Tichys Einblick
Gelöschte Rede bei YouTube

Giorgia Meloni: Europa nach Merkel wird ein Europa der Konservativen

Eine Rede der wahrscheinlich zukünftigen Ministerpräsidentin Italiens wurde von YouTube gelöscht. Ironischerweise kritisierte sie dort, dass „unser Recht auf freie Meinungsäußerung" angegriffen wird und "tagtäglich im realen Leben, in den Medien und in den sozialen Netzwerken von der Diktatur der politischen Korrektheit in den Händen der Oligarchen des Silicon Valley zensiert" werde.

Giorgia Meloni vor dem Parlament in Rom, 30.09.2022

IMAGO / ZUMA Press

Ja, „rechte“ Parteirepräsentanten aus Großbritannien, Polen, Ungarn, Frankreich, Schweden und Deutschland haben Georgia Meloni gratuliert, der Vorsitzenden der „Fratelli d’Italia“ und Siegerin der italienischen Parlamentswahl. Das scheint Grund genug zu sein dafür, dass man früheren Reden und Aussagen der wahrscheinlich künftigen Regierungschefin Italiens nichts Interessantes abgewinnen kann. Das sei doch alles faschistisch, rechtsradikal, antieuropäisch usw. So ereifern sich nicht wenige, die von Taz, ARD, ZDF, SZ, über alle linken Parteien hinweg bis zu Ursula von der Leyen und CSU-Chef Markus Söder die Jalousien heruntergelassen haben und mal wieder wissen, dass die EU am woken deutschen Demokratiewesen genesen müsse. 

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen drohte kurz vor der Wahl mit „tools“ gegen Italien, um es wieder auf den Pfad der Brüsseler EU-Tugend zu bekommen. Der gnadenlos woke bayerische Ministerpräsident Markus Söder will gar eine „Brandmauer gegen rechts“ errichten. Da es mit der historischen Bildung der sogenannten politischen Elite Deutschlands seit Helmut Kohl ohnehin nicht weit her ist und der „Antifaschistische Schutzwall“ fünfeinhalb Jahre vor Söders Geburt errichtet wurde, weiß letzterer wohl nicht, wie peinlich seine „Brandmauer gegen rechts“ allein schon sprachlich ist. Und damit jeder in der CSU auch wirklich weiß, wo der Hammer hängt, stellt Söder noch seinen Partei-Vize und EVP-Vorsitzenden Manfred Weber in den Senkel. Nun war Weber nicht immer als mutiger Streiter für europäische Werte (nicht nur für EU-Werte) aufgefallen, aber anlässlich der italienischen Wahlergebnisse hat er sich doch differenziert und ziemlich mutig um Besonnenheit im Umgang mit Italien bemüht.

Youtube löscht Meloni – aber man weiß, wie sie denkt

Wie aber denkt Meloni? Man soll es möglichst nicht erfahren. Am Mittwoch, 28. September 2022, nämlich löschte Youtube zum Beispiel das Video einer Ansprache von Meloni und hinterließ einen Hinweis: „Dieses Video wurde wegen Verstoßes gegen die Community-Richtlinien von YouTube entfernt.“ Andere Kopien der Rede bleiben allerdings bei YouTube abrufbar (zum Beispiel hier). Hintergrund: Meloni hatte 2019 eine Rede beim „Weltfamilienkongress“ in Verona gehalten. Dort meinte sie mit Blick auf die vereinte Linke: „Sie sagten, es sei skandalös für die Menschen, die natürliche Familie zu verteidigen, die auf der Ehe basiert, die Geburtenrate erhöhen zu wollen, dem menschlichen Leben den richtigen Wert beimessen zu wollen, die Freiheit in der Bildung zu unterstützen und Nein zur Gender-Ideologie zu sagen.“ Meloni will für das „Recht einer Frau kämpfen, Mutter zu sein“ und nicht abtreiben zu müssen.

Meloni sagt da auch Sätze, die man – zumal aus dem Munde einer Frau, die in jungen Jahren den faschistischen Diktator Mussolini verehrte – als höchst fragwürdig betrachten kann. Sie spricht davon, dass wir ohne unsere „Identität“ zu „Sklaven“ würden: „Wenn ich keine Identität, keine Wurzeln mehr habe, werde ich ein perfekter Sklave, ausgeliefert der Gnade der großen Finanzspekulation“. Und weil man sich dagegen wehre, „verbreiten wir so große Angst“.

Wie denkt Meloni sonst? Söders Lautsprecher Alexander Dobrindt, Chef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, nannte das italienische Wahlergebnis „antieuropäisch“ und unterstellte damit auch der Wahlsiegerin Meloni eine entsprechende Attitüde. Wir beziehen uns im Zusammenhang mit diesem Vorwurf auf eine Rede vom Sonntag, 9. Oktober 2021, vor der Ende 2013 gegründeten spanischen konservativen Partei „Vox“ in Madrid.

