Tichys Einblick
Expertenhatz gegen Lars Feld

Kampagne gegen Top-Ökonom

Auch gegen die Restbestände liberalen Denkens in Deutschland wird jetzt zum Halali geblasen. Weil er den FDP-Chef berät, werden abwegige fachliche Zweifel am Wirtschaftsprofessor Lars Feld geschürt. Und das „Handelsblatt“ macht munter mit.

Prof. Dr. Dr. h.c. Lars P. Feld, Bundespressekonferenz, Berlin, 26.06.2023

IMAGO / Metodi Popow

Es gibt so Redewendungen, bei denen ein halbwegs geübter Leser im Kopf sofort Alarmglocken schrillen hört. „Manche sagen“, zum Beispiel. Oder auch: „Hat viele Gegner“.

Wenn ein Journalist so etwas schreibt, aber keine Namen nennt, wer denn „manche“ oder „viele“ sein könnten – dann ist ein Verdacht zumindest zulässig: nämlich, dass der Journalist womöglich nicht viel mehr als zwei Stichwortgeber hatte. In schlechteren Fällen auch nur einen. In ganz schlechten Fällen nur sich selbst.

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„Die strittige Doppelrolle“: So betiteln zwei Autoren des „Handelsblatts“ eine nur recht lieblos als Artikel getarnte Anklageschrift gegen den Ökonomen Lars Feld. Der 56-Jährige ist seit mehr als zwei Jahrzehnten einer der international angesehensten Wirtschaftsprofessoren Deutschlands. Er hat zahlreiche wissenschaftliche (und auch andere) Preise gewonnen, darunter in den USA. Er ist Ehrendoktor in der Schweiz.

Doch jetzt, kolportiert das „Handelsblatt“, stehe Feld im Zentrum der Kritik. Denn im Februar 2022 hat FDP-Chef Christian Lindner ihn zum „Persönlichen Beauftragten des Bundesministers der Finanzen für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung“ ernannt – übersetzt: zum Berater (ehrenamtlich und honorarfrei). Das kollidiere mit Felds Aufgabe als unabhängiger Wissenschaftler am hochangesehenen Walter-Eucken-Institut der Universität Freiburg, das er leitet.

Es „stellt sich die Frage, ob sich diese Nähe mit unabhängiger Forschung verträgt“. Wer – außer ihnen selbst – sich diese Frage stellt, lassen die Autoren offen. Wer kritisiert Feld? „Manche seiner Kollegen“. Wer streitet über die Person Feld? „Die Ökonomenszene“. Und „mehrere Kollegen“ würden Feld inzwischen kritisch beäugen.

In dem bemerkenswert quellenfreien Text wird tatsächlich kein einziger (!) Kritiker von Feld namentlich zitiert oder auch nur genannt. Auch die Mühe, im Netz nach anderen kritischen Äußerungen über Feld zu suchen – um zumindest irgendeinen Beleg dafür zu liefern, dass es überhaupt irgendwo Kritik an dem Top-Ökonomen gibt – haben sich die beiden Autoren nicht gemacht.

Unterm Strich liefert der Artikel auf knapp 10.000 Zeichen Geraune. Und der Leser erfährt nicht ansatzweise, wo es herkommen soll.

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Dabei gibt es tatsächlich schon länger durchaus Kritik an Lars Feld – denn der Mann ist einer der letzten verbliebenen Vertreter der Marktwirtschaft in Deutschlands inzwischen fast durchweg linksdrehendem akademischen Betrieb.

Feld ist als Ökonom sozusagen der Gegenentwurf zu Marcel Fratzscher. Der ist Volkswirt, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und hatte es dank seiner Nähe zur SPD 2019 geschafft, eine drohende Kürzung der öffentlichen Mittel für sein Institut abzuwenden. Nicht erst, aber vor allem seitdem geben Fratzscher und das DIW in ihrem öffentlichen Auftritt den jeweiligen sozialdemokratischen Wirtschaftsideen verlässlich Geleitschutz.

Feld hält dagegen – und ist der vereinigten Linken deshalb ein Dorn im Auge.

