Tichys Einblick
Ersatzreligion "Wokeness"

Fragwürdige Stellung der Kirche zum Selbstbestimmungsgesetz

„Als Mann und Frau schuf er sie“ (Genesis 1,27). Kirchlichen Laien-Lobbys ist dies egal, sie begrüßen das Selbstbestimmungsgesetz der „Ampel“.

Regenbogenfahne an der Herz-Jesu-Kirche in Freiburg

IMAGO / Winfried Rothermel

Eines der „großen“ gesellschaftspolitischen Projekte der „Ampel“ ist das „Selbstbestimmungsgesetz“ (SBGG), mit dem das „Transsexuellengesetz“ des Jahres 1981 abgelöst werden soll. Insgesamt ist dieser Entwurf die praktische Umsetzung der „Gender“-Ideologie, derzufolge es keinen Zusammenhang zwischen biologischem Geschlecht („sex“) und sozialem, selbstbestimmtem Geschlecht („gender“) gibt, und nach der es eben nicht nur zwei Geschlechter bzw. deren seltene biologische Sonderformen, sondern rund siebzig geschlechtliche Identitäten gibt. Siehe das „LSBTIQ-Lexikon“ der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB).

Rekord bei Kirchenaustritten
Kirche ohne Volk
Von den Fraktionen der „Grünen“ und der FDP bereits in der letzten Legislaturperiode (damals erfolglos) angestrengt, soll laut Entwurf der Bundesregierung vom 9. Mai 2023 (federführend: FDP-Justizministerium und „grünes“ Familienministerium) zukünftig Folgendes gelten, sofern – was zu erwarten ist – der Bundestag das Gesetz im Herbst entsprechend verabschiedet: Die geschlechtliche Identität bzw. deren Wechsel („Trans…“) und die Wahl des Vornamens sollen von der Einschätzung dritter Personen (zum Beispiel Ärzten) gelöst und der betreffenden Person „selbstbestimmt“ qua reine Selbstauskunft vor dem Standesamt überlassen werden. Das Ganze unter Umständen im jährlichen Wechsel und bei 14-Jährigen mit Zustimmung der Eltern bzw. im Konfliktfall nach Entscheidung des Familiengerichts.

Außerdem soll mit dem SBGG das Recht der „Transperson“ auf Achtung und respektvolle Behandlung hinsichtlich ihrer geschlechtlichen Identität verwirklicht werden. Dazu wird es ein „Offenbarungsverbot“ geben. Das heißt: Dritte dürfen keinen Gebrauch von ihrem Wissen machen, welches Geschlecht eine Transperson vor dem Wechsel der geschlechtlichen Identität hatte. Bei Zuwiderhandeln (= „deadnaming“, also Verwendung des „toten“ Namens) kann eine Geldstrafe von bis zu 10.000 Euro verhängt werden.

Das verdirbt Politik und Theologie
Wie der Kirchentag die Bibel für seine ideologischen Zwecke zurechtbiegt
Für den Spannungs- und Verteidigungsfall soll das SBGG eine ausgeglichene Sonderregelung treffen, indem für den Dienst mit der Waffe vorübergehend die rechtliche Zuordnung zum männlichen Geschlecht bestehen bleibt, wenn ein Änderungsantrag in unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Spannungs- und Verteidigungsfall gestellt wird.

Die „Ampel“ geht von jährlich rund 4.000 entsprechenden Anträgen pro Jahr aus. Der 68 Seiten umfassende Referentenentwurf sowie die 54 vorliegenden und von uns nachfolgend bemühten Verbände-Statements dazu finden sich hier.

Das SBGG wird kommen, denn es stehen einflussreiche Lobby-Gruppen dafür, auch wenn sie nur Mini-Minderheiten der Bevölkerung repräsentieren. So kamen denn auch 54 überwiegend zustimmende Stellungnahmen zum SBGG-Entwurf zustande, darunter fast zwanzig aus dem Spektrum von LSBTIQ (Lesben, Schwule, bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche und queere Menschen).

Kirchliche Laien-Lobbys auf dem „queer-woken“ Weg

Wir haben uns einen Überblick über sechs Stellungnahmen verschafft, die aus dem Bereich der Kirchen kommen: drei aus dem katholischen und drei aus dem evangelischen Bereich. Je eine katholische und eine evangelische Stellungnahme geht sehr neutral, passagenweise auch distanziert an den SBGG-Entwurf heran: zum einen die Stellungnahme der Deutschen Bischofskonferenz (DBK; 9 Seiten), zum anderen die Evangelische Allianz Deutschland (2 Seiten). Die dort erkennbare Distanzierung lässt sich allein schon daran ablesen, dass im Gegensatz zu nahezu allen anderen Stellungnahmen das SBGG hier nicht „begrüßt“ und im jeweiligen Schriftsatz das Gender-Sternchen (*) nicht verwendet wird. Konstruktive Kritik kommt von der DBK, die sinnvollerweise eine längere Karenzzeit zwischen Selbsterklärung und amtlichem Eintrag bei Wechsel der geschlechtlichen Identität einfordert.

Die je zwei anderen Stellungnahmen aus dem katholischen bzw. evangelischen Spektrum überbieten sich bisweilen geradezu euphorisch in der Zustimmung zum SBGG, ja mehr noch: Teilweise geht ihnen das SBGG nicht weit genug.

  • Der Bund Deutscher Katholischer Jugend (BDKJ) schrieb 8 Seiten, auf denen er 18-mal ein „begrüßt“ und 37-mal ein Gendersternchen (*) unterbrachte. Der BDKJ will, dass das SBGG sogar noch weiter reicht, das heißt, dass Heranwachsende ab 14 Jahren gänzlich allein über eine Änderung ihres Geschlechtseintrages bzw. ihres Vornamens entscheiden können und dass mit Zustimmung der Eltern dies auch Jüngeren erlaubt sein soll. Die für den Spannungs- und Verteidigungsfall geplante Regelung lehnt der BDKJ ab. (Nur am Rande: Der BDKJ finanziert sich zu je beachtlichen Teilen aus Kirchensteuern und aus Zuwendungen des Bundesfamilienministeriums.)
  • Ähnlich äußerte sich das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) auf 7 Seiten, in denen das Gesetzesvorhaben 14-mal „begrüßt“ und 33-mal das Gendersternchen (*) verwendet wird. Auch das ZdK kritisiert die für den Spannungs- und Verteidigungsfall geplante Regelung.
  • Die Diakonie Deutschland hat 5 Seiten vorgelegt, 7-mal „begrüßt“ sie das „Ampel“-Vorhaben, 12-mal mit Gendersternchen (*) unterlegt.
  • Ähnlich äußert sich die Evangelische Arbeitsgemeinschaft Familie auf 5 Seiten. Auch sie „begrüßt“ das „Ampel“-Vorhaben (5-mal), 23-mal unterlegt mit Gendersternchen (*).

Zugegebenermaßen: Wir haben nicht alle 54 Stellungnahmen und auch die hier angerissenen 6 Stellungnahmen nicht bis in die letzten Halbsätze studiert. Aber der Eindruck bleibt: In der Mehrzahl erfährt die „Ampel“ aus (laien-)kirchlichen Kreisen Akklamation. Das war zu erwarten in einer Zeit, in der in solchen Organisationen die Bibel (Genesis: „Als Mann und Frau schuf er sie“) nahezu keine Rolle mehr spielt und von der Ersatzreligion der „Wokeness“ abgelöst wurde, Kirchentage zu „grünen“ Parteitagen wurden und „Gott“ nun – wie auch immer ausgesprochen – „G*tt“ heißt.

Anzeige