Tichys Einblick
Ein wenig Polemik muss sein

Grüne Zehn Punkte – ab ins Politik-Nirwana

Ihr, liebe Grüne, wart und bleibt die Vorschreib-Partei. Ihr wollt den Menschen vorschreiben, wie sie zu leben haben – so wie Ihr ihnen auch ständig vorschreiben wollt, was sie denken dürfen. Ihr verhaltet euch wie Diktatoren. Das belegt Euer Parteitagsbeschluss.

© Steffi Loos/Getty Images

Eine Zeitlang mochte man den Eindruck haben, die Grünen seien endlich erwachsen geworden und in der Republik angekommen. Aber denkste! Da öffnen die Schleswig-Holsteiner mit Robert Habeck vorsichtig die Tür zur letztverbliebenen, grünen Regierungsoption – und dann schlägt die Mutterpartei die Tür auf ihrem Bundesparteitag mit lautem Knall zu.

Liebe Grüne, man kann gern Wahlprogramme aufstellen und dort seine Wünsche hineinschreiben. Man kann auch lautstark behaupten, dass man an eine Regierungskooperation hohe Anforderungen stellt und selbstverständlich bestrebt sein wird, seine Programmpositionen, soweit es irgend möglich ist, in die Tat umzusetzen. Wenn man das so macht, dann nennt sich das demokratische Politik: Die Bereitschaft zum Kompromiss, weil man bestrebt ist, die Zukunft des Landes mitzugestalten.

Gänzlich unpolitisch und eher was für die antiautoritäre Krabbelgruppe ist das, was Ihr auf Eurem Parteitag zelebriert habt. Wer sich hinstellt und ein Manifest mit abstrusen, in keiner Weise in der Bevölkerung mehrheitsfähigen Forderungen verabschiedet und diese religionsgleichen Dogmen mit dem Prädikat versieht, ohne deren uneingeschränkte Übernahme in eine Regierungspolitik werde man sich zu keiner Koalition bereit finden – wer dieses tut, der bringt damit abschließend den Beweis, dass er von Politik aber auch nicht das Geringste begriffen hat.

Schauen wir auf ein paar Aspekte dessen, was für Euch unverzichtbar ist.

Das Randgruppenthema einer Randgruppe

Da ist für Euch offenbar das wichtigste Thema dieser deutschen Republik die „Ehe für alle“. Möglich, dass Ihr meint, damit die männlichen und weiblichen Homosexuellen nun geschlossen hinter Euch zu bringen. Aber lasst Euch gesagt sein – auch wenn Ihr das vielleicht bedauert: Die übergroße Mehrheit der Deutschen ist immer noch hetero. Sie hat überwiegend nichts gegen Schwule und Lesben, aber „Ehe für alle“ ist für sie entweder kein Thema – oder sie sind dagegen, weil sie immer noch in der antiquierten Vorstellung verharren, dass die Ehe in allererster Linie eine Gemeinschaft von Mann und Frau ist mit dem Ziel, eigene Kinder in die Welt zu setzen.

Selbstverständlich: In Eurem Weltverständnis ist das natürlich sowas von überholt – und trotzdem ist das vom Nordpol bis nach Feuerland immer noch ein Modell, dass nicht nur seit Jahrtausenden gut funktioniert, sondern auch bei den derzeit rund 7 Milliarden Menschen von ungefähr von 98 bis 99 Prozent präferiert wird. Ihr seid hier also die Speerspitze einer verschwindend kleinen Minderheit. Das mag Euch in Eurem Selbstverständnis natürlich auszeichnen – gleichzeitig aber habt Ihr mit diesem Beschluss die von Euch ständig umkuschelten Muslime nun abschließend vor die grüne Tür gejagt. Denn dort ist die Abneigung gegen Homosexualität dank der unzweideutigen Anweisungen in deren heiligem Buch besonders ausgeprägt. Ob Ihr diese Abneigung bis zum Herbst knacken werdet – da habe ich meine vermutlich berechtigten Zweifel.

Und selbst die deutschen Homosexuellen – das muss ich Euch dank meiner langjährigen Freunde aus der Szene leider mitteilen – werden nun nicht in Scharen zu Euch laufen. Denn Homosexualität hat nicht unbedingt etwas mit politischer Überzeugung zu tun – und selbst bei vielen der von Euch nun Angesprochenen steht diese sogenannte Ehe nicht auf Platz Eins der politischen Wunschliste. Wie den Heteros geht es ihnen nicht vorrangig um Ego-Befriedigung, sondern um die Zukunft der Gesellschaft.

Lobby der französischen Atomindustrie?

Achje – ich vergaß: Die Zukunft der Gesellschaft steht ja auch bei Euch ganz oben auf der Liste. Behauptet Ihr zumindest. Oder eher doch nicht. Eigentlich geht es Euch ja nicht um Deutschland, sondern um die Welt. Und um die zu retten, wollt Ihr nun bis zum Jahr 2022 zwanzig deutsche Kohlekraftwerke abschalten. Selbstverständlich nur die schmutzigsten.

