Tichys Einblick
Separatismus

Katalonische Separatisten: Deutsche proben Aufstand

Was wie eine Neufassung von "Asterix" anmutet, Katalonien gegen Madrid, drohen wegen der seit Wochen ausstehenden Regierungsbildung wirtschaftliche Folgen: Deutsche Unternehmer kündigen Konsequenzen an.

Spanish Prime Minister Mariano Rajoy 2017

© Pablo Blazquez Dominguez/Getty Images

Katalanische Separatisten  probieren seit Monaten den Aufstand gegen die spanische Verfassung. Seit Juli 2017 kommt nichts zur Ruhe. Ein juristisches Problem nach dem anderen und die wichtigen wirtschaftlichen Dinge werden vergessen. Madrid reagiert nur noch mittels Rechtssprechung.

Lebendiges Mittelalter in Spanien?

„Da wundert es mich nicht, dass die Deutschen denken, wir leben hier im Mittalter“, sagt der in Barcelona lebende Unternehmensberater und Buchautor Ignacio León-Sánchez angesichts der derzeit aufgewühlten deutschen Wirtschaftsgemeinde in Spanien. Deutsche Unternehmen in der teilautonomen Region, die meisten aus der Automobil-, Lebensmittel- und Dienstleistungsbranche, verlieren langsam die Geduld aufgrund der Rechtsunsicherheit in der wichtigsten Industrieregion Spaniens.

„Ich stimme dafür, dass ihr alle im Gefängnis landet“, sagte einer von ihnen vergangene Woche bei einer Veranstaltung im Reiterclub in Barcelona, zu welcher der aktuelle katalanische Parlamentspräsident, der Separatist  Roger Torrent, eingeladen worden war. Der deutsche Rebell, dessen Auftritt danach auf allen Fernsehkanälen lief, heiβt Karl Jacobi, der seit 35 Jahren in Barcelona Werbe-agenturen leitet, die unter dem Dachnamen „Comvort“ firmieren: “Seit 30 Jahren lügt ihr die Bevölkerung an… Ihr habt Unheil über die Familien gebracht. Es gibt Krieg zwischen Eltern und Kindern. Ihr habt uns ins Mittelalter verfrachtet”, wirft der Deutsche Torrent in einem Deutsch-Spanisch an den Kopf. Dieser hatte in seiner Rede vor den deutschen Firmen zum Dialog mit Madrid aufgefordert, konnte jedoch bisher keinen Kandidaten zwischen den verschiedenen Gruppierungen ausmachen, der nicht im Gefängnis sitzt, angeklagt ist oder sich bereits wegen Justizflucht im Ausland  befindet.

Deutsche verteidigen ihre Interessen in Katalonien 

Was die Deutschen aufregt: Erst wurde in Katalonien ein illegales Referendum über die Unabhängigkeit am 1. Oktober vergangenen Jahres durchgeführt, dann wurde wenig später die Republik ausgerufen. Daraufhin setzte Madrid die Autonomie der Region aus. Am 21.Dezember wurden dann Neuwahlen angesetzt. Diese gewann der Block der separatistischen Parteien mit einer knappen absoluten Mehrheit. Seitdem hat die Region keine Regierung mehr, weil der eigentliche Präsidentschafts-Kandidat, der ehemalige Regierungschef Carles Puigdemont, vor der spanischen Justiz nach Brüssel flüchtete. Madrid erlaubt keine telematische Regierung aus dem Exil, deswegen die Verzögerungen. Seit Jacobis „Ausraster“ sprechen viele Spanier bereits vom „deutschen Aufstand“. Die linke spanische Partei Podemos lieβ jedoch wissen, dass die Deutschen nicht zu bestimmen hätten, wer in Spanien ins Gefängnis gehe.

