Tichys Einblick
FUSSBALL-NATIONALMANNSCHAFT

Gierige Verbände – FIFA und UEFA pochen trotz Pandemie auf Länderspiele

Die beiden mächtigen Fußballverbände haben durch Corona viel Geld verloren und kennen keine Grenzen, wenn es um ihr Wohlergehen geht. Sie schicken die Nationalteams in Krisengebiete und drohen mit Strafen, sollten sich Deutschland, Frankreich oder Brasilien weigern, Länderspiele zu bestreiten.

Training der Deutschen Nationalmannschaft im RheinEnergie Stadion in Köln

imago images / Schüler

Einigen mächtigen und wichtigen Institutionen scheint es in der Corona-Pandemie immer noch ziemlich egal zu sein, dass sie auf Kosten der Gesundheit von Menschen den großen Reibach machen. Was interessiert, ist das Geld und das lässt sich im Falle des Fußballs mit nationalen Verbänden, Clubs und natürlich den Spielern machen. Den jüngsten Coup des moralischen Unverständnisses leistete sich die FIFA. Der Weltverband, seit Jahren ein Dickicht aus egoistischen Präsidenten, korrupten Funktionären und politischen Handlangern in den einzelnen Kontinentalverbänden, verkündete im Sommer vom Hauptsitz in Zürich aus, dass alle Nationalteams für die Länderspiele im September und Oktober ihre besten Spieler zur Verfügung stellen müssten, ungeachtet dessen – das ist schon seit Jahren so –, ob die Verbände und die Clubs etwas dagegen hätten. Auch in Zeiten der Pandemie gilt diese Abstellpflicht – auf die pocht auch die UEFA. Das hat die Funktionäre der Bundesligaclubs auf die Palme gebracht. Sie sind nämlich diejenigen, die die Nationalspieler bezahlen und in der Bundesliga auf sie verzichten müssten, sollten sie sich bei einer der vielen Länderspielreisen anstecken oder zumindest für einige Tage in Quarantäne gehen. Sollte nur ein Spieler positiv getestet werden, bedeutet das, dass alle anderen in Quarantäne müssen – mit entsprechenden Problemen für den Arbeitgeber. Gegen diese Marschroute der FIFA und der UEFA haben nun nicht nur die deutschen Clubs zum Handeln aufgerufen. 

FIFA kommt Clubs ein wenig entgegen

„Für mich ist es ein Unding, Spieler in Risikogebiete zu schicken. Es ist Aufgabe der FIFA, diese Partien entweder zu verlegen oder sicherzustellen, dass die Spieler nach ihrer Rückkehr nicht in Quarantäne müssen”, polterte zum Beispiel Augsburgs Sportdirektor Stefan Reuter im Fachmagazin Kicker in der vergangenen Woche. Sein Freiburger Kollege Jochen Saier brachte es auf den Punkt: „Es kann nicht sein, dass wir Spieler abstellen, die danach für uns Clubs in der Bundesliga nicht einsatzfähig sind.” Just nach den aktuellen Rufen aus der Bundesliga und auch der englischen Premier League beschloss die FIFA, dass Vereine „unter bestimmten Voraussetzungen” ihre hochbezahlten Kicker nicht für Länderspiele abstellen müssen. Dies gilt, wenn „am Ort des Geschehens” eine Fünf-Tage-Quarantäne besteht oder es Reisebeschränkungen in diese Orte gibt. Einige Bundesligisten haben gehandelt und ihren Spielern die Länderspielreisen gestrichen. Werder Bremen untersagte seinem Torhüter Pavlenka die Länderspiele Tschechiens in Israel und Schottland. Der deutsche U21-Nationalspieler Agu darf mit dem DFB-Tross nicht nach Moldawien reisen. Die Hanseaten haben sicherlich an die Vorkommnisse gedacht, die sich im September bei Hertha BSC Berlin zugetragen haben. Damals mussten die beiden Stammspieler Piatek (Polen) und Darida (Tschechien) nach Länderspielen in Risikogebieten in Quarantäne. 

