Tichys Einblick
Mobilität, Energiewende

Junger Blick auf den Wahlkampf: Adieu Fortschritt, welcome Kerzenschein

Sieht man sich die Parteiprogramme an, können wir uns das in Punkto Mobilität und Energieversorgung schonmal abschminken. Das Auto und alle fossilen Energieträger sollen als CO2-Schleudern möglichst schnell von den deutschen Straßen verschwinden.

Die Bundestagswahl hat eigentlich nur ein großes Thema: Werden wir der angeblich nahenden „Klimakrise” den Kampf ansagen oder lassen wir es zu, dass künftige Generationen den Folgen unserer Untätigkeit ausgeliefert sind? Das zumindest ist der gemeinsame Tenor aller großen Parteien. Und sie haben in einem Punkt Recht: Diese Wahl entscheidet über unsere Zukunft. Nur geht es nicht um abstrakte Weltuntergangsphantasien, sondern darum, ob wir künftig noch die Vorzüge eines freiheitlichen Rechtsstaates genießen dürfen und von Innovation und Fortschritt profitieren können. Sieht man sich die Parteiprogramme an, können wir uns das in Punkto Mobilität und Energieversorgung schonmal abschminken. Das Auto und alle fossilen Energieträger sollen als CO2-Schleudern möglichst schnell von den deutschen Straßen verschwinden.

Die Grünen sind erwartungsgemäß die traurigen Spitzenreiter unseres steinzeitlichen Immobilitätprogramms. Sie fordern eine „Energierevolution“. Das heißt: Raus aus den fossilen Energien, rein in die „Klimaneutralität” durch Erneuerbare. Wenn es nach ihnen geht, wird Deutschland zum Fahrrad- und Fußgängerland. Ab 2030 sollen deshalb nur noch emissionsfreie Autos zugelassen und die Fahrgastzahlen in der Bahn verdoppelt werden – gleichzeitig wird der Kohleausstieg vorgezogen. In den Städten sollen Parkplätze für Pop-Up-Radwege geopfert, die Finanzierung des (ohnehin schon bescheidenen) Straßenausbau möglichst gestoppt und die Bußgelder für Parksünder deutlich erhöht werden. Wo Lastenfahrrad und ÖPVN nichts nutzen, soll das E-Auto und Carsharing her – in der Stadt wie auf dem Land. Dass die Umstellung auf Erneuerbare und die Fixierung auf das E-Auto tausende Arbeitsplätze kosten und extreme Stromkapazitäten verlangen wird, wird selbstverständlich nicht thematisiert. Genauso wenig wie die Frage, wie der Spaß für den Normalbürger finanzierbar werden soll. Frau Baerbock möchte für die steigenden Energiekosten aber zumindest jedem 75 Euro Energiegeld als Trostpflaster überweisen.

Die SPD scheint dem in wenig nachzustehen, außer dass sie sich in ihrem Parteiprogramm zu einigen Punkten gar nicht erst äußert. Verbrenner und Fahrverbote werden schlicht nicht erwähnt, stattdessen soll das Tempolimit bei 130 ein kleiner, aber wirksamer Beitrag sein, die Emissionen zu senken. Wie die Grünen, sieht auch die SPD die Zukunft bei elektrischen Antrieben und will bis 2030 mindestens 15 Millionen E-Autos auf unsere Straßen bringen. Deutschland soll im Bereich Batteriezellenfertigung, Akkurecycling und der Entwicklung der Brennstoffzelle vorangebracht werden. Bis 2030 sollen wir „Leitmarkt für Wasserstofftechnologien“ werden und bis spätestens 2040 nur noch erneuerbare Energien nutzen. Kanzlerkandidat Scholz sieht in den Kosten für diese Transformation vor allem ein „industrielles Projekt“ und sprach sich im ersten „Kanzler-Triell” für eine staatlich festgelegte Strommenge aus, die künftig noch verbraucht werden darf.

Leider sieht auch die CDU die vermeintliche „Klimakrise” als das Existenzproblem unserer Zeit, weshalb sich die Auto- und Energie-Politik der ehemals konservativen Partei nur wenig von ihren links-grünen Kollegen unterscheidet. Wir sollen weiterhin „die besten Autos der Welt“ bauen, aber „mit allen Antriebsformen“. Ein Konzept für den Umstieg auf emissionsfreie Mobilität inklusive Ausbau von Rad- und Fußwegen sowie des Ladesäulennetzes ist in Arbeit. Wie die anderen Parteien will auch die CDU den Ausbau erneuerbarer Energien möglichst schnell voranbringen, sieht aber zumindest eine Notwendigkeit darin, einen wettbewerbsfähigen Industriestrompreis zu behalten. Umgesetzt werden soll das durch die „Senkung der regulatorischen Kosten“ – was auch immer das genau bedeuten mag, erklärt wird es jedenfalls nicht. Zumindest ein Diesel-Fahrverbot und ein Tempolimit von 130 lehnt die CDU aber ausdrücklich ab.

Die FDP hat sich selbstverständlich auch dem „Klimaschutz” verschrieben. Tempolimit oder Fahrverbote soll es aber nicht geben. Das brauchen sie auch nicht – nach Ansicht der „Liberalen“ wird der Markt nämlich dafür sorgen, dass ein steigender CO2-Preis fossile Energien unattraktiv macht und gleichzeitig den Ausbau erneuerbarer antreibt. FDP-Chef Lindner philosophierte vor einiger Zeit zusätzlich über einen „CO2-Deckel für den Verkehr“. Ansonsten soll zumindest die EEG-Umlage abgeschafft und der Emissionshandel als Lösung für alles vorangetrieben werden.

Nur die AfD hebt sich merklich von den anderen Parteien ab – schon allein, weil sie den menschengemachten Klimawandel in Frage stellt. Geht es nach ihr, soll der Verbrenner weiterleben, Straßen und Parkplätze ausgebaut werden, Deutschland seine Automobilindustrie wieder aufbauen und bestehende Tempolimits unter Umständen sogar aufgehoben werden, statt neue zu schaffen. Die AfD fordert außerdem die Abschaffung des EEG und bestehende Kernkraftwerke nicht vor Ende ihrer Nutzungsdauer außer Betrieb zu nehmen.

Alles in allem sieht die Zukunft unserer Stromversorgung und unserer Autos also grade im Hinblick auf die Parteien, die um die Kanzlerschaft buhlen, nicht gerade rosig aus. Individualität, Freiheit und Wohlstand durch Mobilität und Innovation drohen Artefakte der Vergangenheit zu werden, von denen wir eines Tages nostalgisch unseren Enkeln erzählen, während wir bei Kerzenschein und mit einer dicken Decke am Küchentisch sitzen, weil die staatlich festgelegte Stromration für diesen Tag schon aufgebraucht ist.

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