hamburger Kitas. Verbrannt hat Christiane Kassama „Jim Knopf“ und „Pippi Langstrumpf“ nicht, aber aus der Kita verbannt. Weiße Kinder, die, weil sie weiß sind, strukturell rassistisch sind, haben deshalb mit schwarzen Helden aufzuwachsen. Haben sie sich auch ihrer Hautfarbe zu schämen? Vielleicht führt Christiane Kassama in ihrer Kita noch den White-Shame-Day ein.

Cancel Culture:
Wie die Cancel Culture die New York Times zerstört
Fragt man sich, weshalb das Unwesen, das Kies seit 2019 treibt, jetzt zum Skandal wird, lohnt es, genauer hinzuschauen und die Geschichte hinter der Geschichte zu entdecken. Denn Recherchen haben vor kurzem ergeben, dass die autochthone Wissensbewahrerin nicht autochthon ist, mit anderen Worten, Suzie Kies ist nicht indigener Abstammung. Peinlich berührt legte das Providence Catholic School Board, das nach Aufforderung von Suzy Kies die literarische Säuberung in dreißig Grund- und Sekundarschulen in Ontario durchführte hatte, das „Give Back to Mother Earth“-Programm, dessen Ziel darin bestand, „Bibliotheken von allen Büchern zu befreien, die negative und falsche Stereotypen über indigene Völker fördern“, auf Eis.

Eine knappe Woche vor Deutschland wird in Kanada gewählt. Für Kanadas Premierminister Trudeau erweist sich die Parteifreundin, die er sehr unterstützt hat, nun als Belastung. Nur trifft Suzie Kies keine Schuld an der substanzlosen Politik Trudeaus, nicht an einem Klima der Intoleranz, der Kulturvernichtung, der Indoktrination, der Cancel Culture, sie hat es nur für sich benutzt, wie es auch ein Versagen der Hamburger Sozialdemokraten, Scholzens engster Genossen ist, Kita-Leiterinnen wie Christiane Kassama, die mit ihrer zweifelhaften literarischen Bildung und ihrer fragwürdigen Ideologie Mitarbeiter und Kinder indoktriniert und das Neutralitätsgebot der Bildungseinrichtungen missachtet, im Amt zu belassen.

An den Universitäten und Hochschulen wird von einer radikalen Minderheit unter den Studenten, die von den Linken, den Grünen und der SPD unterstützt, von der CDU/CSU wohlwollend geduldet und von der Feigheit, dem Opportunismus oder der Gesinnungsgenossenschaft der Hochschulleitungen gefördert wird, ein Klima der Intoleranz, der Diskriminierung, der Angst und des Totalitarismus geschaffen. Zunehmend geht in der westlichen Welt die Aufklärung verloren und macht einem brutalen Obskurantismus Platz. Aber die Aufklärung ist als Schöpfung „weißer Männer“ für die studentischen Aktivisten und dem intellektuellen Prekariat verschiedener akademischer Weihen zum Feind schlechthin geworden.

Das neue Subjekt des revolutionären Kampfes
Cancel Culture - Ein Angriff, der zur Rückeroberung führen könnte
Der liberale Professor Klaus Kinzler an der Universität Grenoble benötigt inzwischen Polizeischutz, weil er es gewagt hat, den Begriff „Islamophobie“ zu kritisieren. Linksradikale Studenten machten gegen ihn mobil und konnten sich der Unterstützung von Professorinnen und Gewerkschaften erfreuen. Der NZZ, die diesen Fall präzise aufarbeitete, sagte der Professor: „Das politologische Institut von Grenoble war schon immer links, aber man konnte über alles reden. Der heutige Forscher dagegen ist im permanenten Kampf gegen Unterdrückung, abweichende Meinungen duldet er nicht.“ Die französische Soziologin Nathalie Heinich konstatiert: „Man kann nicht mehr von den Gefahren des Islamismus sprechen, ohne als islamophob stigmatisiert zu werden.“

