Tichys Einblick
Eiertanz um Worte

Gescheiterte Integration: Wer nichts abfordert, wird nicht respektiert

Migranten treffen auf eine deutsche Gesellschaft, die sich vor einer ehrlichen Integrationsdebatte selbst einschüchtert, und auf einen schwachen Staat, der mangelnden Integrationswillen kaum sanktioniert.

imago Images/Arnulf Hettrich

Die Stuttgarter Gewaltexzesse, deren Zusammensetzung Polizeivizepräsident Thomas Berger als einen „bunten Mix aus vielen Ländern“ beschrieb, sind der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die sich bereits in der Vergangenheit abzeichnete. Das hat auch die Deutsche Polizeigewerkschaft deutlich gemacht. Probleme besonders mit „jugendlichen und heranwachsenden Tätern mit überwiegendem Migrationshintergrund“ hätten die Polizei in den vergangenen Wochen vermehrt beschäftigt und seien der Stuttgarter Stadtverwaltung seit Langem bekannt gewesen, sagte der Landesvorsitzende Ralf Kusterer.

Befinden sich Zuwanderer unter Tatverdächtigen, gleicht deren Nennung oft einem gesellschaftlichen Eiertanz. Dabei ging bereits 2018 aus dem Bundeslagebild „Kriminalität im Kontext von Zuwanderung“ des Bundeskriminalamtes (BKA) hervor, dass bei bestimmten Gewaltdelikten überproportional häufig Zuwanderer unter den Tatverdächtigen zu finden sind. 

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Nicht nur die Täterherkunft wird oft schöngeredet, um die Idylle einer problemfreien Einwanderung aufrecht zu erhalten. Die kritische Auseinandersetzung mit der Frage, welche Ursache diese Gewaltaufstände haben könnten, wird dabei ebenso gerne vermieden. Bezeichnungen wie „Party- und Eventszene“ sind lediglich begriffliche Nebelkerzen, die das Grundproblem verharmlosen und gleichermaßen die Erklärungsnot verdeutlichen. Diese Taten offenbaren nämlich eine gewaltvolle Grenze der Integration, die sich mit Verschärfung der sozialen Lage sicherlich auch in anderen Städten fortsetzen wird. Als Gesellschaft können wir uns das Ignorieren von Fehlern im Umgang mit Integration daher nicht mehr länger leisten. 

Doch was befeuert solche Aufstände?

Deutschland gibt viel und fordert wenig

Wir haben es in Deutschland mit einer Integrationspolitik zu tun, die das Individuum zu einem großen Teil von Eigenverantwortung entbindet und Integration als eine Art Angebot betrachtet, das freiwillig angenommen werden kann, aber nicht muss. Integration ist in Deutschland eine kaum messbare Größe, da Steuerungs- und Sanktionsmaßnahmen fehlen. Integration erfordert jedoch Anstrengung von allen Seiten. Ein wesentlicher Schlüsselbegriff für Integration ist Eigenverantwortung. Sie ist daher in weiten Teilen auch eine individuelle Leistung.

Erfolgreich Integrierte, und davon gibt es viele, haben auf verschiedenen Ebenen ganz individuelle Entscheidungen treffen müssen. Allen gemein ist die grundlegende Identifikation mit der neuen Heimat und ihren Werten. Dies steht konträr zu den staatlichen deutschen, oftmals islamisierten, Integrationsbemühungen, die Lösungen im importierten patriarchalischen Systems der Herkunftsländer suchen. Dabei wird jedoch nicht das Individuum in seinen Kompetenzen bestärkt, sondern das religiös-patriarchalische Kollektiv. So engagieren wir Lehrer und Polizisten mit Migrationshintergrund und signalisieren damit indirekt, dass nur Lehrer und Polizisten mit gleicher Herkunft oder Religion respektiert werden können. 

Es gilt jedoch die Person zu respektieren, die den Staat repräsentiert, denn Integration kann nur gelingen, wenn man sich grundlegend mit Deutschland als Heimat identifiziert.

