Tichys Einblick
Kommentar zum Klimaschutz-Urteil

Gebt heute alles für die Freiheit von Luisa Neubauer nach 2030

Im Karlsruher Urteil heißt es: »Künftig können selbst gravierende Freiheitseinbußen zum Schutz des Klimas verhältnismäßig und verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein; gerade deshalb droht dann die Gefahr, erhebliche Freiheitseinbußen hinnehmen zu müssen.«

Fridays for Future -Sprecherin Luisa Neubauer

IMAGO / epd

Das Urteil vom Donnerstag zeigt, wie höchste Gerichte unsere Realität setzen. Doch nicht die allgemeine Erfahrungswirklichkeit der Menschen interessiert sie, sondern eine ideologische Doktrin vom angeblichen Vergehen der Welt – wegen zuviel CO2, zuviel Freiheitsrechten.

Die Devise der grünen Karlsruher Springprozession ist: »Verzichtet heute, auf dass euch morgen gegeben wird!« Aber glaubt eigentlich irgendjemand, dass wir eine heute aufgegebene Freiheit übermorgen zurück bekommen?

Schon auf den ersten Blick zeigt sich die schreiende Unlogik dieser Entscheidung: Um der Freiheit willen soll die Freiheit eingeschränkt werden. Lady Liberty ist offenbar zum handelbaren Gut geworden. Der Trick ist, dass es um die Freiheit verschiedener Menschen geht, um Freiheit zu verschiedenen Zeiten. So kann ich mit meinen heutigen, angeblich vergleichsweise geringen »Freiheitseinbußen« (BVG-Urteil) mir selbst morgen und übermorgen andere, angeblich viel größere Freiheitseinbußen ersparen. Im Karlsruher Urteil heißt es: »Künftig können selbst gravierende Freiheitseinbußen zum Schutz des Klimas verhältnismäßig und verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein; gerade deshalb droht dann die Gefahr, erhebliche Freiheitseinbußen hinnehmen zu müssen.«

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Folgt man dem Bundesverfassungsgericht, dann sieht sogar das Grundgesetz die Minderung von Treibhausgasen vor – ja, genauso wie weibliche Kanzlerkandidaten. Natürlich geht es im kurz darauf zitierten Art. 20a GG nur ganz allgemein um »die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere«. Und das soll ja auch alles geschützt werden, auch die Pflanzen und Pilze. Aber von globaler Temperaturentwicklung  steht nun einmal nichts in diesem – doch allzu beschränkten! – Grundgesetz.

Da wirkt unser Verfassungsgericht ausgleichend. Sein Vorstoß ist zugleich neu und sehr politisch: Eltern sollen endlich konsequent für ihre Kinder haftbar gemacht werden. Denn die Älteren sind schuld am künftigen Unglück der Jüngeren. »Fridays for future« hat diese Parole zu seiner Daseinsgrundlage und zu einer gültigen Währung in Politik und Gesellschaft gemacht. Nun trug die deutsche FFF-Anführerin Luisa Neubauer (Bündnis ’90/Die Grünen) gemeinsam mit dem einst eher konservativen Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) die Grund-Hypothese des Gretismus vors deutsche Bundesverfassungsgericht.

Luisa Neubauer soll frei leben – zumindest ab dem Jahr 2030

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Die Richter ließen sich nicht lange bereden und gaben der Behauptung der Greta-Jünger recht. Manches ist aber doch interessant: Die Richter sehen das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der verschiedenen Kläger eben nicht berührt, wohl aber deren Freiheitsrechte. Wörtlich heißt es in der Karlsruher Pressemitteilung: »Die zum Teil noch sehr jungen Beschwerdeführenden sind durch die angegriffenen Bestimmungen aber in ihren Freiheitsrechten verletzt.« Das höchste deutsche Gericht sieht es demnach nicht als bewiesen an, dass der befürchtete Klimawandel die körperliche Unversehrtheit Luisa Neubauers einschränken wird, wohl aber ihre Freiheit, das aber erst nach dem Jahr 2030. Im Gegenzug erscheint alles, was vor dem Jahr 2030 mit unseren Freiheitsrechten passiert, als vernachlässigenswert.

Und wenn der Klimawandel unser körperliches Sein ohnehin unbelastet lässt – also keine Überschwemmungen, keine Dürren, keine »Klima-Kriege«, von »Klima-Flüchtlingen« einmal ganz zu schweigen, wenn all das nicht (oder nicht sicher) passieren wird: Warum wird dann davon ausgegangen, dass Luisa Neubauers Freiheit nach dem Jahr 2030 wesentlich stärker eingeschränkt sein wird, als sie es ohnehin schon ist?

Ob die zukünftige Luisa Neubauer vielleicht etwas gegen diese Einschränkung ihrer Freiheit hätte, soll hier übrigens ausdrücklich nicht Thema werden. Dieser Gedanke würde uns in einen ewigen Regress und einen Spiegelsaal führen, in dem auf wieder und wieder das lächelnd-darbende Gesicht der Luisa Neubauer reflektiert würde.

Es geht um den immanenten Druck des politischen Systems

Es bleibt nur eine Antwort auf die gestellte Frage übrig: Die Freiheitsrechte von Luisa Neubauer werden nur deshalb nach dem Jahr 2030 so stark beeinträchtigt sein, weil sie selbst es eben so will (und vermutlich auch im Jahr 2030 noch wollen wird) und weil das Dogma des menschengemachten und quasi umweltschädlichen Klimawandels auch bis dahin – so prophezeien es uns die Karlsruher Richter – nicht überwunden sein wird. Und eben darum wird die dann regierende schwarz-grüne oder grün-schwarze oder grün-rot-gelbe Regierung – auch das wissen die Karlsruher Richter offenbar – den heftigsten Klima-Lockdown aller Zeiten über Luisa Neubauer verhängen. Und eben das würde Luisa Neubauers Freiheitsrechte zum endgültigen Verdampfen bringen.

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Man sieht, es ist nicht das Drängende der äußeren Probleme, wie sie sich heute darstellen (konkreter Umwelt-, Tier- oder Pflanzenschutz), was die Karlsruher Richter beschäftigt haben könnte. Es kann den Richtern eigentlich nur um den inneren, immanenten Druck des politischen Systems – vor allem des künftigen – gegangen sein, der sich aus der einmal gewählten Spiralbewegung hin zum »Klimaschutz« nicht mehr befreien können wird. Wir werden dazu verdammt sein, auch morgen und übermorgen an das zu glauben, was wir heute oder gestern geglaubt (?) und gesagt zu haben hatten.

Wirklich? Immerhin stellen auch die Karlsruher Richter – denen der Verdammungsstrahl trotzdem nicht erspart werden kann – fest, dass »nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden« sind. Und genau deshalb werde es ja für Luisa Neubauer nach 2030 so schmerzlich, auf sie zu verzichten: auf die Freiheiten und die mit diesen untrennbar verbundenen Treibhausgase. Und genau deshalb will Luisa Neubauer, dass andere diese Einsparung für sie früher vornehmen. Was sie 2030 dann wirklich tut, kann sie ja selbst entscheiden. Immerhin wäre sie dann ja erst 34 Jahre alt, und der Großteil ihres Lebens läge noch vor ihr. Nur die Klima-Verrücktheit unserer Tage, die könnte dann eventuell schon hinter ihr liegen. Wer weiß das schon.

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