Tichys Einblick
Wohin steuert die CDU?

Gibt die CDU die Mitte auf?

Mit jedem Tag machen es CDU-Politiker noch unklarer, wohin ihre Partei steuert.

© Clemens Bilan/AFP/Getty Images

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen versteht nichts von Geschichten, sonst würde es das Drama der deutschen Politik erzählen, anstatt danach zu streben, Teil dieser Soap zu sein. Seit der Bundestagswahl bekommen die Bürger den rasanten Verschleiß von Gewissheiten geboten, weil offenkundig überforderte Politiker im Rette-sich-wer-kann-Modus agieren. Bildlich gesprochen streiten auf dem Schiff der SPD Kapitän, Offiziere und Mannschaft, außerdem noch Hund und Katz, während es sich auf Kollisionskurs mit einem Eisberg namens Realität befindet, derweil die Besatzung der CDU ihr Schiff auf Autopilot gestellt hat und unter Deck in der Messe fröhliche Seemannslieder trällert, um die Existenz des Eisberges zu vergessen. Ein Interview und eine Meldung in den letzten Stunden belegen das anschaulich.

Dokumentation
WerteUnion gegen Armin Laschet
Beginnen wir mit der Meldung. Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer wurde von den CDU-Vorsitzenden für das Amt des Generalssekretärs der Partei vorgeschlagen. Die CDU-Spitze feierte den vermeintlichen Coup als Zeichen der Erneuerung und Verjüngung der Partei. Die FAZ berichtet: „Merkel-Skeptiker stellen sich hinter Kramp-Karrenbauer“. Der Landesvorsitzende der CDU Thüringen versteigt sich sogar zu dem Tweet: „A_K_K_ als Generalsekretärin vorgeschlagen. Ich finde, der Vorschlag ist ein starkes Signal. Noch nie war ein bisheriger Regierungschef zum Generalsekretär gewählt worden. Das gibt dem Amt die notwendige Freiheit.“

Die Freiheit der Annegret Kramp-Karrenbauer ist bei Lichte besehen, nur das Freisein vom Amt der Ministerpräsidentin. Damit ist sie ganz und gar dem Wohlwollen der Parteivorsitzenden ausgeliefert. Woher sie die „notwendige Freiheit“ nehmen oder worin sie bestehen soll, erläutert Mike Mohring nicht, im Gegenteil, sie wird nur soviel Freiheit besitzen, wie ihre Chefin zulässt. Noch unerklärlicher ist das Paradoxon, wie ausgerechnet eine Generalsekretärin, die bisher in der Öffentlichkeit nur als Vertraute der Bundeskanzlerin und strikte Anhängerin ihres Kurses aufgefallen ist, gerade die Wähler zur CDU zurückholen soll, die wegen Merkels Kurs die CDU verlassen haben?

Man könnte jetzt spotten, dass in der DDR auf Erich Honecker Egon Krenz folgte, der verkündete, dass die Partei die Wende eingeleitet hat. Der Rest der Geschichte ist bekannt. Sicher, die Bundesrepublik ist nicht die DDR und deshalb stellt die Erinnerung keinen Vergleich dar. Mit Kramp-Karrenbauer hat das Partei-Establishment aber auf ein Weiter-so gesetzt. Möglich, dass die Saarländerin wirklich einen Richtungswechsel einleitet und alle politischen Beobachter ins Staunen versetzt, es wäre dem Land und der CDU sehr zu wünschen.

Eine Frau nach der anderen?
AKK - ach je …
Doch gegen eine Richtungsänderung hat sich in einem Interview in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung der stellvertretende Parteivorsitzende und Ministerpräsident von NRW in Stellung gebracht, der für ein Weiter-so plädiert. Die Zeitung untertitelt, dass sich der CDU-Vize gegen „einen Rechtsruck in der CDU“ wehrt. Die Hauptgefahr für die CDU erblickt er im Konservatismus, der nicht der Markenkern der Union ist. Intellektuell könnte es Mitleid erregen, das Konservative aus „einer Strömung der Weimarer Republik“ herzuleiten, wenn es nicht den Mangel an Orientierung in der CDU dokumentiert. Anscheinend möchte der Ministerpräsident folgenden Gedankengang insinuieren: das Konservative als Strömung in den zwanziger Jahren trug zum Aufstieg der Nationalsozialisten bei, deshalb ist es angebracht, sich gegen das Konservative heute zu stellen. Mit dieser verengten, vor allem a-historischen Sicht lässt sich jede politische Richtung desavouieren. Zumal der CDU-Vizevorsitzende die Erklärung schuldig bleibt, was das Konservative eigentlich ist, gegen das er „hart streiten“ will.

Stattdessen sei für ihn der Markenkern der CDU das „christliche Menschenbild“. Doch was Armin Laschet unter der Chiffre „christliches Menschenbild“ versteht, bleibt völlig im Dunkeln, denn ausgehend vom christlichen Menschenbild lässt sich sowohl der „Rechtsruck in der CDU“, als auch die Ablehnung von Merkels Politik der offenen Grenzen begründen. Das christliche Menschenbild kann sogar diametral gegen das stehen, was Armin Laschet vertritt.

Doch welche Vorstellung entwickelt der stellvertretende Parteivorsitzende der CDU? Möchte er die CDU als linke Partei etablieren? Im Interview äußert er dazu: „Das Ziel der CDU kann nicht sein, alles auch programmatisch, zu sammeln, das rechts von der politischen Linken ist.“ Rechts von der politischen Linken befindet sich aber immer noch die Mitte. Gibt die CDU also die Mitte auf, zumal sie weit ins linke Spektrum ausgreifengreifen will, wie Robin Alexander in der WELT schrieb?

Nach dem Interview stellt sich die Frage, wo die CDU steht und was ihr Markenkern ist, umso dringender. Um das schlechte Verhandlungsergebnis der CDU für die GroKO schönzureden, behauptet Armin Laschet: „Man kann doch nicht in dieser Lage wegen Ressortzuschnitten und Ministerposten eine Regierungsbildung platzen lassen!“ In seiner Verengung ist die Aussage zwar falsch, weil die SPD sich überwiegend auch bei den Inhalten durchgesetzt hat, aber in einem hat er Recht. Die SPD kämpfte um Ministerien, um dort ihre Inhalte umzusetzen. Der CDU hingegen ging es in den Verhandlungen nur um einen Posten, den der Kanzlerin.