Okay – damit könnte man ja leben, wenn Ihr dann wieder die umweltfreundliche Kernkraft in  ihren modernen Ausformungen beleben würdet. Die Umwelt wäre dafür dankbar. Aber Kernkraft ist natürlich nach wie vor des Teufels und deshalb dürfen Deutschlands Reaktoren weiter verrotten.

Und so strebt Ihr nun voller Verve bereits in der nächsten Legislaturperiode in die Energieversorgungslücke. Denn was soll den dringend benötigten Strom produzieren, wenn Ihr nun bereits zum zweiten Mal radikal in die deutsche Energiezukunft hineingrätscht? Alternative und reproduzierbare Energien sind ja – sieht man von den Vogelschreddern und Wal-Desorientierern einmal ab – ganz nett. Aber vielleicht sollte man, bevor mal abschaltet, genug Alternativen angeschaltet haben. Denn andernfalls könnte es geschehen, dass Deutschland seinen Strombedarf nicht mehr selbst produziert, sondern beispielsweise in Frankreich kaufen muss. Okay – für Euch kommt der Strom natürlich immer noch aus der Steckdose. Wie er da aber reinkommt? Nun – kommt er aus Frankreich, dann aus der Kernenergie.

Der grüne Heiland kommt 2030 auf einer Batterie voll Strom
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So könnte tatsächlich der Verdacht aufkommen, dass Ihr heimlich von der französischen Atomindustrie gesponsort werdet. Denn nicht nur, dass Ihr mit dem radikalen Kohle-Abschalten für deren Lobby und gegen deutsche Arbeitsplätze arbeitet – Ihr wollt ja auch ab 2030, also in 13 Jahren, keine Autos mehr zulassen, die noch mit Verbrennungsmotor funktionieren. Angenommen, diese Idee würde angesichts der ständig verbesserten Technologien auch nur im allergeringsten Ansatz Sinn machen, dann müssten die Millionen Autos auf deutschen Straßen selbstverständlich vorrangig mit Strom versorgt werden. Und richtig! Auch der kommt selbstverständlich aus der Steckdose und reißt die von Euch verursachte Stromversorgungslücke weiter auf.

Oder wollt Ihr vielleicht künftig die Autos mit Hamsterrädern betreiben? Ach nein – das würde Eure Tierschutzlobby verschrecken (anders als beim Vogelschreddern). Fällt also aus. – Ja, zugegeben. Das war jetzt etwas zynisch. Und ja, ich weiß, Ihr träumt von einer fahrradmobilen Zukunft. Deswegen wollt Ihr ja die Republik von Flensburg bis zum Watzmann mit sogenannten Fahrradschnellwegen asphaltieren. Damit dann die Rentner mit Ihren E-Bikes auch wirklich auf Geschwindigkeiten kommen, bei denen beim Crash der stabilste Fahrradhelm nicht mehr hilft.

Im Übrigen: „Klimaschutz“ ist ja gut und schön – aber nicht nur, dass Deutschland bei diesem Thema leider nicht die Welt retten wird, hat die überwiegende Mehrheit der Deutschen auch andere Probleme, als mit ständig neu erfundenen Öko-Steuern Eure grünen Fantasien zu finanzieren.

Heiße Luft statt Realpolitik

Doch egal: Selbstverständlich könnt Ihr auch noch die Forderung aufstellen, dass der Mond seine reflektierte Energie nicht länger auf die Erde strahlen darf. Es ist ja Euer Programm.

Aber dass Ihr Euch damit abschließend aus der Reihe ernstzunehmender Politikmacher verabschiedet habt, sollte Euch selbst bewusst sein. Denn wer absurde Forderungen zum Junktim für eine künftige Regierungsbeteiligung macht, der stellt damit unter Beweis, dass es ihm überhaupt nicht um Politik geht. Und so wird am Ende Nichts von all diesen ebenso wirtschafts- und arbeitsplatzfeindlichen wie überflüssigen Traumvorstellungen Realität werden.

Wenn vielleicht in der CDU sich noch ein paar fänden, die bei Eurer Homo-Ehe mitzögen – spätestens bei der CSU ist damit Schluss. Denn deren Wählerschaft – dieser übel-reaktionäre Haufen – ist immer noch fest verankert im traditionellen Ehe-Verständnis. Vielleicht stört es sie nicht, wenn Mann und Mann und Frau und Frau zusammenleben. Aber dieses Zusammenleben wird für sie niemals eine „Ehe“ sein – und sie werden auch nicht verstehen, weshalb sie sich den egozentrischen Sonderwünschen der Minderheit einer Minderheit unterwerfen sollen. Weshalb weder Horst Seehofer noch Joachim Hermann sich bei Koalitionsverhandlungen Eurem Junktim unterwerfen könnten und diese schon deshalb nun auch nicht geführt werden müssen.

