Tichys Einblick
Proteste gegen Chinesenfasching

Gerade im Karneval zeigt sich die witz- und freudlose Wokeness

Der Chinesenfasching im bayrischen Dietfurt hat seit 1928 Tradition. Bis zu 25.000 Leute kommen in den 6.000-Seelen-Ort, um ihn zu feiern. Doch einigen „Woken“ ist er ein Greuel. Das Gespenst der witz- und freudlosen, miesepetrigen Wokeness geht um. Hier einige Beispiele aus dem Karneval.

Aufnahme aus dem Jahr 2014. Der Chinesenfasching hat in Dietfurt an der Altmühl seit 1928 Tradition

IMAGO / Westend61

Ein Gespenst geht um in Deutschland. Das Gespenst, ja die Landplage der humor-, witz- und freudlosen, miesepetrigen, moralinsauren und intellektuell unterbelichteten Aufgewecktheit, Wachsamkeit und Denunziationsattitüde – genannt „Wokeness“. Ausgerechnet zu Karneval/Fasching/Fastnacht feiert dieses Gespenst sein Hochamt. Während Millionen den Alltag hinter sich lassen, in eine Verkleidung schlüpfen, sich hinter einer Maske verbergen, das Tanzbein schwingen, flirten, Krawatten abschneiden, ausflippen, das eine oder andere Glas zu viel zu sich nehmen, am nächsten Morgen ver-„katert“ (m/w/d) aufwachen … Während also Millionen – ohne sich dessen immer bewusst zu sein – mit einem „carne vale“ (Fleisch, lebe wohl!) noch einmal die sprichwörtliche Sau vor der Fastenzeit herauslassen, hocken in den (a)sozialen Netzwerken und in diversen „Experten“-Runden die „woken“ Heckenschützen.

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Pardon, dieses Wortmonster muss jetzt sein, es sind dies die verbiesterten Heckenschützen der Antirassismus/Antikolonialismus/Antisexismus/Antifa/Cancel-Culture/Critical-Race-Theory/Cultural-Appropriation-Kritik/Me-too/White-Lives-Don’t-Matter-Mikrominderheiten-Community, die ihr humor- und freudloses Dahinvegetieren auf Millionen „Normalos“ projizieren wollen.

Ganze Lexika könnte man darüber schreiben, was in der aktuellen „fünften Jahreszeit“, die wegen Corona nun drei Jahre ausfiel, an kafkaesker „Wokeness“ über die Karnevalesen herunterprasselt. Wir greifen fünf von vielen möglichen Beispielen heraus:

1) In Heilbronn stellt ein Bäcker im Fasching besonders verzierte Krapfen her. Zum Beispiel verziert als Chinesen, Cowboys oder schwarze Menschen. Das hat einer Kundin gar nicht gefallen, sie hat die Krapfen fotografiert und die Heilbronner Antidiskriminierungsstelle eingeschaltet. Letztere mahnte den Bäckereibetreiber am 31. Januar schriftlich ab. Der Bäcker aber bleibt bei seinem Produkt.

2) Im hessischen Ober-Mörlen (Wetteraukreis) gibt es die „1. Ober-Mörlener-Karnevalsgesellschaft Mörlau“, dessen Leitfigur ein Mohr (siehe „Mörlau“) ist – ein Mohr, wie man ihn früher (!) auf der Sarotti-Schokolade sah, die jetzt übrigens „Magier der Sinne“ heißt. Nun hatte dieser Verein samt Mohr einen Empfang bei Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). Weil angeblich „viele“ sich über dieses „Blackfacing“ echauffierten, entschuldigte sich der Karnevalsverein und versprach geknickt bußfertig, keinen Mohr mehr auftreten zu lassen.