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Es ist ein bizarres Spiel inmitten der wachsenden Bedrohung in zahlreichen Ländern rund um den Globus. FIFA und UEFA verdienen ihr Geld nur mit Länderspielen und internationalen Turnieren und machen mit der Erhöhung der Teilnehmer bei Welt-Titelkämpfen oder in der Champions League Milliarden und setzen die nationalen Verbände immens unter Druck. So hat die UEFA bestimmt, dass ein Nationalteam wie Deutschland innerhalb von vier Jahren 40 Länderspiele bestreiten muss. So kommt die Terminhatz für Jogi Löw zustande und er muss sich bei den Bundesligavereinen für die Länderspiele im September, noch vor dem Bundesligastart, entschuldigen und auch für die drei Kicks in diesen Tagen gegen die Türkei, die Schweiz und in der Ukraine. Letzteres Land ist eines der Corona-Hotspots. Einigen Nationalspielern ist es gar nicht recht, für ein bedeutungsloses Nations League Spiel nach Kiew zu reisen.

Eine fragwürdige Rolle nehmen in diesen Tagen die deutschen Gesundheitsbehörden ein. Für die Reise des DFB in die Ukraine hat die nordrhein-westfälische Landesregierung bereits jetzt schon zugesichert, dass für „die Mannschaft” keine Quarantäne angeordnet wird. Grund sind die umfangreichen Sicherheits- und Isolationsmassnahmen. Das gilt aber nicht zum Beispiel für Matheus Cunha. Der Brasilianer in Diensten von Hertha BSC Berlin ist nach Südamerika geflogen und bestreitet Länderspiele in Lima gegen Peru und in Sao Paulo gegen Bolivien. Wie es bei seiner Rückkehr weitergeht, ist bisher noch offen. Warum sich die Profis diese Reisen antun? Ganz einfach. Ein Länderspiel steigert ihren Wert und außerdem geht auch die Angst um, dass eine Absage beim Nationaltrainer das Aus für weitere Turniere bedeuten könnte. Die FIFA und UEFA sitzen ihnen direkt im Nacken und die Zündschnur in jedem Wohnzimmer der Legionäre.

Schon jetzt haben die Fans sehr sensibel auf dieses Geschäftsgebaren in der Pandemie reagiert. Die TV-Quoten sind im Keller, die Stadien selten ausverkauft, auch wenn Zuschauer zugelassen sind. Je höher der Druck wird, Menschen aufgrund von Verträgen in Risikogebiete zu schicken, desto mehr steigt die Abneigung der Fußballfans. Die beiden mächtigen Verbände stehen schon länger in der Kritik.  

Vielleicht sollten FIFA und UEFA sich in Zukunft hinterfragen, ob ihr über Jahrzehnte aufgebautes Konstrukt auf Dauer noch tragbar ist, denn die Geduld der nationalen Verbände und der Clubs ist bald am Ende. Und die Abhängigkeit von diesen beiden mächtigen Institutionen besteht nur darin, dass die Wettbewerbe Weltmeisterschaft und Europameisterschaft sowie Champions- oder Europa League von großer finanzieller Bedeutung sind und die Vereine am Leben halten. Vielleicht ist die Idee des mächtigen Bayern-Bosses Karl-Heinz Rummenigge und seiner Mitstreiter aus Madrid, Barcelona, Chelsea, Manchester oder Turin gar nicht mal so abwegig, sich von diesen Verbänden loszueisen und eine eigene Liga mit eigenen Regeln zu gründen. Dann würden genau die in die Verantwortung gezogen werden, die die Stars bezahlen und Sorgen tragen müssen. Und wenn man schon beim Fußball beginnt, könnte man auch direkt mit dem nächsten Dilemma weitermachen. Dem Internationalen Olympischen Komitee, das ebenfalls seit Jahren und Jahrzehnten mit Sportlerinnen und Sportlern und deren Gesundheit macht, was es will, wenn es sich seine Milliarden sichert.

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