Gleiches gilt für Eure Kohle-Phobie. Mag ja sein, dass Ihr von einer Welt träumt, in der die Menschen wieder mit Kerzen und Holzofen leben. Aber die überwiegende Mehrheit träumt davon nicht – und jeder halbwegs verantwortungsbewusste Politiker wird es ablehnen müssen, Euer Ausstiegsdiktat in einem Regierungsprogramm festzuschreiben, solange nicht die Alternativen entsprechend leistungsfähig sind.

Vom Abschied vom Otto-Motor müssen wir gar nicht erst reden. Da wird schon Euer grüner Ministerpräsident in Baden-Württemberg rechtzeitig einen Riegel vorschieben. Man kann ein solches Ziel vielleicht langfristig verfolgen – aber aus den wirren Ergebnissen heißer Luft einen kurzfristigen Endtermin festzuschreiben und zur Bedingung machen, das kann nur jemandem einfallen, der seinem Ego Dauerwohlfühlen verordnet, aber keine politische Verantwortung tragen will.

Ihr, liebe Grüne, seid undemokratische Diktatoren

Doch auch das ist beim Blick aufs Große-Ganze eigentlich marginal. Entscheidender ist etwas anderes.

Ihr, liebe Grüne, wart und bleibt die Vorschreib-Partei. Ihr wollt den Menschen vorschreiben, wie sie zu leben haben – so wie Ihr ihnen auch ständig vorschreiben wollt, was sie denken dürfen. Ihr, liebe Grünen, seid keine Demokraten. Ihr verhaltet Euch wie undemokratische Diktatoren. Das habt Ihr mit Eurem Parteitagsbeschluss eindrucksvoll einmal mehr unter Beweis gestellt.

Wer als Kleinpartei ein angebliches Regierungsprogramm aufstellt, welches vom gewählten Mehrheitsführer im Falle einer Koalition ohne jeden Widerspruch übernommen werden muss, ist nicht politikfähig. Denn Politik ist Kompromiss – Euer Diktat aber ist kompromisslos.

Deshalb habt Ihr nun das zarte Pflänzchen Jamaika bereits beerdigt, bevor es überhaupt den Probelauf starten konnte. Mögen Eure abgemeierten Realos im hohen Norden damit noch so gut fahren – auf Bundesebene habt Ihr dieses Modell zu Grabe getragen. Also müsst Ihr nun auf Biegen und Brechen darauf hoffen, mit der abschmierenden SPD und den Altmarxisten irgendwie eine Mehrheit zu bekommen. Da es aber in der Republik noch nie eine tatsächlich reale Mehrheit der „Linken“ gab (entsprechende Experimente sind ausschließlich der Politikverdrossenheit bürgerlicher Wähler geschuldet gewesen) und Martin Schulz langsam begreift, dass selbst seine Stammklientel keine Kommunisten in der Regierung haben möchte, habt Ihr nun den definitiven Beweis erbracht, dass Ihr überhaupt nicht nach Regierungsverantwortung in der Demokratie strebt. Ihr wollt tatsächlich nur Euer verschrobenes Gewissen streicheln.

Ab in den Streichelzoo

Insofern, liebe Grüne – Ihr habt Euch am Wochenende verabschiedet in den Streichelzoo. Man könnte auch sagen: Ihr seid aus Angst vor dem politischen Tod in den Abgrund gesprungen.

Wer Euch wählt, kann seine Stimme gleich in die Rundablage werfen. Denn sie wird keine Chance bekommen, auf die künftige Regierungspolitik irgendwie Einfluss zu nehmen. Damit seid Ihr nun genau dort, wo die von Euch so verabscheute AfD derzeit (noch?) ist.

Ich finde das ein wenig schade. Weil ich in der Vergangenheit durchaus aktiv miterleben durfte, wie man mit vernünftigen Grünen gute, bürgerliche Politik machen kann. Das ließ für Schwarzgelbgrün ein Quentchen Hoffnung zu. Doch mit Eurem finalen Abflug ins unpolitisch umnebelte Nirwana des Traumdiktats ist diese Hoffnung nun von Euch abgeräumt worden.

Wobei – vielleicht ist es doch nicht schade.

Ihr seid einmal ein spannendes Experiment gewesen in einer Republik, der ein wenig frische Luft nicht schaden konnte. Mittlerweile allerdings seid Ihr nur noch übriggebliebene Sektierer, die wirklich niemand mehr ernst nehmen kann.

Insofern gebe ich der Hoffnung Ausdruck, dass auch die Zustimmung des Wählers zu Eurer Diktatspolitik im Nebel des Jenseitigen entschwinden möge. Solltet Ihr tatsächlich irgendwann einmal gebraucht worden sein – es ist vorbei.

Deshalb: Viel Spaß in der Selbsterfahrungsgruppe, in der Ihr dann darüber sinnieren dürft, weshalb die Wähler am Ende doch so schlau waren, den Weg Eures Diktatmonopols zu beenden.