Fratzscher arbeitet sich akademisch an ihm ab, die anderen sozialismusorientierten Wirtschaftswissenschaftler sowieso. Politisch wähnte sich die SPD schon am Ziel, als es ihr 2021 gelang, Feld als Regierungsberater von Angela Merkel feuern zu lassen. Doch dann kamen wieder lästige Wahlen, FDP-Chef Christian Lindner wurde Finanzminister – und holte Feld 2022 als Berater zurück.

Inhaltlich ist dem Mann angesichts seiner akademischen Leistungen nicht beizukommen. Also versucht man es jetzt, wie es in solchen Fällen gerne gemacht wird: mit einem Angriff auf die persönliche Integrität. Das „Handelsblatt“ stellt sich offenbar gerne als Sprachrohr anonymer „Kritiker“ zur Verfügung:

„Entweder man sei Berater oder Wissenschaftler“, zitiert das Blatt einen Feld-Gegner. Welchen Gegner? Wird nicht gesagt, stattdessen nur: Das „… sagt einer von ihnen“. Ach so.

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Wie infam das Ganze ist, zeigt ein Blick auf andere prominente Regierungsberater.

Alena Buyx ist Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, der die Bundesregierung in, Überraschung, ethischen Fragen berät. Vor allem während der Corona-Pandemie tat sich die Medizinerin vorwiegend dadurch hervor, dass sie auch noch die absurdeste Regierungsmaßnahme „aus ethischer Sicht“ zu rechtfertigen wusste.

Zweifel an ihrer Unabhängigkeit als Wissenschaftlerin wegen ihres Zweitjobs als Regierungsberaterin waren damals verpönt, sind es bis heute – und auch im „Handelsblatt“ nicht zu lesen.

Dasselbe gilt für Melanie Brinkmann, offiziell Virologin, tatsächlich „No-Covid“-Aktivistin und einst inoffizielles Sprachrohr von Angela Merkels Corona-Beraterstab: Sie war vermutlich die treibende Kraft hinter der geradezu radikalen Selbstermächtigung und Grenzüberschreitung in der Anti-Virus-Politik.

Zweifel an ihrer wissenschaftlichen Unabhängigkeit waren trotzdem nicht erlaubt, bei Strafandrohung der sozialen Ächtung.

Jetzt, bei Lars Feld hingegen, ist das natürlich etwas ganz anderes. Denn Lars Feld gehört nicht zum grün-linken Mainstream. Medial ist man dann so etwas wie vogelfrei.

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Der Wissenschaftsbetrieb, anders als der Medienbetrieb, richtet sich noch nicht völlig nach politischen – oder besser: ideologischen Vorgaben.

In der akademischen Welt gibt es zum Beispiel noch den sogenannten h-Index – benannt nach seinem Erfinder, dem US-argentinischen Physiker Jorge Hirsch. Der Index zeigt im Grunde an, wie oft ein Wissenschaftler zitiert wird – und liefert damit einen Hinweis darauf, wie viel Einfluss ein Forscher in der Wissenschaft hat.

Ältere Forscher erreichen hier naturgemäß höhere Werte, weil sie länger im Geschäft sind und ihre frühen Veröffentlichungen mehr Zeit hatten, um zitiert zu werden. Seien wir also fair – und betrachten wir nur den Zeitraum seit 2018 (Quelle: Google Scholar):

• Frau Brinkmann wurde seitdem etwa 2.100-mal zitiert und erreicht einen h-Index von 25.
• Frau Buyx wurde seitdem etwa 2.700-mal zitiert und erreicht einen h-Index von 29.
• Lars Feld wurde seitdem mehr als 6.500-mal zitiert und erreicht einen h-Index von 40.

Wenn es einen Index für journalistische Redlichkeit gäbe: Welchen Wert würden wohl die Autoren erreichen, die sich jetzt als Erfüllungsgehilfen einer offensichtlichen Denunziationskampagne gegen einen herausragenden, aber der Linken inhaltlich unliebsamen Wissenschaftler hergeben?

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