3) In Köln macht ein Muster-Elternbrief (liegt TE vor) die Runde. Dort heißt es unter anderem: „Damit Karneval an der Schule für alle Schüler*innen und die gesamte Schulgemeinschaft ein schönes Erlebnis wird, halten wir bei der Auswahl der Kostüme die Vermeidung von kultureller Aneignung sowie die Vermeidung der Reproduktion von diskriminierenden, besonders rassistischen Stereotypen für sehr bedeutsam …  Darunter versteht man, dass kein Kostüm gewählt wird, das rassistische Stereotype reproduziert, wie es beispielsweise der Fall wäre, wenn Kinder sich als Native Americans bzw. First Nations, als Sinti*zze und Rom*nja oder aber als Schwarze Menschen verkleiden … Darüber hinaus wünschen wir uns, dass wir so zu einer progressiven und zu einer diskriminierungskritischen Haltung der Schulgemeinschaft beitragen können.“

4) In diversen Regionalzeitungen im Raum Lippe/Bielefeld erklärt eine „Expertin“ aus Gütersloh (wir wissen nicht, wer sie dazu ernannt hat), dass ihr die ohnehin vorhandenen Einschränkungen von Kitas und Schulen bei der Kostümierung der Kinder nicht weit genug gehen.

5) Ein Beispiel nehmen wir uns ausführlicher vor: den „Chinesenfasching“ im bayerischen Dietfurt. Davon haben wir uns am „Unsinnigen Donnerstag“ selbst ein Bild gemacht. Dietfurt – das ist dort, wo sich die Altmühl als Bayerns trägster Fluss und der Rhein-Main-Donau-Kanal vereinen; dort, wo sich die drei altbayrischen Regierungsbezirke Oberbayern, Niederbayern und Oberpfalz geographisch in einem Dreieck küssen. Der 6000-Seelen-Ort erlebt in den wärmeren Jahreszeiten Tausende von durchreisenden Radlern, die den bekannten Altmühl-Radweg bevölkern. So richtig was los ist am „Unsinnigen Donnertag“. Da kommen bis zu 25.000 Leute, um den „Chinesenfasching“ und dessen 1.100 Aktive zu besichtigen. So lange es das noch gibt!?

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Denn einigen besonders „Woken“ ist dieser Dietfurter Fasching ein Greuel. Wegen „Yellow Facing“, „Rassismus“, „Culture Appropriation“ und Co. Eine „Journalistin“ namens Kim Ly hat sich aktuell besonders hervorgetan. Sie hat auf Tik-Tok ein Video gepostet und viele Aufreger an die Heckenschützen-Schießscharten gelockt. Proteste! Proteste! Proteste! Die Website der Gemeinde war schließlich verstopft, die Telefone der Verwaltung waren überfordert. Alle Antirassisten der Welt schienen sich auf Dietfurt eingeschossen zu haben – auf Plakate mit chinesischen Schriftzeichen, auf gelb gekleidete Teilnehmer, auf das chinesische Faschings-„Kaiserpaar“, auf chinesische Drachen, die im Umzug gezeigt wurden.

Übrigens: Der ganze Dietfurter Fasching geht auf eine mittelalterliche Sage zurück, der „Chinesenfasching“ selbst hat seit fast hundert Jahren (1928) Tradition. Und: Dietfurt, die 6000-Einwohner-Gemeinde, hat sogar eine Partnerschaft mit der südchinesischen 8-Millionen-Stadt Nanjing, einer der ältesten Städte Südchinas. Von dort kamen schon Delegationen an die Altmühl, und Dietfurter Musikkapellen hatten Auftritte in China.

Ja, dieses Land ist zu erheblichen Teilen von seinen politischen und medialen (Pseudo-)„Eliten“ her ver-rückt (sic!), also neben die Realitäten gerückt. Der Westen der Welt, Deutschland als Oberstreber voran, sonnt sich offenbar im Rausch der verbiesterten Selbstvergessenheit. Das wahrlich Demokratiegefährdende dabei ist: Hier gibt eine Mini-Minderheit – auch von Heckenschützen in den „sozialen“ Medien – die Schlagzahl vor, und sie wird medial bis hinein in die Talkshows gehätschelt. Die große Mehrheit, die dieses „woke“ Treiben für abartig hält, kommt öffentlich nicht zum Zug. Hoffen wir, dass der deutsche Michel diesem Treiben widersteht, endlich massenhaft die „Klappe“ aufmacht und diese Landplage verscheucht.