Melonis Prinzipien: Nation, Christsein und Familie

Der deutsche Mainstream wird sagen: Meloni lässt kein verbales Fettnäpfchen aus. Sie spricht die Zuhörer als „Patrioten“ an. Sie nennt den „globalistischen Mainstream“ als Hauptgegner. Und sie betont: Die vermeintlich Guten wollen uns die Kultur des Wegwerfens aufzwingen. Und sie meint damit das Wegwerfen von ungeborenem Leben, Familie, Christsein und von Meinungsfreiheit …

Meloni sagt über Familie: „Die Familie wird angegriffen, die wesentliche Keimzelle für die Zeugung, Erziehung und Bildung unserer Kinder, das Zentrum der Zuneigung und Solidarität zwischen den Generationen, der erste Ort der Zugehörigkeit. Die sexuelle Identität wird angegriffen, die die LGBT-Lobbys durch Gender-Propaganda in den Schulen, in den Medien, in den Institutionen mit dem Prinzip des „self id“ – ich bin nicht, was ich bin, sondern was ich fühle – demontieren wollen, was vor allem die Rechte und Errungenschaften der Frauen angreift.“ 

Und: „Unsere Spiritualität, unser Sinn für das Heilige und unsere christlichen Wurzeln werden im Namen des absoluten Relativismus und des aggressiven Atheismus angegriffen, die letztlich den Weg für fundamentalistischen Proselytismus ebnen. So wird die Laizität des Staates als Knüppel gegen die Symbole des Christentums eingesetzt, während man so tut, als ob man nicht sehen würde, dass in Europa ganze Stadtviertel dem islamischen Recht unterworfen sind.“

Über Europa und Nationen sagt sie: „Die Grenzen unserer Nationen und Europas werden angegriffen, sie sind dem entsetzlichen Druck der Einwanderungsrhetorik der Linken ausgesetzt, die einen schändlichen Menschenhandel betreibt, um uns mit neuen verzweifelten Menschen zu füllen, die in zu vielen Fällen in der Kriminalität enden oder die Brotkrumen mit unseren Armen in den Vorstädten der großen Metropolen teilen. Unsere Geschichte wird angegriffen, feige versucht von der linken Löschkultur, die alles vergisst und alles zerstört. Natürlich ist die Geschichte Europas und des Westens voller komplexer und tragischer Ereignisse, aber diese Geschichte hat die Demokratien geformt, die wir heute kennen.“

Meloni weiter: „Unser Recht auf freie Meinungsäußerung wird angegriffen und tagtäglich im realen Leben, in den Medien und in den sozialen Netzwerken von der Diktatur der politischen Korrektheit in den Händen der Oligarchen des Silicon Valley zensiert, die mit ihren milliardenschweren „digitalen Staaten“ der ganzen Welt ihre Regeln aufzwingen und die Menschen ihres Wohlstands und ihrer Souveränität berauben.“ 

Das ist Georgia Melonis Selbstbild: „Ich bin Giorgia, ich bin eine Frau, ich bin eine Mutter, ich bin Italienerin, ich bin eine Christin: das werden sie mir nicht nehmen! Es muss klar sein, dass die Liebe zum Vaterland nicht bedeutet, nicht an Europa zu glauben, denn Nation und Europa sind keine widersprüchlichen Werte. Nur die bösgläubigen Linken können dies behaupten, denn sie haben das Vaterland immer gehasst und begannen Europa erst zu lieben, als sie zu Waisen der Sowjetunion wurden. Sie versuchten nämlich, das Europa der Völker und der Vielfalt in eine Art Sowjetstaat zu verwandeln, in dem es nur noch Bürokratie, Vorgaben von oben und Homologation gibt.“

Meloni spricht über einen europäischen Patriotismus: „Ich bin stolz darauf, ein italienischer Patriot und ein europäischer Patriot zu sein. Das hält mich aber nicht davon ab, die derzeitige Europäische Union zu kritisieren, eine Karikatur der europäischen Zivilisation, die Unterschiede aufheben will, die uns absurde Richtlinien für die speziellsten Aspekte unseres Lebens aufzwingen will, die uns vorschreiben will, wie wir unsere Kinder erziehen sollen, die die Produkte unserer Spitzenleistungen angreifen will.“ Und zum Schluss: „Es gibt, meine Freunde, ein anderes mögliches Europa … Wir müssen zusammenarbeiten, damit das Europa nach Merkel ein Europa der Konservativen, ein Europa der Patrioten ist.“

Es wird spannend, wenn demnächst die markante Meloni und die aalglatte von der Leyen zusammenstoßen. Mit Angela Merkel muss Meloni nicht mehr zusammenstoßen, das bleibt ihr erspart. Jedenfalls zeigt die Italienerin mehr historisches Verständnis von Europa als die in der Presse oft zur “Königin von Europa“ hochgejubelte Merkel, die ihr dürres Verständnis von mehr als zweitausend Jahren Europa auf den kläglichen Nenner gebracht: „Scheitert der Euro, dann scheitert Europa.“ Nein, Europa droht am größenwahnsinnigen, zunehmend totalitär anmutenden EU-Büro-, Technokratismus der von der Leyens und Co. zu scheitern.

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