Tichys Einblick
Nach Feinstaub Plastik

Geplantes EU-Verbot: Weg mit Plaste und Elaste

Die Bilder von vor Plastiktüten überquellenden Meeresbewohnern haben in der Regel denselben Wahrheitsgehalt der Peta-Bilder aus Tierställen und anderer Propagandabilder: keinen.

© Getty Images

Nach dem Klima retten jetzt wir auch die Meere. OK, die retten wir schon immer, denn für Eisbären, Wale und Seehunde sammeln unzählige NGOs schon seit langem Geld und verdienen prächtig daran.

Den Eisbären, Walen und Seehunden ist das egal. Sie vermehren sich auch ohne Spenden prächtig. Doch jetzt soll ihnen eine neue Gefahr drohen: Sie sind akut von Plastik bedroht. Das schwimmt zu Millionen von Tonnen in den Ozeanen und vermüllt die Meere. Zahlen schwanken je nach Spendenbedürftigkeit der entsprechenden NGO. Belastbare Zahlen gibt es nicht.

Wo kommt das Zeug her? Natürlich von uns. Wir werfen unsere Supermarkt-Tüte nach dem Einkauf einfach in Natur, Bäche und Flüsse, dann schwimmt sie – richtig – in die Nordsee, dann in die Weltmeere. Dort killen sie Fische. Denn die fressen alles, was ihnen vor die Kiemen kommt. Auch Plastik. Daran gehen sie dann jämmerlich zugrunde, wie dramatische Bilder von verendeten Meeresbewohnern, die mit Plastik dekoriert an den Stränden liegen, zeigen.

Tolles Aufregerthema, fand auch Frans Timmermans, EU-Vizepräsident, und stellte der EU einen umwerfenden Plan vor: weg mit allem Plastik. Erst einmal zehn Produkte aus Kunststoffen stehen auf der Vernichtungsagenda: unter anderem Teller, Trinkhalme, Besteck, Wattestäbchen, Rührstäbchen, Strohhalme.

Die EU-Staaten sollen dafür sorgen, dass weniger Lebensmittelverpackungen aus Kunststoff in den Handel kommen. In den Augen von EU-Kommissar Oettinger blinken wieder die Euro-Zeichen, er will eine Abgabe für nicht wiederverwertbare Plastikabfälle. Wohin? Nach Brüssel natürlich! Das käme der EU, nein, Schreibfehler, der Umwelt zugute.

Weg also mit den Plastikgabeln und Löffeln, Plastikgeschirr! Kunststück, Timmermans hat gut reden. Als EU-Funktionärs-Millionär kann er jeden Tag mit »goldenen« Löffeln von prächtigen Porzellantellern futtern. Die schwimmen in der Regel nicht in die Nordsee, sondern werden von Hand – nicht seiner – gespült, poliert und stehen für das nächste feudale Mal wieder zur Verfügung. An der Currywurstbude oder Smoothies-Bar sieht das anders aus.

Timmermans kennt sicher auch nicht genauer die Feinheiten deutscher Mülltrennungsgepflogenheiten mit einer Müllpolizei, die penibel kontrolliert, ob das wenig gebrauchte Toilettenpapier und die Kunststofffolie der Pizza in der richtigen der zehn, zwölf Abfalltonnen vor der Haustür landen. An diesem System soll auch nur eine Plastiktüte unerkannt vorbeigekommen und in die Nordsee gespült worden sein? Das würde den Glauben an denunzierende Umweltschützer endgültig zerstören.

Ruanda kämpft gegen Plastikmüll. Dann muß Europa folgen. Wer vier Minuten Zeit hat, schaue sich dieses Video an. Hier hat offenbar niemand kritisch gegengesehen, bevor es online ging.

»Weg mit dem Plastik« ist so tief in den grünen Köpfen verankert wie das Märchen vom menschengemachten Klimawandel. »Fishing for litter« heißt der neue Industriezweig, den NGOs wie der NABU kreiert haben. Auch das stand zu befürchten: Die EU hat eine neue EU-Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie erstellt. Ziel: saubere, gesunde und produktive Meere bis zum Jahr 2020.

