Tichys Einblick
Überforderter und überlasteter Minister?

Habeck beklagt hohe Arbeitsbelastung seiner Mitarbeiter: „Die haben Burnout, die kriegen Tinnitus“

Es gehört sich vielleicht, dass sich ein oberster Dienstherr vor seine Leute stellt. Aber es könnte auch sein, dass Habeck seinem Ministerium mit so manchem Zickzack-Kurs zusätzliche und unnötige Arbeiten aufbürdet. Oder dass er sich mit der Großen Transformation dieses Landes übernimmt.

IMAGO / Christian Spicker

Für erhebliche Teile des Wahlvolkes und für einen großen Teil der grün-roten medialen Akklamationsblase war er längst zum Kanzler der Herzen avanciert. Zum Kanzler selbst hatte es ja nicht gereicht, da standen ein roter Olaf Scholz und eine ebenfalls grüne Parteigenossin Annalena Baerbock im Weg. Bald aber zeigte sich, dass keiner so schön alles durchdringend und so schön laut denkend um die großen Probleme des Landes, ja der ganzen Welt herumschwadronieren konnte wie er: Robert Habeck (53). Man traute ihm zu, dass er alle seine nicht wenigen Aufgaben besonnen und nachhaltig löst, und verdrängte, dass er selbst einen Großteil dieser Probleme darstellt. Nur zwei seiner Jubelperser seien genannt und zitiert.

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Eine öffentlich-rechtliche Kommentatorin namens Aline Abdoud gibt am 14. September beim ARD/ZDF-Gemeinschaftsportal „funk“ schier euphorisiert zum besten: „Kaum einer in der Politik ist so beliebt wie er hier.“ Habeck sei ein „Macher, einer, der Sachen anpackt“. Und das „kommt offenbar gut an, obwohl er gerade vor Mega-Herausforderungen steht“. Der Herausgeber einer Regionalzeitung im bayerischen Straubing namens Prof. Dr. Martin Balle zeigt sich am 17. September in einem Leitartikel ausführlichst beeindruckt ob Habecks „Authentizität“. Laudator Balle erklärt die „provozierende“ und „zelebrierte“ Authentizität des „Intellektuellen Habeck“ so: Er habe eine seltene und wunderbare Biografie sowie eine eigene Sprache und Haltung, die bei Kollegen Neid und Eifersucht erwecke.

Ja, authentisch ist der Herr Vizekanzler jetzt vor allem im freien Fall, in seiner Selbstüberschätzung, in seiner Überforderung, in seiner verbohrten Ahnungslosigkeit, zuletzt auch im Verlust an Contenance. Kurz: Robert Habeck ist das, was man sich im anglomanischen Deutschland als einen Aufsteigenden-Stern-„shooting-star“ vorstellt, was in der englischen Sprache aber ein Verglühender-Komet-„shooting-star“ ist. Der verglühende Fall ist tief. Das liegt nicht an Putin, sondern daran, dass der Energieminister Habeck herumeiert, zum Beispiel in Sachen Atomkraft und Gasumlage. Und es liegt daran, dass der Wirtschaftsminister Habeck offenbar nicht so recht weiß, was eine Insolvenz ist. Bei „Maischberger“ im ZDF erklärt er dies zum Beispiel am 6. September so: Eine Insolvenz könne man vermeiden, indem man vorher aufhöre zu produzieren!

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Hämische, analogisierende Kommentare ließen im Netz denn auch nicht lange auf sich warten: Da ertrinkt doch keiner, er hat nur aufgehört zu schwimmen. Da stirbt doch keiner, er hat nur aufgehört zu atmen. Da ist doch keiner pleite, er hat einfach nur kein Geld mehr. Es gibt doch keine Inflation, es wird alles nur erheblich teurer …

Solche Habeck’schen Erkenntnisse sind denn sogar dem sonst endlos schafsgeduldigen deutschen Michel zu viel. Man merkt: Habeck ist nicht etwa intellektuell insolvent, er hat nur aufgehört zu denken, allerdings nicht aufgehört zu reden. Folge: Habeck stürzt in der Beliebtheitsskala von Platz 1 auf Platz 6. Schlimmer noch: Auf Platz 1 steht nun die grüne „Völkerrechtlerin“ Annalena Baerbock, auf Platz 2 Bayerns Ministerpräsident Markus Söder usw.

Habeck wird dünnhäutig

So etwas zerrt am Ego. Insofern ist es (psycho-)logisch, wenn Habeck schon auch einmal die Contenance verliert, weil er sein Ministerium (und sich) an den Pranger gestellt sieht. So meinte er am Donnerstag, 22. September, bei einem Kongress des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) in Berlin mit Blick auf die Mitarbeiter seines Ministeriums: „Die Leute, irgendwann müssen die auch schlafen und essen … Es ist jetzt kein Scheiß, den ich erzähle: Die Leute werden krank. Die haben Burnout, die kriegen Tinnitus. Die können nicht mehr.“ Es seien immer die gleichen Leute, die die Gesetze machten, weil das Haus so aufgebaut sei. In seinem Ministerium seien in den vergangenen neun Monaten 20 Gesetze und 28 Verordnungen gemacht worden, berichtete Habeck. „Ich müsste mal nachzählen, wie viele Gesetze das Wirtschaftsministerium in der letzten Legislatur gemacht hat.“ Er würde tippen, es seien weniger.

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Wenn man Habeck so hadern hört, beginnt man spätestens, mit dem Herrn Minister zu hadern. Schließlich ist es Habeck, der seinen Leuten alles Mögliche aufhalst – aus eigenem Antrieb oder aufgrund eines Koalitionsvertrages, den er maßgeblich mit verhandelt hat. Wir sollten auch nicht vergessen, dass Habecks Ministerium rund 2.200 Bedienstete sowie drei Parlamentarische Staatsekretäre (alle „grün“) und vier beamtete Staatssekretäre (alle ziemlich „grün“ oder gar aus „grünen“ NGOs kommend) hat. Nun gut, es gehört sich, dass sich ein oberster Dienstherr vor seine Leute stellt. Aber es könnte auch sein, dass Habeck seinem Ministerium mit so manchem Zickzack-Kurs zusätzliche und unnötige Arbeiten aufbürdet. Oder dass er sich mit der Transformation dieses Landes in eine Öko-Diktatur doch übernimmt.

Habecks Lamento könnte aber auch gezielt eingefädelt sein, um weitere Stellen für Spitzen- und/oder Gefolgsleute zu bekommen. Wer weiß, vielleicht will Habeck sich wie die grün-feministische Chefdiplomatin im Auswärtigen Amt eine zusätzliche Staatssekretärsstelle für eine Lobbyistin ergattern. Baerbock hatte ja Jennifer Morgan, die US-Amerikanerin und vormalige Chefin von Greenpeace, flugs zur Deutschen und dann zur Staatssekretärin gemacht. Da würde man sich nicht wundern, wenn sich Habeck eine Ober-Aktivistin von „Fridays for Future“ an einen Staatssekretärs-Schreibtisch ins Haus holte.

Oder aber, es ist alles noch viel einfacher: Der Minister fühlt, dass er überfordert ist und kurz vor einem Burnout steht, letzteren aber in die 2.200 Bediensteten seines Hauses hineinprojiziert.