Tichys Einblick
M. Wolffsohn über Belehrende Außenpolitik

Heiko Maas: Kenntnisarm auf hohem Ross

Wenn Mode bei der Wahl der Hemden, aber auch in der Politik so richtig daneben greift: Heiko Maas auf dem Trampelpfad durch europäische Innenpolitik.

imago images / photothek

Zuzutrauen wäre es Außenminister Heiko Maas, wenn er bei Kritiken und schlechter Presse, die allein auf ihn zurückfielen, seine Referenten zusammenstauchen oder dem Pressewart im Auswärtigen Amt die Leviten lesen würde. Denn im kleinen Mann steckt viel Potenzial, seinen Frust (über sich selbst) an anderen auszulassen. Für die sich selbst verordnete Selbstüberhöhung („Wegen Auschwitz bin ich in die Politik gegangen“) können doch andere nichts.

Maas kann einem nur noch leid tun, wie er mit seinem eigenen bigotten moralischen Anspruch nicht Schritt zu halten vermag. Eigentlich müsste so ein Außenminister freiwillig zurücktreten. Doch, so denkt sich wohl Maas, ich bin ohne Meriten in dieses hohe Amt gekommen, warum also sollte ich ohne erworbene Verdienste denn zurücktreten? Dass das Außenministerium Schaden nimmt mit Maas, raunen sich etliche Nationen und Diplomaten zu.

Jedenfalls musste ich nicht wenig schmunzeln, als ich die Kritik des bekannten Historikers und Publizisten Michael Wolffsohn gelesen habe – obwohl das Thema im Kern eigentlich viel zu ernst ist. Doch geht es einem eben wie jedem stinknormalen Bürger, vor diesem Außenminister geht jeder Respekt flöten, der selbst kaum Respekt vor anderen zum Ausdruck bringen kann.

Michael Wolffsohn, Dozent der Neueren Geschichte an der Bundeswehr-Universität in München, beschrieb in seinem Beitrag für den Tagesspiegel mit der Überschrift „Heiko Maas und der Iran – Was Moral ist, bestimmt Deutschland“ eigentlich die gesamte Unzulänglichkeit eines Heiko Maas, der diesem wichtigen Amt schlichtweg nicht gewachsen ist.

Am Ende des Beitrags, fast schon bedenklich, lässt Michael Wolffsohn den deutschen Außenminister trotz seiner maßgeschneiderten Garderobe als nackten Kaiser dastehen. Und wir fragen uns, wie konnte es soweit kommen, wenn selbst so eine integre und sachliche Person jeden Respekt vor der Personalie des Heiko Maas fallen lässt. Der sehr gute und ausgewogene Artikel, ja, er ist eine Analyse der vergangenen Wochen und Monate, gibt die Antwort.

Wolffsohn beginnt den Artikel schon recht süffisant: „Außenminister Heiko Maas kann durchaus als Maß der gegenwärtigen Herrenmode gelten. Er pflegt aber nicht nur sein persönliches Äußeres, sondern auch unsere staatlichen Außenbeziehungen – und zwar, ohne moralische Werte zu vernachlässigen. Doch weder korrekte Mode noch Moral schützen vor politischen Fehltritten. Vor allem dann nicht, wenn weder der Minister noch die Verantwortlichen in seinem Haus über das jeweils notwendige kulturelle Wissen verfügen.“

Überall möchte Maas mit seiner zur Schau gestellten Hypermoral glänzen, und unsereiner fragt sich schon, wieso ausgerechnet der Außenminister die Kunstrückgabe (geraubte Stücke aus der NS-Zeit) für die Uffizien in Florenz vornehmen musste?