Doch moderne Verpackungsmaterialien sind ein Segen, helfen sie doch, dass weniger Lebensmittel weggeworfen werden müssen. Die müssen verpackt werden, so sicher, dass Ungeziefer sich nicht verbreiten kann, Mehlmotten der Spaß an Mehl und Müsli nach Möglichkeit verwehrt wird, und Schimmel an Wurst und Käse möglichst spät Gefallen findet. Brot so, dass sich die neueste Keimgeneration nicht in Windeseile verbreitet. In den Supermärkten verhelfen sie zu mehr Hygiene, wenn hauchdünne Folien die Produkte umschließen. Wieviele Lebensmittel verderben, weil sie nicht oder schlecht verpackt werden. Offene Lebensmittel laden Motten, Würmer und Bakterien zum munteren Mahl ein. Fleisch, Tomaten, Weintrauben und Äpfel umhüllen und schützen Folien, die mit 0,05 Millimeter dünner als ein Haar und dennoch reißfest sind, am besten.

Moderne Tetrapacks schützen uns vor Keimen, verlängern die Haltbarkeit der Milch, sind also die wahren umweltfreundlichen Verpackungen. Bei sehr wenig Materialeinsatz.

Was ist mit der Menge an Verpackung?

Es lohnt der Blick auf den Unterschied zwischen Volumen und Masse. Eine gute Verpackung soll wenig wiegen, aber viel Raum bieten. Die Kunststoffverpackungen tun das vorbildlich. Sie bieten ein hohes Volumen an, die Masse jedoch ist extrem gering. Danach: Ab in die Müllverbrennungsanlage mit dem Zeug. Recyceln ist Quatsch im Quadrat, schon gleich gar den Plastikmüll nach China zu verschicken, wie das lange Zeit gemacht wurde.

Denn der besteht aus mehr oder weniger reinem Erdöl, das gut brennt. Zu den wohl unausrottbaren Märchen gehört, dass Verpackungen aus nachwachsenden Rohstoffen besser seien. Das gilt nur so lange, wie man Anbau, Düngung, Wasserverbrauch von Baumwolle oder Jute nicht mitrechnet. Und nicht die weggeworfenen Waren, weil Verpackungen aus diesen Materialien Lebensmittel häufig verkeimen: Der Pizzakarton aus Altpapier verseucht die Pizza.

Der neueste Schrei heißt »Achtung! Mikroplastik!« Winzige Teilchen werden von Kunststoffprodukten abgerieben und versauen die Umwelt – sogar bis hin zum Trinkwasser. Das hat eine Untersuchung im Auftrag eines Journalistennetzwerkes ergeben. In Hamburger und Dortmunder Trinkwasser fanden Fachleute 2,5 Mikroteilchen pro Liter, im Wasser, das aus den Hähnen des Deutschen Bundestages kam, fanden sie – nichts.

Doch deutsche Experten sehen die Untersuchung sehr kritisch. »Die Befunde sind nicht besorgniserregend und die Befunde mit sehr geringen Konzentrationen auch nicht glaubwürdig«, sagt Ingrid Chorus, Trinkwasserexpertin beim Umweltbundesamt. Zwei bis zehn Plastikteilchen pro Liter seien sehr wenig: »Das sagt nichts aus, das ist Grundrauschen.«

Ob Mikroplastik für den Menschen gefährlich sein kann, weiß niemand. Winzige Kügelchen aus Kunststoff kommen überall vor und der Mensch wird damit fertig: In der Zahnpasta dienen sie gewissermaßen als Scheuerpulver, sie sind im Shampoo und in Kosmetika vorhanden. Auf den Kügelchen sitzen oft Bakterien und können Krankheiten übertragen. Doch die reisen auch auf winzigen Staubkörnchen um die Welt, wenn etwa heftige Winde in der Sahara Sandstürme anfachen. Ungeheure Mengen an Feinstaub entstehen dabei und verbreiten sich rund um den Erdball.

Vor 15, 20 Jahren begannen die ersten Wissenschaftler von neuen Gefahren des Mikroplastiks zu munkeln. Ein aufsehenerregender Bericht einer schwedischen Ökologin, der wie alle Öko-Horrorgeschichten um die Welt eilte, verlieh dem Thema scheinbare Brisanz. Von Oona Lönnstedt wurde im renommierten Wissenschaftsjournal Science eine Arbeit darüber veröffentlicht, wie Mikroplastik im Wasser das Verhalten von Fischlarven verändert.

These: Die Tiere würden Kunststoff fressen und daran eingehen. Ihre Arbeiten hatte sie an der Forschungsstation Ar auf Gotland ausgeführt. Doch ihre Kollegen waren über die merkwürdigen Ergebnisse so verwundert, dass sie sich an die Universtität Uppsala wandten und eine Untersuchung forderten, in der der Schwindel aufflog.
Science zog den Artikel zurück. Ein handfester Wissenschaftsskandal.