Torrent, der eindeutig in Frieden gekommen war, zeigte sich ziemlich perplex über Jacobis ehrliche, aber kriegerischen Worte und seine angestaute Wut darüber, dass bereits 3.000 Firmen die Region verlassen haben. Währenddessen distanzierte sich der Kreis der deutschen Führungskräfte (KdF), der den Event organisiert hatte, sofort von Jacobis politisch nicht sehr korrekten Äuβerungen: „Es ist die Meinung eines Mitglieds, nicht die des Kreises“.  Dabei warnt der KdF-Vorsitzende,  Albert Peters, die katalanischen Separatisten seit Monaten. Zu Tichys Einblick sagte er vor ein paar Wochen: „Wenn die politische Unsicherheit über eine Unabhängigkeit nicht aufhört, dann werden Investitionsentscheidungen deutscher Unternehmen zukünftig anderswo getroffen.“ Jacobi kommt aus Köln und hat es vergangene Woche einfach noch etwas „genauer“ ausgedrückt und emotionaler, weil er weiβ, dass es die Sprache der Separatisten ist: „Wir haben genug von den Lügen über die mangelnden Investitionen aus Madrid. 35 Jahre lang nur Lügen von seiten der Unabhängigkeitsfanatiker. Wir brauchen sicher 20 Jahre, um wieder den Wohlstand von vor 35 Jahren zu erreichen“.

Deutsche Investitionen in Spanien vom Rekordniveau in den Abgrund gerutscht 

Jacobis „Auftritt“ hat die spanischen anti-separatistischen Massen aufgewiegelt, „12.000 emails habe ich in den vergangenen sieben Tagen bekommen, nur 40 davon waren negativ“, erzählt der Deutsche  mit gewissem Stolz. Der etwas grobschlächtig wirkende Jacobi ist über Nacht zu einem Star geworden, der jetzt auch mit Premier Mariano Rajoy über die Zukunft des Landes sprechen will: „Ich habe einen Befriedungsplan“. Wie der genau aussieht, will er noch nicht sagen: „Ich will erst mit Rajoy reden, wir leiten das gerade in die Wege“. Die Deutschen haben allen Grund, sich über eine mögliche Zersplitterung des Landes Sorgen zu machen. Volkswagen und Mercedes mussten schon den Terror der Eta im Baskenland ertragen, jetzt droht wie ein Damoklesschwert die katalanische Unabhängigkeit, welche die VW-Tochter Seat, die es endlich aus der Verlustzone geschafft hat, direkt betreffen würde. Dabei haben die  deutschen Firmen in den vergangenen Jahren alles auf eine Karte gesetzt: Im Jahr 2016 verdreifachten sie ihre Investitionen in das Land auf 2,2 Mrd. Euro. Ihr Umsatz lag bei 61,43 Mrd. Euro.

Nur noch Bestandinvestitionen in Katalonien

„Das hat sich in den vergangenen acht Monaten allerdings drastisch geändert“, sagt der deutsche Anwalt Georg Abegg, Chef der Roedl  & Partner Kanzlei in Spanien. Die bestehenden rund 1.300 Firmen in der Region könnten nicht einfach die Zelte abbrechen, aber es kommen keinen neuen Firmen mehr hinzu: „Es werden nur Bestandsinvestitionen getätigt“, sagt Abegg aus seinen eigenen Erfahrungen mit deutschen Kunden. Die Unsicherheit und schlechten Nachrichten über Spanien, ausgelöst durch das Ergebnis der Wahlen zum katalanischen Parlament im Dezember sowie die Herauszögerung der Regierungsbildung verscheuche Investoren, nicht nur deutsche.

„Auch Inder, die bisher sehr stark an Spanien interessiert waren, machen eine Kehrtwendung“, weiβ der Steuerberater Carlos Alaiz aus eigener Erfahrung: „Wer das Land nicht kennt, den schrecken die Nachrichten aus Katalonien verständlicher Weise ab“. Jacobi selber berichtet von englischen Kunden, die Spanien verlassen wollen. Wenn nicht bald etwas geschähe, dann habe er bereits 700 deutsche Firmen mobilisiert, welche ebenfalls Katalonien den Rücken kehren würden: „Hier in Katalonien regieren seit Jahren nur noch die Emotionen, nicht der Verstand. Das Wort Unabhängigkeit produziert leider viele davon.“