Klaus Kinzler, der als junger Mann 1983 nach Frankreich ausgewandert war und dem dort eine universitäre Karriere gelang, galt zwar als Neoliberaler, doch nun hat man ihm das Etikett „islamophob“ angehängt, was in gewissen Kreisen in Frankreich so viel wie in Deutschland Nazi bedeutet. Die NZZ kommentiert den Vorfall vollkommen richtig als „Konflikt zwischen Aktivisten und kritischer Wissenschaft“.
Im Herbst 2020 wurde am politologischen Institut der Universität Grenoble in Arbeitsgruppen eine Aktionswoche für Gleichheit und Kampf gegen Diskriminierung vorbereitet. Zwischen den Professoren Klaus Kinzler und Claire Marynower kam es zum Streit, weil Kinzler den Begriff Islamophobie wissenschaftlich korrekt für fragwürdig hielt, denn es stellte sich bei diesem Begriff die Frage, ob es nicht hierbei lediglich „um eine Propagandawaffe von Extremisten geht, die intelligenter sind als wir.“ Die Professorin Claire Marynower hingegen hält den Begriff nur in der Politik für umstritten, nicht aber in der Wissenschaft, eine Vorstellung, die sie übrigens als Wissenschaftlerin diskreditiert und als Ideologin qualifiziert.

Kaum hatte Kinzler den Einwand gewagt, brach die Hölle los. Die Direktorin des sozialwissenschaftliches Labors Pacte publizierte eine Kommuniqué, in dem sie ohne Namensnennung Kinzler vorwarf, seine Kollegin Marynower gemobbt zu haben, zumal der Begriff Islamophobie in der Wissenschaft noch viel stärker Einzug halten müsse, weil, wie ihre abenteuerliche, ganz im Sinne des Islamogauchismo gehaltene Begründung lautete, in der Gesellschaft rassistische Meinungen zunehmen würden. Madame Direktrice besaß zwar kein wissenschaftliches und auch sonst kein Argument, aber den viel effektiveren Vorwurf, dass ein Mann eine Frau und überhaupt die ganze Wissenschaft mobben würde. Man darf annehmen, dass die Wissenschaftlerin wusste, was sie tat, denn radikale Studenten dürften das Kommuniqué als Jagdaufruf auf den Wissenschaftler verstanden haben und begannen nun eine Kampagne in den sozialen Medien gegen den Professor, den die Kollegen bis auf zwei von da an bestenfalls mieden, zu entfesseln. Der Untersuchungsbericht des Erziehungsministeriums kam zu dem Schluss, dass es den Studenten darum ging, den Professor von der Universität zu vertreiben, einzig aus dem Grund, weil er ein „rechter“ Professor war.

Wiedergelesen, alte und neue Antworten
Das Ende der aufgeklärten Gesellschaft – nicht nur in der islamischen Welt
Die Linke in Frankreich, die besonders stark und totalitär an den Universitäten ist, hat alles dafür getan, dass die Tatsache, dass der brutale Mörder des Lehrers Samuel Petty ein Islamist war, verschwiegen wird, und man stattdessen über die rechten Umtriebe, über die Islamophobie und den Rassismus der Gesellschaft spricht. Auf diese Weise werden die Täter zu Opfern und die Opfer zu Tätern. „Der von den Islamisten geschürte Hass“, schreibt die NZZ über Frankreich, „hat zudem dazu beigetragen, dass tausende Juden das Land verlassen haben. Was Islamisten nicht daran hindert, sich als Opfer und „neue Juden“ zu inszenieren. Mit Erfolg, denn nach den Terrorakten ist oft zu hören, man müsse jetzt nicht über Islamismus reden, sondern über….Islamophobie reden, denn diese sei der Ursprung allen Übels.“ Ein Blick zum Berliner Breitscheidplatz und nach Würzburg zeigt, dass die französischen Zustände auch deutsche Zustände sind, mit einem Unterschied, dass an diesen Zuständen die Merkel-Administration eine erhebliche Mitschuld trägt. Ohne Merkels Migrationspolitik wären diese Täter nicht im Lande, die, im Falle sie sind Muslime, eher als geistig verwirrt, statt als Terroristen deklariert werden – das spart auch die Zahlung von Entschädigungen an die Opfer.

Wo man hinblickt, wird deutlich, dass die Linke und der Linksliberalismus sich im Modus des Klassenkampfes befinden. Elementare Bürgerrechte gelten nicht mehr, wenn sie der politischen Gesinnung entgegen stehen. Doch, was sich als so fortschrittlich gibt, ist in Wahrheit altbekannt und reaktionär. Die totalitäre Versuchung, der die Linksliberalen erlegen sind, hat der französische Politologe Pierre-André Taguieff, eher ein Mann der Linken, als „senile Krankheit der heutigen Linksintellektuellen“ bezeichnet. Man könnte auch sagen, wer entweder zu faul, oder zu feige oder einfach nur unfähig zum Denken ist, legt sich eine Gesinnung zu, die hegemonial ist – und die ist im dekadenten Westen links.

Anzeige