Tichys Einblick
Von wegen Parlamentsarmee

Kampfdrohnen: Anhaltende Spiegelfechterei schwächt die Bundeswehr

Die linken Parteien im Bundestag inklusive SPD verzögern die Anschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr. Für Soldaten im Einsatz ist der Unterschied aber entscheidend. Doch Soldaten stehen offenbar grundsätzlich unter Verdacht.

imago Images
Unbemannte Fluggeräte gehören inzwischen zur Standardausrüstung von Streitkräften. Auch die Bundeswehr setzt in Afghanistan und Mali seit Jahren israelische Aufklärungsdrohnen ein. Sie sind als Mittel der Wahl erheblich günstiger als bemannte Flugzeuge und verfügen über eine große Reichweite wie auch lange Stehzeit in der Luft. Um in unübersichtlichen Gefechtssituationen aber nicht nur aufklären, sondern auch verzugslos reagieren und eigene Soldaten schützen zu können, ist deren Bewaffnung erforderlich. Im Falle des Einsatzes von lediglich mit Sensoren bestückten Aufklärungsdrohnen geht am Ende der Zeitvorteil verloren, bis herbeigeführte Kampfflugzeuge oder andere Kampfmittel in das Geschehen eingreifen können. Die bisher durch die Bundeswehr verwendeten wie auch in Beschaffung befindlichen unbemannten Flieger verfügen über keine Bewaffnung. Was bereits einige Partnerländer praktizieren, ist bis jetzt in Deutschland nicht möglich. Diese Ausgangslage kennen TE-Leser bereits seit Dezember letzten Jahres.

Die im Koalitionsvertrag von 2018 vorgesehene grundlegende Debatte vor der Einführung bewaffneter Drohnen hat nun unter anderem im Bundesministerium der Verteidigung in Form einer Veranstaltungsreihe stattgefunden. In einer Vorlage an den Bundestag fordert das BMVg folgerichtig die Beschaffung von Bundeswehr-Kampfdrohnen. „Die Grundlage für die anstehende parlamentarische Befassung und Entscheidung liege vor“, schreibt das Ministerium. Die deutsche Luftwaffe fordert seit Jahren derartige Fluggeräte. In Afghanistan hätten sie als Schutzschirm für deutsche Patrouillen dienen und Leben retten können. „Bewaffnete Drohnen erhöhen nicht nur die Sicherheit und Reaktionsfähigkeit unserer eigenen Kräfte und der unserer Partner im Einsatz, sie können auch signifikant zum Schutz der Zivilbevölkerung und ziviler Einrichtungen vor Ort beitragen“ heißt es in dem Ministeriumsschreiben, das inzwischen an die zuständigen Parlamentarier verschickt worden ist.

Linke Parteien stehen auf der Bremse

Mit dem bevorstehenden Wechsel zur größeren und moderneren Heron TP soll nun deren Bewaffnung einhergehen, was auch für die Weiterführung der Entwicklung der Euro-Drohne im Rahmen der Europäischen Verteidigungsunion gelten soll. Der Deutsche Bundestag kann nun wie vorgesehen über die Bewaffnung gesondert entscheiden, nachdem die völkerrechtlichen, verfassungsrechtlichen und ethischen Aspekte ausführlich behandelt worden sind. Auch die konzeptionellen Grundlagen für deren Einsatz liegen vor. Nun darf man gespannt sein, ob die Regierungspartei SPD die Kraft zum ja aufbringt. Bisher sieht sie noch Beratungsbedarf im Gleichklang mit den linken und grünen Oppositionsparteien.

Der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Gabriela Heinrich nach könne der Bericht lediglich ein erster Schritt sein. „Wir haben harte und verbindliche Kriterien aufgestellt, die erfüllt werden müssen“, sagte sie der dpa. Die Drohnen sollten aus dem Einsatzland und nicht von einem tausende Kilometer entfernten Standort aus gesteuert werden. Außerdem sei das Einsatzkonzept offenzulegen und eine größtmögliche psychologische Betreuung der Piloten zu gewährleisten, die die Drohnen vom Boden aus steuern. Die Linke blieb bei ihrem Nein zu Kampfdrohnen. Für deren Verteidigungsexperten Alexander Neu senken sie als „kostengünstige Distanzwaffen“ die Hemmschwelle zum Einsatz.

Soldaten unter Generalverdacht

So reihen die linken Parteien Argument an Argument, keines ist abwegig genug, als dass es nicht noch in den Lostopf eingeworfen werden könnte. Da wird von völkerrechtswidrigen Tötungen durch Drohnen gesprochen, die man kategorisch ablehne, als ob dies in Deutschland jemals zur Debatte gestanden hätte. Da sorgt man sich um die psychische Stabilität der Bildschirmflieger, als ob der Waffeneinsatz aus der Distanz belastender wäre als die direkte Auseinandersetzung von Mann zu Mann im Gefecht. Da wird vom automatischen Krieg gefaselt, der der Einwirkung des Menschen entzogen wäre. Als ob der automatische Waffeneinsatz mittels einer Drohne vom Einsatzführungskommando in Potsdam aus durch Rechner stattfände, anstatt von Menschen initiiert und gesteuert. Die Herrschaften wollen nicht zur Kenntnis nehmen, dass so oder so Soldaten die Einsatzentscheidung treffen, egal ob sie in einem Kampfflugzeug, einem entfernten Gefechtsstand oder in einem am Kampfgeschehen beteiligten Fahrzeug gefällt wird.

