Tichys Einblick
Ausgesprochen unaussprechlich

Gender im fortgeschrittenen Stadium

Während die Sprachvergewaltigung im Namen der sogenannten Gender-Gerechtigkeit Blüten treibt, wird von immer mehr öffentlichen Stellen in immer trivialeren Zusammenhängen "gendergerechte" Sprache vorgeschrieben.

Fortschreitender Gender-Sprachverfall in Deutschland: Was einst ganz simpel „Studenten“ waren, wurden irgendwann „Studenten und Studentinnen“, später unaussprechliche „StudentInnen“, in den letzten ein, zwei Jahren dann immer öfter „Studierende“ und jetzt hab ich kürzlich im Radio gehört „Studierende und Studierendinnen“. Was kommt als nächstes? StudierendInnen? Oder Studierendinnende?

Während die Sprachvergewaltigung im Namen der sogenannten Gender-Gerechtigkeit Blüten treibt, wird von immer mehr öffentlichen Stellen in immer trivialeren Zusammenhängen „gendergerechte“ Sprache vorgeschrieben. Selbstredend ohne den Hauch einer Ahnung, warum das generische Maskulinum in Bezug auf die Gleichberechtigung unterschiedlicher Geschlechter oder überhaupt unterschiedlicher Menschen irgendwie ungerecht sein sollte. Und natürlich sowieso in sinnloser Verschwurbelung von biologischem und grammatischem Geschlecht – es käme ja zum Beispiel gleichzeitigt nie jemand auf die Idee, dass „die“ Fachkraft etwas Weibliches determiniert.

Aber nicht genug, dass die Ungerechtigkeitsdefinition tradierter Sprechweisen haltlos ist: Wie das obige Beispiel zeigt, schwebt „gendergerecht“ im grammatikalisch luftleeren Raum. Zu den genannten Wortvergewaltigungen, um Menschen, die studieren, nicht einfach mit „die Studenten“ anreden zu müssen, kommen noch zahlreiche weitere Verballhornungen. Professor Hornscheidt würde uns zum Beispiel seit ein paar Jahren alle gerne auf „Studierx“ einschwören, bei den Grünen muss es jetzt im Regelfall „Student*innen“ heißen. Wobei ich Letzteres neben aller anderer Kritik auch noch tendenziell für männerdiskriminierend halte, nachdem sowohl „-innen“ also auch Starlets unzweideutig und gänzlich ungenerisch dem natürlichen weiblichen Geschlecht zuzuordnen sind.

Am Rande dazu: Der ganze Wahnsinn dann noch kombiniert mit „einfacher Sprache“ ohne Genitiv und Konjunktiv, ohne Redewendungen und nur kurzen Eine-Aussage-Sätzen möglichst ohne Komma. Schlimmstenfalls dargeboten mit der Ansprache des ganzen Empfängerkreises in der zweiten Person Singular, wie im Kindergarten: Du weißt jetzt: Das macht dumm.

Der Cocktail, der gerade allerorts über unsere Ausdrucksmöglichkeiten geschwappt wird, ist ätzend. Er zersetzt genauso Klarheit wie Vielfalt.

Sich dagegen zu stemmen, ist nicht reaktionär, sondern aufgeklärte Selbstverteidigung. Mit einer kastrierten Sprache kann man sich nicht wirklich seines eigenen Verstandes bedienen. Da fehlen einem bald die Worte.

Nachdem jeder Widerspruch gegen „gendergerechte“ Sprache in aller Regel mit Frauenfeindlichkeit, Borniertheit und spießbürgerlicher Rückständigkeit pauschal abgekanzelt wird, traut sich kaum eine politische Kraft in Regierungsverantwortung zu widersprechen, geschweige denn Änderungen anzumahnen. Zu mächtig und tiefschwingend ist die Keule, die dagegen umgehend ausgepackt wird. Wenn sich die ganze Sache nicht irgendwann selbst ad absurdum führt – siehe Einleitung – dann kann der demokratische Weg zurück zur Vernunft wohl nur über eine Kommission gehen.

All die unzähligen Leitfäden zur geschlechtergerechten Sprachregulierung für Schulen, Hochschulen, Behörden, öffentlich-rechtliches Fernsehen und Rundfunk, Bundesanstalten und maßgeblich durch die öffentliche Hand finanzierte Einrichtungen müssen daher dringend ergebnisoffen von einer unabhängigen, wissenschaftlichen Kommission untersucht werden. Alle in Bezug auf die vorgebliche Geschlechterungerechtigkeit von Sprache relevanten Fachgebieten müssen da paritätisch urteilen: Germanisten, Neurobiologen, Psychologen, Humanbiologen, Anthropologen, Sprachhistoriker, Verfassungsrechtler, Politologen und Geschlechterforscher. Die Mehrheit entscheidet. Diesem Urteil werde ich mich beugen.