Dennoch liefert er die wesentlichen Grundlagen für die Schlagzeilen: »Tödliche Gefahren im Trinkwasser« und die übliche Litanei, der meist eines gemein ist: Es gibt keine Belege.

Die Steuerzahler in Deutschland finanzieren den Unsinn, während sich bereits neue Spezies am Plastikmüll laben. Schneller als ein NABU- oder EU-Funktionär denken kann, haben Mikroben das Potential dieses neuen Stoffes in ihrer Umwelt erkannt. Es bietet neuen Lebensraum, ein neues Ökosystem entsteht. Fachleute nennen es »Plastisphere«.

Unter dem Mikroskop erkennt man blühende Landschaften, ein reichhaltiges Leben von Mikroorganismen. Das haben amerikanische Meeresbiologen vom bedeutenden Marine Biological Laboratory in Woods Hole, Massachusetts, genauer untersucht. Sie entdeckten unter dem Rasterelektronenmikroskop auf Plastikteilen aus dem Nordatlantik eine überraschende Vielfalt an Bakterien: Auf wenigen Millimetern Plastik teilweise einige hundert verschiedene Arten.

Dichtgedrängt besiedeln sie die Kunststoffpartikel und ernähren sich von den Kohlenwasserstoffen, aus denen sie produziert wurden, also im Prinzip von Erdöl. Natürlich bilden sich auch vielfältige Symbionten aus. »Plastisphäre« haben Wissenschaftler dieses neue Ökosystem genannt. Sie untersuchen unter anderem, ob sich dieser Lebensraum im Atlantik von dem im Pazifik unterscheidet.

Immer mehr Meerestiere würden aufgrund zu viel Plastik verenden, gehört vermutlich auch zu den grünen Sagen, mit denen sich so herrliche Schauder einjagen lassen. Doch die Datenlage ist zu dünn, um eine solche Aussage belegen zu können.
Zumindest bei den Fischen in der Ostsee läßt sich belegen, dass die nicht mehr Plastik fressen als früher. Dänische Meeresbiologen untersuchen, ob Fische in den letzten 30 Jahren mehr Plastik gefressen haben. Sie vermuten, dass sich der verstärkte Gebrauch von Plastik auch vermehrt in den Fischen wiederfinden müsse. Sie analysierten 800 Fische, die seit 1987 gefangen und tiefgefroren wurden.

Verblüffendes Ergebnis: Nur in etwa jedem fünften Fisch fanden die Forscher kleine Mikroplastikteilchen. Die Anzahl nahm erstaunlicherweise nicht zu, sondern blieb über die Jahre auf einem niedrigen Niveau konstant. Frage also: Wo bleibt all das Plastik? Wie schnell baut es sich tatsächlich ab? Stimmen die Horrormeldungen von vermüllenden Meeren? Es scheint nicht so zu sein, dass sich auf ewig und immerdar in den Tiefen der Meere hält. Dazu ist es schließlich zu energiereich. Und die Natur läßt nichts verkommen.

Doch niemand weiß bis heute etwas Genaues. Die ehrlicheren Forscher betonen, dass dabei viel Spekulation ist und wenig genaue Daten. Die Funde von Mikroplastik in Fischen seien niedrig. Ob das irgendwelche Auswirkungen hat, weiß niemand.

Die Bilder von vor Plastiktüten überquellenden Meeresbewohnern haben in der Regel denselben Wahrheitsgehalt der Peta-Bilder aus Tierställen und anderer Propagandabilder: keinen.

Die meisten Meeresbewohner sind nicht so doof, wie es sich ein durchschnittlich begabter EU- oder NGO-Funktionär vorstellen kann. Sie sind in der Regel durchaus in der Lage, zu unterscheiden, was sie in ihr Maul lassen und was nicht. Lediglich wenn man sie hungern lässt und ihnen dann Plastikkügelchen hinwirft, dann schnappen sie nach allem, was vor ihrem Maul schwimmt. Schon kann man aufregende Bilder machen: Fischlarven mit Plastik im Bauch.

Natürlich können Meerestiere an zu viel verschlungenem Müll verenden. Doch niemand kann sagen, in welchem Umfang das geschieht. Schlimm sind Bilder mit vor Müll überquellenden Flüssen, wie sie in asiatischen Ländern zu sehen sind. Doch dort wird kein bißchen Unrat weniger im Fluß landen, wenn hierzulande ein hervorragendes Verpackungsmittel verboten werden soll.

Feine Plastik-Teilchen sind der Feinstaub von morgen. NGO-technisch gesehen ansehnliche Okkasionen, um gutes Geld zu verdienen.