Tichys Einblick
Medienphänomen statt Massendemonstration

Köln: Muslime demonstrieren nicht gegen Terror

Es war eher eine Funktionärsversammlung in eigener Sache statt Demonstration: Die Aktion "#NichtMitUns - Muslime demonstrieren gegen Gewalt und Terror" zeigt, Selbstdarstellung in Talkshows heißt noch nicht, Menschen oder gar eine Religion zu vertreten.

Protesters take part in an anti-terror protest march on June 17, 2017 in Cologne

© Sascha Schuermann/Getty Images

Etwa 1.000 Teilnehmer statt erwarteten 10.000 – das ist die ernüchternde Bilanz der Aktion „#NichtMitUns“. Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor und der muslimische Friedenaktivist Tarek Mohamad hatten dazu aufgerufen. Das Ergebnis: Eine reine PR-Aktion in eigener Sache der Initiatoren, eine Art Funktionärsversammlung.

Später sollen es dann 2.300 Demonstranten gewesen sein – etwas wenig für Köln, einer Stadt, in der Erdogan bekanntlich um die 30.000 Menschen auf die Straße bringt.

Der Dämpfer deutete sich an, als der größte Islam-Dachverband in Deutschland, die Türkisch-islamische Union DITIB, ankündigte, dass er sich nicht an dem in Köln geplanten Friedensmarsch von Muslimen gegen islamistischen Terror beteiligen will. „Forderungen nach ‚muslimischen‘ Anti-Terror-Demos greifen zu kurz, stigmatisieren die Muslime und verengen den internationalen Terrorismus auf sie, ihre Gemeinden und Moscheen – das ist der falsche Weg und das falsche Zeichen, denn diese Form der Schuldzuweisung spaltet die Gesellschaft.“, heißt es zur Begründung, die Demo wäre „vordergründig um eine mediale und politische Effekthascherei bemüht, und nicht etwa, wie behauptet, um die Bedürfnisse und Wünsche der Muslime.“ Außerdem sei es Muslimen im Ramadan nicht zumutbar, in der Hitze herumzulaufen.
Nachdem mit DITIB die zahlenstärkste muslimische Organisation abgesagt hat, sprang zwar das Zentralkomitee der deutschen Katholiken ein und unterstützt die Demo am Samstag in Köln. Es demonstrieren aber auch DGB, SPD, Beamtenbund, Grüne, FDP und Linke mit.

Vermutlich haben aber die Mitglieder von diesen diversen Verbänden das Motto #Nichtmituns zu wörtlich genommen.
Nun wäre es billig, daraus eine generelle Islam-Kritik abzuleiten. Es läuft doch ganz anders: Stark ist nur der mindestens halbstaatliche, wenn nicht mehr, mit türkischem Geld und Unterstützung der türkischen Regierung operierende Verband DITIB.

In dem Fernbleiben offenbart sich nicht unbedingt Ablehnung der Aktion. Sehr offenbart sich aber die Parallelwelt, die angebliche liberale Muslime wie Lamya Kaddor vorspiegeln und von vielen Medien begierig als Beleg für den wahren, den friedlichen Islam, den „Euro-Islam“ (Wolfgang Schäuble) aufgegriffen wird. Und die Gier vieler Medien, die sich einen eigenen Islam nach ihren Vorstellungen basteln wollen und dabei die Realität und die in ihr lebenden Muslime völlig aus den Augen verloren haben. Ein Medienphänomen wurde aufgepumpt.

Diese Form ist eher eine Art Geschäftsidee, ein pseudo-religiöses Consulting ohne Bezug zur gesellschaftlichen Realität und spirituellem Hintergrund des Islam.
Kaddor hat weder eine theologische Ausbildung noch die Befähigung zum ordentlichen Lehramt – nur die durch fragwürdige Muslim-Verbände in NRW ausgesprochene. Dennoch hat sie keinerlei Bedenken ihre private Koranauslegung zum Maß aller Dinge zu machen.

Der renommierte Islamwissenschaftler Rainer Brunner von der Universität Freiburg stellt fest: „Man will hier einen aufgeklärten Islam europäischen Zuschnitts etablieren, ohne dass es dafür im Augenblick sichtbar irgendwelche strukturellen und personellen Voraussetzungen gibt. … Dadurch betreibt man eine weitgehend entsäkularisierte Islamisierung der Integrationsdebatte.“ Mit anderen Worten: Personen wie Kaddor organisieren am Ende genau jene Radikalisierung der deutschen Muslime, die sie vorgeblich verhindern wollen.
Sie lebt davon, den Deutschen Rassismus vorzuwerfen, um an dessen Bekämpfung gut zu verdienen. Für ihren Rassismus prägt die in Sachen Selbstmarketing erfolgreiche Kaddor ein Wort, und mit dem sie ihre Kritiker in eine rechtsideologische Ecke stellen möchte: „Deutschomanen“. „Deutschomanen“, das sind für Kaddor Ungläubige, die sich in einer irrigen Definition ihrer selbst für Deutsche halten, und die sie, die wahre deutsche Muslima eines künftigen, islamischen Deutschlands, kritisch betrachten oder ihr gar ablehnend gegenüber stehen.