Dazu hier Wolffsohns Zeilen: „Anschauungsunterricht bekamen wir Mitte Juli: Wie es Recht und Moral gebieten, bemüht sich die gesamte Bundesregierung um die Rückgabe von Kunstwerken, die in der NS-Zeit geraubt wurden. Und unser geschichts- und moralbeflissener Außenminister ließ es sich nicht nehmen, die jüngste Rückgabe an Italien in den Uffizien von Florenz höchstpersönlich vorzunehmen.“

Als nächstes wird die Garderobe des Heiko Maas beschrieben, und Wolffsohns Beschreibung und Belesenheit lässt die Leser teilhaben, an der Selbstverständlichkeit, dass Mode zwar das eine Element ist, aber falsch getragen oder zusammengestellt, in der hohen Diplomatie die absolut falschen Signale setzen kann. Doch woher soll das ein Parvenü in der Politik wissen, der zu großen Ämtern qua parteipolitischer Hierarchie gekommen ist, ohne je Wahlen gewonnen zu haben?Wer mit solch hohem Amt „belohnt“ wird, ohne wirklich je Großes geleistet zu haben oder sich sonst wie dafür qualifiziert zu haben?

Korrekt angezogen erschien der Außenminister zwar zur Rückgabe der gestohlenen Kunst von den Nazis mit schwarzer Krawatte zum schwarzen Hemd. Moment, ausgerechnet ein schwarzes Hemd!?

„Schwarzhemden gehörten in Mussolinis Italien zur Uniform der Faschisten-Miliz. Bekanntlich waren die „Schwarzhemden“ und ihr Führer, der „Duce“, Verbündete des deutschen „Führers“ Adolf Hitler“, klärt Wolffsohn hier kurz mal en passant auf, wobei das viele Normalbürger wissen – im Referat des Auswärtigen Amtes, auch AA abgekürzt, wohl nicht. Das Protokoll orientiert sich wohl eher an den Modemagazinen wie GQ und Vogue, gewinnt man den Eindruck.

Dass die Uniformen der SS-Schergen und „Mörderbanden“ ebenfalls schwarz-in-schwarz waren, so what?

Selbst bei nur Halbkundigen, so Professor Wolffsohn, weckte das alles andere als Wohlgefühle. Das AA machte sich zwar keinen Kopf, dieser Fauxpas aber machte die Runde wie ein schlechter Witz.

Mehr als nur eine Panne. Während die italienische Regierung Bella Figura zum schlechten Stil des Heiko Maas machte und stilvoll schwieg, lachten dafür andere kundige Diplomaten im In- und Ausland über die „mangelnde Sensibilität der Protokollverantwortlichen“.

In diesem Moment kam die ganze Symbolkraft der deutschen Außenpolitik (und vielleicht nicht nur) zu Tage: „Das Auseinanderklaffen zwischen dem moralischen Anspruch des Ministers, und dem Fehltritt im Auftritt ist das Grundproblem der deutschen Außenpolitik insgesamt.“, fasst es Publizist Wolffsohn zusammen.

Seit Jahrzehnten, aber auch speziell wieder in den letzten Jahren, Monaten und Tagen, präsentiert sich Deutschland erneut als selbsternannte moralische Weltmacht. Kanzlerin Merkel und Heiko Maas? I-Tüpfelchen der Auswüchse.

Der geschichtskundige Wolffsohn weiter: „Wir erleben die Wiederauferstehung des teutschen 19. Jahrhunderts, frei nach Emanuel Geibel („Am deutschen Wesen soll die Welt genesen“).“

Und fast getreu dieser „altneudeutschen Weltsicht“ tritt ein Mann wie Maas dann auf, und erteile im schwarzen Hemd ausgerechnet der Regierung des „einstigen Schwarzhemdenlandes“ moralisch-politischen Nachhilfeunterricht in Sachen Migrations- und Flüchtlingspolitik?

Dass ein Matteo Salvini auch deshalb nur ironisch schmunzelte, manchmal auch zurückkeilte („Der Bundespräsident und Außenminister, sollen sich um die Politik in Deutschland kümmern…“), speziell bei der Krise um Carola Rackete, ist dahingehend nur folgerichtig.