Zeit zum Lesen
„Tichys Einblick“ – so kommt das gedruckte Magazin zu Ihnen
Was steht zu erwarten? Werden weiterhin bisherige Kritiker den Ton angeben mit ihrer Auffassung, dass mit ferngesteuerten Flugzeugen die Hemmschwelle zum Waffeneinsatz sinke, weil damit keine eigenen Soldaten gefährdet werden? Vertreter dieser Position unterstellen damit inhärent den beteiligten Soldaten, dass diese sich nicht an geltende Einsatzvorschriften halten und selbstherrlich entscheiden, dass das was verfügbar ist auch eingesetzt wird. Daraus spricht das grundsätzliche Misstrauen dem eigenen Militär gegenüber, auch wenn die Bundeswehr in den bisherigen Einsätzen dafür keinerlei Anhaltspunkte geliefert hat. Deutsche Befehlshaber und Kommandeure sind im Gegenteil darauf geeicht, sich penibel an geltende Einsatzvorschriften (rhules of engagement) zu halten. Fehler können immer vorkommen, aber wer bewusst von den Einsatzregeln abweichen wollte, würde Bundeswehr intern sanktioniert, in der Öffentlichkeit aber geteert und gefedert. Diese Befürchtungen deutschen Soldaten gegenüber sind nichts mehr und nichts weniger als pauschale Unterstellungen zur Kaschierung der eigenen Entscheidungsschwäche.
Rechtsberater am Auslösehebel

Zu allem Überfluss ist auch noch zu lesen, dass nach den Vorgaben des Verteidigungsministeriums der Einsatz von Kampfdrohnen von einem militärischen Entscheidungsträger „unter Hinzuziehung eines Rechtsberaters“ genehmigt werden müsse – außer in Fällen von Selbstverteidigung! Weiter: „Es gilt der Grundsatz, je wahrscheinlicher zivile Kollateralschäden sind, desto höher die Entscheidungsebene.“ Nach jedem Einsatz müssten „grundsätzlich unverzüglich Schaden und Wirkung“ dokumentiert werden. Der Kundige weiß damit eh bereits, was es geschlagen hat. Im vorauseilenden Gehorsam gegenüber linken Kritikern werden derart strangulierende Vorgaben aufgestellt, dass es nicht mehr feierlich ist. Was soll mit einem Waffensystem bewirkt werden, dessen Einsatz nicht nur Millimeter genauen Bestimmungen zu folgten hat, sondern bei dem vor jedem Drücken des Auslöseknopfes ein Rechtsberater seinen Segen zu erteilen hat? Dann lasst es doch besser gleich sein, denkt der (voreingenommene) Beobachter!

Das Leben der eigenen Soldaten steht auf dem Spiel

Es spielen bei der Frage des Einsatzes von Kampfdrohnen aber auch noch weitere Faktoren eine Rolle. Die gezielten Tötungen von Terrorverdächtigen durch US-Drohnen in Pakistan, Afghanistan, Somalia oder im Jemen sind bekanntlich völkerrechtlich höchst umstritten. Für das deutsche Militär ist und bleibt es unabhängig davon undenkbar, verdächtige Terroristen außerhalb von konkreten Kampfhandlungen quasi hinzurichten. Das ist nach deutschem Recht strafbar und so soll und wird es auch bleiben. Wer dafür einen Auftrag erteilte, stünde vollständig außerhalb unserer Rechtsordnung. Diese Gefahr besteht nicht.

Im Endeffekt werden dem deutschen Militär bis dato die Einsatzmöglichkeiten moderner Waffen verwehrt, die ihnen im Kriegseinsatz einen erweiterten Schutz der eigenen Kräfte und variable Handlungsalternativen bieten würden. Unterdessen dreht sich die Erdkugel weiter, sie orientiert sich dabei nicht an deutschen Bedenkenträgern im Parlament und auch nicht im Verteidigungsministerium. Mit den heutigen Baumarkt-verfügbaren Steuerungsmöglichkeiten von unbemanntem Fluggerät hantieren inzwischen auch Terroristen. Ferner bieten beispielsweise die Chinesen inzwischen meistbietend sogenannte Killerdrohnen an, die höchst leistungsfähig selbst an US-amerikanische Drohnen herankommen. Zur Angebotspalette gehört beispielsweise die CH-5 mit einer Flügelspannweite von 21 Metern und 60 Stunden Flugdauer, einer Reichweite von über 6000 Kilometern und einer Nutzlast von einer Tonne, was für 24 Raketen chinesischer Bauart ausreicht. Verfügbar sind auch kleinere Geräte für alle möglichen Einsatzzwecke, erschwinglich auch für den kleinen Geldbeutel. Steuerungstechnik und Mikroelektronik entwickeln sich stürmisch.

Die Gegner warten nicht

Nicht zuletzt sei daher auf mögliche künftige Entwicklungen hingewiesen. Die Amerikaner haben in den 1980er Jahren den Taliban im Afghanistankrieg Stinger Flugabwehrraketen geliefert und damit zum Scheitern der Sowjets beigetragen. Analog dazu kann darauf gewartet werden, bis die Chinesen ihren pakistanischen Freunden unbemannte Waffen zur Verfügung stellen. Und aus Pakistan ist es bekanntlich nicht sehr weit bis nach Afghanistan. In diesem Fall wären deutsche Soldaten einer Waffe ausgesetzt, die sie selbst nicht einsetzen dürfen. Auch in Nordafrika sind derartige Szenarien mit anderen Beteiligten durchaus denkbar.
Aber was soll‘s, deutsche Gutmenschen werden zwar weltweite Entwicklungen nicht aufhalten können. Immerhin kann mit der Verweigerung von Kampfdrohnen deutschen Einsatzkräften das Leben noch schwerer gemacht werden als sie es ohnehin schon haben. Soviel auch zum Schlagwort von der Parlamentsarmee. Zu viele Parlamentarier sorgen sich mehr um abstrakte Gerechtigkeitsfragen als um das Leben und die Sicherheit deutscher Soldaten.