Wie ihr männliches Pendant Aiman Mazyek vom Verein „Zentralrat der Muslime in Deutschland“ fehlinterpretiert Kaddor das Individualrecht des Grundgesetzes auf Religionsfreiheit konsequent als Gruppenanspruch. So sind sich Mazyek und Kaddor selbst dann, wenn sie um die gleichen Töpfe rangeln, immerhin in einem einig: Islamkritik verstößt gegen das Grundgesetz, ist deshalb rechtsradikal und damit zwangsläufig rassistisch. Beide Vereinsmeier möchten gern für sich einen quasi rechtsfreien Raum organisieren, der vor Kritik durch Mitbürger vom Staat mit allen denkbaren Mitteln zu schützen ist.

Was man von der weit hinter den Erwartungen gebliebenen Demonstration lernt, ist dies: Lamya Kaddor vertritt niemanden außer sich selbst, aber das lautstark in Talkshows und Zeitungsartikeln. Das gilt auch für den Zentralrat der Muslime in Deutschland, der ebenso lautstark Vertretungsansprüche wahrnimmt – aber keine Mitgliederlisten vorlegen kann. Es ist ein Vertretungsanspruch ohne Basis.
„Lamya Kaddor, ihr Liberal-Islamischer Bund, der neben dem Zentralrat der Muslime und dessen Vorsitzenden Aiman Mazyek zu der Demo aufgerufen hatten, erwiesen sich als Medienphänomene, die offensichtlich nicht in der muslimischen Community verwurzelt sind. In Talkshows eine gute Figur zu machen und dem Wunsch der nichtmuslimischen Zuschauer nach einem dialogbereiten und offenen Islam zu entsprechen, ist nun einmal etwas anderes, als die hier lebenden Muslime zu überzeugen und zu vertreten“, bilanziert Stefan Laurin von Ruhrbarone.

Nein, Muslime in Deutschland organisieren sich nicht, die angebliche Vertretung ist eine Anmaßung durch die nun wirklich fragwürdige DITIB und andere islamische NGOs. Diese Verbände zwingen vielfach Muslime auf Linie, statt die schrittweise Integration zuzulassen. Das ist die eigentliche Tragik, die einen Keil zwischen Einheimische und Zuwanderer treibt.

„Wer ab dem heutigen Tag weiterhin behauptet, für eine schweigende Mehrheit der Muslime zu sprechen, macht sich und seinem Publikum etwas vor. Nach dieser Resonanz – oder besser Nicht-Resonanz – muss konstatiert werden, dass die Mehrheit der Muslime entweder weiter schweigt und sich keinesfalls von vermeintlich „liberalen“ Einzelspielern vertreten sieht. Oder aber, sie fühlt sich bei den Verbänden wohl, auch wenn sie dort nicht mitgliedschaftlich organisiert ist“, kommentiert Murat Kayman, ein früherer DITIB-Funktionär, der in dieser Szene aktiv zu Hause ist. 

Das ist keine besonders gute Nachricht: Es gibt mittlerweile an die 2.000 gewaltbereite Salafisten, viele von Erdogan organisierte oder von seinen Helfershelfern beanspruchte und tendenziell mißbrauchte Türken, noch mehr am ganzen aufgesetzten Religionsgetue gelangweilte, sehr viele säkulare, die am liebsten in Ruhe gelassen werden wollen, aber kaum liberale. Letzteres ist ein Talkshow-Phänomen ohne Realitätsbezug.

Die Politik wird sich die Frage stellen müssen, warum sie diese Verbände ohne Mitglieder weiterhin als Repräsentanten akzeptiert, ihnen wie beim Hessischen Rundfunk beispielsweise Gremiensitze einräumt, sie Lehrbefugnisse ausstellen läßt und sie als Staat im Staate finanziert. Dazu paßt, dass Grünen-Chef Cem Özdemir dann auch noch eine Art deutsch-türkisches ARTE mit eigenem, natürlich gebührenfinanzierten Programm fordert, weil ihm die Entwicklung einer soliden Parallelgesellschaft wohl noch nicht weit genug gegangen ist.

Die hier lebenden Muslime wollen damit ganz offensichtlich nichts zu tun haben? Diese Debatte muss geführt werden.