Auch dieser Gedanken-Erguss, „Koalition der Hilfsbereiten“ hatte von Heiko Maas nämlich nur einen Zweck zu erfüllen. Diese Koalition der Willigen in der EU, so denkt der einfach strukturierte Mensch Maas dem Vernehmen nach, solle vor allem eines signalisieren: „Ihr, die Salvini-Italiener, seid nicht hilfsbereit. Ich bin es, und ich biete euch an unserer feinen Gesellschaft beizutreten. Was Moral ist, bestimmt Deutschland“.

Der Bundeswehr-Dozent für Geschichte Wolffsohn schreibt dem Außenminister deutliche Worte ins Stammbuch. Man habe ihn durchschaut. Andere würden vielleicht verkürzt sagen, Maas ist ein subtiler Hetzer.

Der Saarländer Maas vergisst jedoch, dass es außer Italien in der EU und in der Welt überall noch Staaten gäbe, die das etwas anders sehen. Die von Maas (und den seinen) Belehrten werden sich irgendwann revanchieren, prophezeit Wolffsohn.

In der aktuellen Krise in der Straße um Hormus, aber auch im UN-Sicherheitsrat, machen Maas und die Bundesregierung alles andere als Bella Figura. Denn, Deutschland nähme seine Führungsrolle nicht an. Wolffsohn: „sicherheitspolitisch sind Deutschland und Europa brüllende Mäuse“. Und je lauter sie brüllen, desto weniger nimmt man sie ernst. Ob sich Maas in diesem Bild gefällt?

Dieser Tage, schreibt Wolffsohn, habe der Iran die einstige maritime Weltmacht Großbritannien „regelrecht vorgeführt.“ Und ausgerechnet jetzt, als die USA und auch die Britten Deutschland förmlich darum gebeten haben, „eine Mission zur Sicherung des Handelsverkehrs in der Straße von Hormus zu unterstützen“, gegebenenfalls Schiffe zu entsenden, ducken sich die deutschen Hauptakteure weg.

Immerhin, habe die neue Verteidigungsministerin, Annegret Kramp-Karrenbauer, einen Einsatz nicht grundsätzlich ausgeschlossen – „da stand allerdings noch eine rein europäische Mission zur Debatte“.

Es scheint aber kein Geheimnis zu sein, wie das Bitten der Amerikaner und Briten wohl ausgehen werde, die SPD, Heiko Maas‘ Partei, lehnte prompt ab. In Sachen Iran überbot sich Deutschland, und federführend mit Maas, bislang in der üblichen Appeasement-Poesie, so Wolffsohn direkt. Die kleinlauten „Multilateralisten“ ducken sich weg, und prangern stets die bösen Unilateralisten wie Trump an.

Das tiefe Ansinnen, jedoch als oberflächlicher Spruch vor sich hergetragene, „Nie wieder Auschwitz“, um eine Wiederholung solcher Verbrechen zu verhindern (was ja jeder normal tickende Bürger selbstredend sofort bejaht, ohne es an die große Glocke zu hängen), war also Maas‘ Grund, in die Politik zu gehen, wie er es irgendwann plötzlich in die Öffentlichkeit schob, gerade mal frisch im Amt als Außenminister. Nur, irgendwie, widerspricht dem seine ganze Haltung und Politik.

So fragt Wolffsohn recht offensiv, ob Maas diesen Vorsatz vergessen habe, oder habe ihm die „traditionell israelkritische (israelfeindliche?) Ministerialbürokratie“ gar die Flügel gestutzt? Jedenfalls, und so erklärt es Wolffsohn, hofiere Maas unverdrossen den Iran. Und der macht keinen Hehl aus seinem strategischen Ziel, den Jüdischen Staat auszulöschen.

Außenminister Maas und nicht nur er, sehr viele andere Deutsche auch, rechtfertigen ihre heutige Politik als Antithese zur deutschen Vergangenheit. „Geschichte ist ihr moralisches Hauptargument“, so schließt Professor Wolffsohn die gelungene Analyse und, ja, Entblätterung des Heiko Maas. Allerdings, so fügt Wolffsohn hinzu, sei das historische Wissen hier und da bestenfalls lückenhaft. Kein Wunder also, dass Maas politisch und moralisch nackt da steht.

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