Kein Einzelfall
Das Menetekel von Stuttgart
Im Rahmen von Integrationsdebatten wird oft angeführt, dass die jüngere Generation der Zuwanderer-Kinder und -Enkel vergleichsweise besser gebildet ist. Diese Fortschritte im Vergleich zur ersten und zweiten Generation sind jedoch nicht als besonderer Erfolg zu erklären: Weil die erste Generation meist als Gastarbeiter mit geringem Bildungsgrad aus Ländern mit vergleichsweise schwachen Bildungssystemen nach Deutschland, war eine bessere Bildungsentwicklung der nachfolgenden Generation fast zwangsläufig. Genauso auffällig wie interessant ist jedoch, dass die erste Generation der muslimischen Migranten oftmals gar nicht so sehr als Muslime wahrgenommen, sondern „Gastarbeiter“ genannt wurden. Sie definierten sich auch meist selbst nicht vordergründig „religiös“. Die Bedeutung von Religion nahm erst ab der zweiten Generation zu. Während die erste Generation stark am Herkunftsland orientiert war, begann mit der zweiten Generation eine Orientierung nach Deutschland, sodass sich diese Generation zwischen der Welt des Heimatlandes und der Welt der neuen Heimat bewegte. Zugleich änderte sich der Terminus von „Gastarbeitern“ zu „Ausländer“, da eine Rückkehr in das Heimatland mehrheitlich nicht mehr zu erwarten war. Mit der Integrationsdebatte Ende der 1990er Jahre wurden „Ausländer“ schlussendlich zu „Migranten“. Mit den Anfängen der dritten Generation erleben wir aktuell eine Generation, die sich immer stärker dem Islamismus zuwendet.
Wir wissen oftmals gar nicht, was wir fordern sollen

Selbstverständlich muss Integration auch Rechte und Chancen gewährleisten, die eine aktive Teilhabe in der Gesellschaft ermöglichen. Neben zahlreichen anderen Angeboten bieten seit Inkrafttreten des Zuwanderungsgesetzes im Jahr 2005 bis 2019 rund 1.600 Kursträger in Deutschland Integrationskurse an. Wer aber immer neue Integrationsangebote erstellt, jedoch gar nicht weiß, was er eigentlich fordern darf und will, schafft lediglich eine Integrationsindustrie, von der insbesondere Sozialverbände und die Politik profitieren. Eine Gesellschaft muss daher für sich politisch klären, wie sie mit fremden Religionen und anderen Ethnien umgehen will. Dazu sind Steuerungs- und Kontrollmechanismen notwendig, die Integrationsergebnisse für alle Beteiligten transparenter machen. 

Doch wer stellt die Frage, was wir konkret von Migranten erwarten sollten? 

Weder die aktuelle Regierung, noch das Bildungs- oder Justizsystem werfen diese Frage auf. Das Gegenteil ist sogar der Fall. Durch die mangelnde Benennung von Integrationsproblemen, versuchen sich Politiker in hilflosen Behauptungen zu überbieten, die von „Wir schaffen das“ bis „Party- oder Eventszene“ reichen. 

Wer würde uns mit unseren Forderungen ernst nehmen?

Häufig aufgewachsen in patriarchalisch strengen Systemen, treffen Migranten auf einen schwachen Staat, der kaum Kontrollmechanismen kennt, um einen mangelnden Integrationswillen sanktionieren zu können. Hinzu kommen Staatsorgane, vor allem die Polizei, die mit mangelnder Rückendeckung von Seiten der Politik und Medien zu kämpfen hat und dabei zugleich mit den direkten Folgen verfehlter Integrationspolitik konfrontiert wird. Welchen Grund sollte daher ein Migrant sehen, diese Gesellschaftsform ernst zu nehmen?

Die Probleme der Integrationspolitik zeigen daher auch die Probleme unseres eigenen Selbstverständnisses als Land auf. Welche Werte haben wir, die es selbstbewusst zu proklamieren und einzufordern gilt? Wir müssen uns daher auch die Frage stellen, was uns als Gesellschaft an Werten wichtig ist, so dass diese auch für Migranten attraktiv erscheinen.

Als „Privilegierte“ dürfen wir darüber nicht reden

Um eine Forderung artikulieren zu können, ist eine Diskussionskultur über die politischen Grenzen hinweg nötig. Wir erleben jedoch eine zunehmende Diskursunfähigkeit, da eine kritische Debatte über Integrationspolitik schnell in Rassismusvorwürfe und Ablehnung mündet.

Wie selbstverständlich fordern muslimische Migranten nach Geschlechtern getrennten Schwimmunterricht oder Halal-Essen in Kitas und Kantinen. Die Forderung nach Respekt gegenüber der deutschen Kultur gilt hingegen fast als rassistisch anmutende Erwartungshaltung privilegierter Biodeutscher. Dabei behindert oftmals die deutsche Politik selbst eine kritische Debatte aus vordergründigen Motiven. Den Diskurs über die Integrationsfähigkeit türkischer Migranten etwa scheut man, weil man fürchtet, die Türkei als Verbündeten zu verlieren.

Die wichtigste Voraussetzung für den Beginn einer ernsthaften Integration in Deutschland wäre eine Politik, die lernt, dass dazu das Ende der eigenen Selbsteinschüchterung nötig ist.

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