Tichys Einblick
Medien als Paralleluniversum

Wie viele Flüchtlinge arbeiten?

Wenn die Fakten nicht zur Ideologie passen – umso schlimmer für die Fakten. Das polit-mediale Kartell führt bei den erwerbstätigen Geflüchteten vor, wie man Zahlen so zurechtbiegt, dass man daraus immer Erfolgsmeldungen stricken kann.

IMAGO / Panama Pictures

„Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf. Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher.“

(Bertolt Brecht: „Leben des Galilei“, 1939)

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Als Parallelwelt bezeichnen Astrophysiker und Philosophen seit der Antike ein Universum außerhalb unseres eigenen Universums. Das ist, gelinde gesagt, leicht verkürzt – aber 2.500 Jahre Geistesgeschichte lassen sich in journalistischen Texten eben leider nur leicht verkürzt abbilden.

Parallelwelten sind unserer Welt sehr ähnlich, allerdings meist mit einigen – dann doch erheblichen – Unterschieden. Fans von Science-Fiction-Serien oder von Superhelden-Comics kennen das. Im Paralleluniversum ist zum Beispiel das Raumschiff Enterprise nicht auf einer friedlichen Forschungsmission im All, sondern das Flaggschiff in einem intergalaktischen Krieg. Oder der superschnelle „Rote Blitz“ ist kein grundguter Kämpfer für das Recht, sondern ein abgrundtief böser Schurke – und trägt außerdem statt eines rot-gelben Kostüms ein gelb-rotes.

Und so weiter. Sie sehen das Prinzip.

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Damit wären wir bei der realen Bundesrepublik Deutschland – und bei ihrem Paralleluniversum in den deutschen Medien.

Fangen wir an in unserer Welt, also bei den Fakten. Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ist eine Dienststelle der Bundesagentur für Arbeit. Bei letzterer wirkt seit ziemlich genau einem Jahr die gescheiterte frühere SPD-Chefin Andrea Nahles als Vorstandsvorsitzende.

Das IAB hat gerade eine neue Studie veröffentlicht, die die Integration von Flüchtlingen auf dem deutschen Arbeitsmarkt untersucht (ohne die Ukraine). Die Ergebnisse sind objektiv eher ernüchternd: Von den Flüchtlingen, die nach 2015 aus anderen Ländern als der Ukraine zu uns kamen, sind immer noch nur 54 Prozent überhaupt erwerbstätig. Dabei wird großzügig jeder als „erwerbstätig“ erfasst, der nur geringfügig beschäftigt ist – und sogar jeder, der nur ein bezahltes Praktikum macht.

Auch nach sechs Jahren arbeitet also nur etwa die Hälfte der Flüchtlinge überhaupt.

Von dieser erwerbstätigen Hälfte wiederum arbeiten nur zwei Drittel ganztägig. Etwa genauso wenige sind in einem qualifizierten Beruf beschäftigt. Unterm Strich hat nach sechs Jahren nur etwa einer von drei Flüchtlingen einen qualifizierten bzw. einen Vollzeitjob.

Und zwei von drei erwachsenen Flüchtlingen haben auch sechs Jahre nach ihrer Ankunft in Deutschland weder eine Schule noch eine Hochschule besucht – noch eine Ausbildung noch eine Weiterbildung absolviert.

Das sind die Fakten. Jeder kann sie nachlesen.

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Verlassen wir nun unsere Welt und begeben uns in das Paralleluniversum der deutschen Medien:

„Geflüchtete in den Arbeitsmarkt zu integrieren, ist wichtig für Wirtschaft und Gesellschaft. Zunehmend gelingt es auch.“
(Bayerischer Rundfunk)

„Die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten in Deutschland gelingt mit zunehmender Aufenthaltsdauer immer besser.“
(Handelsblatt)

„Geflüchtete im deutschen Arbeitsmarkt: Sie schaffen das, nach und nach.“
(taz)

„Neben der Erwerbstätigkeit steigt auch das Bildungsniveau und immer mehr Geflüchtete üben eine qualifizierte Berufstätigkeit aus.“
(Informationsdienst Wissenschaft, idw)

„Ein Großteil der Schutzsuchenden arbeite(t) in Vollzeit.“
(Die Zeit)

Die Jubelperser aus den Redaktionsstuben leben ganz offensichtlich an einem fernen Ort, in einer anderen Dimension – in einer Parallelwelt eben, in der sich vermutlich die Zeit krümmt und wo man auch Zahlen so zurechtbiegen kann, dass sich daraus immer Erfolgsmeldungen stricken lassen.

Den Weg dorthin haben den Medienschaffenden die Politiker gewiesen. Auch die Bundesregierung fabuliert über eine „Erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt“ von Flüchtlingen. Und Sawsan Chebli, Berliner Ex-Politikerin und Bald-wieder-Politikerin im Dauer-Wartestand, hat zum Thema einen ihrer notorischen Tweets abgesondert:

Das sieht man in Deutschlands sozialdemokratischer Regierungspartei also offenbar als erfolgreiche Integration: Wenn nach über sechs Jahren gerade einmal die Hälfte (!) aller (!!) erwerbsfähigen (!!!) Flüchtlinge arbeitet.

Dagegen sieht man in der SPD und im gesamten polit-medialen Komplex souverän darüber hinweg, dass die andere Hälfte (also mehr als eine Million Personen) nichts tut – während Betriebe landesweit auch für einfache Tätigkeiten keine Mitarbeiter finden.

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Das grün-linke Paralleluniversum ähnelt zunehmend einer klinischen Wahnvorstellung.

Fakten spielen nur noch insofern eine Rolle, als sie nicht der herrschenden Ideologie widersprechen. Da die mit der Realität aber immer weniger kompatibel ist, wird die Wirklichkeit sukzessive geleugnet.

Es erfordert Anstrengung, damit unsere Welt sich gegen ein ideologisches Paralleluniversum behaupten kann. Bertolt Brecht hatte das schon verstanden. 1939 ließ er seinen Galilei sagen:

„Es setzt sich nur so viel Wahrheit durch, als wir durchsetzen; der Sieg der Vernunft kann nur der Sieg der Vernünftigen sein.“

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